Sport: Selbstverteidigung für Frauen

Selbstverteidigung. Foto: privat
Selbstverteidigung für Frauen. Foto: privat

Selbstverteidigung für Frauen sieht einfach aus, ist es aber gar nicht. Zu Besuch beim Workshop „FRAUENselbstSICHERHEIT“.

Geschafft. Sichtlich erschöpft sitzt Fatma Keckstein am Ende der Veranstaltung in der Sporthalle Corveystraße und ist mehr als zufrieden. Hinter ihr liegt schon eine Menge Arbeit – vor ihr liegt noch eine Menge Arbeit. Aufräumen, Wegräumen, Abrechnen, Resumieren….aber es hat sich gelohnt. Fatma Keckstein ist Ju-Jutsu-Trainerin und Frauenreferentin beim Deutschen Ju-Jutsu-Verband, hat Ende letzten Jahres, anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, zusammen mit dem Deutschen Turner-Bund zu einem Aktionstag eingeladen und war selbst komplett von dem Andrang überrascht.

Beim Workshop „FRAUENselbstSICHERHEIT“ hatten sich rund 100 Frauen verschiedener Nationalität und unterschiedlichen Alters angemeldet, um sechseinhalb Stunden zu lernen, wie sie sich vor Gewalt schützen können. Die Statistik sagt, dass jede dritte Frau in Deutschland während ihres Lebens mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erfährt. Gewalt gegen Frauen kommt in allen Schichten und gesellschaftlichen Gruppen vor. Aber nur jede fünfte Frau sucht sich in so einem Fall Hilfe. Eine Zielgruppe, die Keckstein besonders am Herzen liegt, sind muslimische Frauen, „sie sollen ebenfalls die Möglichkeiten des Opferschutzes kennenlernen.“

Cordula Gross, von der Flüchtlingshilfe Harvestehude, ist mit einer Gruppe von Frauen und Mädchen in die Halle gekommen. Nazanin und Shabnam zwei Schwestern im besten Teenageralter sind vor zwei Jahren mit ihrer Familie nach Hamburg gekommen. Zunächst nach Harburg. Dort wurden sie schnell in eine Volleyballgruppe der Volleyballgemeinschaft Hausbruch Neugraben Fischbek (VG HNF) integriert. Nach ihrem Umzug in die Unterkunft Sophienterrasse wollten sie ihrem Team unbedingt treu bleiben und pendeln jetzt ein bis zweimal in der Woche abends mit der S-Bahn zwischen Harburg und Harvestehude. „Häufig ist es schon dunkel, da kann es nicht schaden, wenn man etwas über Selbstverteidigung weiß“, sagt Nazanin. „Außerdem haben wir ältere Brüder, da muss man sich auch wehren können“, fügt sie grinsend hinzu.

Und was haben die beiden Mädchen und die anderen Frauen an diesem Tag gelernt? Männer sind übrigens strengstens in der Halle verboten. Deswegen ist „Chris“, das (theoretische) Versuchsobjekt für empfindliche Punkte beim Mann, auch nur eine Pappfigur. Die Praxis, von Keckstein eindrucksvoll vorgemacht, zeigt beispielsweise, Schläge oder Tritte abzuwehren. Hierfür werden zeitweise Schaumstoffröhren benutzt, damit sich auch jede traut mitzumachen.

Trotz des ernsten Hintergrundes, der hinter den Aktionen steckt, wird viel gelacht, denn die Überwindung auf jemanden „einzuschlagen“ muss auch erst gelernt sein. Sieht einfach aus, ist es aber gar nicht. Ein besonderer Moment, vor allem für die beiden Mädchen sind die Einheiten mit Lina Kalifeh. Sie ist die Gründerin von „she-fighter“, der ersten Schule für Frauen-Selbstverteidigung in Amman/Jordanien und extra für den Workshop nach Hamburg angereist. Auf Englisch und teilweise arabisch zeigt sie den Frauen die Befreiung aus Festhalte-Angriffen im Stehen und Liegen.

Spannend waren auch die Vorträge von zwei Beamtinnen des Landeskriminalamtes über Gewaltprävention und Opferschutz besonders bei Gewaltstraftaten im häuslichen Bereich. Welche Rechte habe ich eigentlich als Opfer einer Straftat? An wen kann ich mich vertrauensvoll wenden? Viele interessante Informationen an einem Tag. Fatma Keckstein weiß, dass das nur eine Anregung sein kann. „Es ist zu vergleichen mit einem 1. Hilfe-Kurs – es soll das Angstgefühl verringern, nichts tun zu können.

Natürlich kann man so etwas nicht an einem Tag erlernen. Es braucht Übung und Wiederholung, um wirklich für den Ernstfall gewappnet zu sein. Aber wichtig für die Frauen ist, zu wissen, dass es Angebote gibt und an wen sie sich wenden können.“ Gefallen hat es Nazanin und Shabnam auf jeden Fall, vielleicht ein bisschen zu lang, auf jeden Fall zu kalt in der Halle. Aber das Interesse ist geweckt. Für Fatma Keckstein ist das die Bestätigung und die Motivation, die Veranstaltung in diesem Jahr zu wiederholen – auch wenn es am Ende viel Arbeit ist.

Text: Andrea Marunde

Fatma Keckstein (Frauenreferentin beim Deutschen Ju-Jutsu-Verband) 040/2793559; frauensport@djjv.de

Das Programm Integration durch Sport ist eine bundesweite Initiative des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). In Hamburg wird das Programm durch das Bundesministerium des Inneren und der Stadt Hamburg finanziert.


Dieser Text ist ein Auszug aus SZENE HAMBURG Sport, als Heft im Heft in SZENE HAMBURG, Februar 2018, erschienen. Es ist seit dem 26. Januar 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!

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