Im Eschelsweg hat sich über 16 Jahre hinweg ein Ort entwickelt, der Musiker, Tonstudios und kreative Werkstätten unter einem Dach vereint. Hier macht jeder sein Ding. Allein – und doch zusammen. Teil 1 unseres Hausbesuches: Die Schaltzentrale & die Esche
/ von Regine Marxen. Fotos: Philipp Jung
Ein Gewerbehaus, Baujahr 1960. Die Südseite ist eingerüstet, auf der Nordseite sieht man die langen Laubengänge, die sich an zwei Stockwerken entlangziehen. Eigentlich an drei, aber eine der Etagen ist ein Zwischengeschoss, also nur von der Nordseite sichtbar. Steht auch dran, in großen schwarzen, abblätternden Buchstaben auf der Fensterfront. Das C und das G fehlen inzwischen ganz. „Der Lack ist ab“, wird Achim Köllner vom Zwischengeschoss Musikkombinat später in unserem Gespräch sagen. Stimmt nicht. So ganz und gar nicht.
An diesem Morgen beginnt unser Besuch in der Kreativ-WG im Eschelsweg bei Torsten Meyer. In seinen Räumen im Zwischengeschoss auf dem Laubengang links laufen alle Fäden zusammen. Er verwaltet das Gebäude für die HGG Immobilien, die das Haus im Auftrag einer Hamburger Familie betreut. 2012/13 hat diese den Komplex von einem großen Immobilienunternehmen gekauft. Von einer „Heuschrecke“, die das Haus vor Jahren von der Hamburger Immobiliengesellschaft Sprinkenhof erworben hatte – und der es vor allem um den Werterhalt, weniger um Wertsteigerung ging. Investitionen gab es keine, ein Interesse an dem Haus auch nicht.
„Die machen hier richtig Alarm.“
Anders bei der Hamburger Familie, die namentlich nicht genannt werden möchte. „Wir suchten bereits lange nach einem Gebäude dieser Art, um ein Jugendkunsthaus zu gründen und der Stadt etwas zurückzugeben“, heißt es auf Nachfrage. „Das konnten wir im Eschelsweg im Erdgeschoss mit der Esche sehr gut umsetzen. Deshalb kauften wir das Haus. Wir haben viel investiert in dieses Objekt, in die Esche und in das Gebäude selber, und haben großen Spaß daran.“
Torsten Meyer, der Mittelsmann vor Ort, ist seit 2016 mit im Boot. „Ich hatte schon langweiligere Jobs“, sagt der 54-Jährige und schmunzelt. Das liegt vor allem an den Mietern, diesem Mix aus mehreren Musik- und Tonstudios und kreativen Freigeistern. „Turbulent. Normal ist das hier nicht“, sagt Torsten Meyer. „Aber erfrischend.“ Im Eschelsweg herrsche immer Betriebsamkeit, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. „Die Chillgeneration“, sagt Torsten, „ist hier nicht unterwegs. Alle die hier sind, machen irgendwas. Die machen hier richtig Alarm.“
Erdgeschoss. Esche. Das Jugendkunsthaus
Esche-Geschäftsführer Andreas Fleischmann (35) sieht müde aus heute. „Meine Kollegin ist im Urlaub, da habe ich hier gut zu tun”, sagt er und begrüßt parallel die hereinströmenden Kids. Der Graffiti-Kurs unter Leitung des legendären und nicht minder lässigen Beat Boy Delles startet gleich. Die Esche im Erdgeschoss ist jüngstes Mitglied der umtriebigen Mieterschar im Eschelsweg. Am 1. Februar 2016 feierte das Jugendkunsthaus seine Eröffnung. Das Ziel: Kinder und Heranwachsende ab der 5. Klasse an die Kunst heranzuführen und sie langfristig zu halten. Die Esche ist spendenfinanziert – und wird wunderbar angenommen.
Rund 150 bis 200 Kinder nutzen die insgesamt 18 kostenlosen Kurse von Tanz bis Songwriting, DJing, Trickfilm oder Rap jede Woche. „Bei uns wird nicht gechillt“, betont Andreas. „Wir haben eine Küche, in der immer Äpfel oder Tee und Wasser stehen. Aber ausruhen dürfen sich die Kinder hier nicht. Sie müssen dann schon an einem der Kurse teilnehmen.“ Schlaflose Nächte hatte Andreas, als die Esche loslegte. Der Wahl-Hamburger und geborene Münchner begleitete den Verein von Anfang an, vernetzte sich, bildete Schulkooperationen und holte starke Partner wie Lütville oder DeluxeKidz ins kommt, wenn wir eröffnen.“ Immerhin hat die Hamburger Familie, die die Esche ins Leben rief, viel investiert und auf rund 600 Quadratmeter helle und moderne Trainings- und Gruppenräume geschaffen, die auch bespielt werden wollen. Andreas’ Sorge hat sich inzwischen erledigt. Denn für das, was die Esche bietet, herrscht großer Bedarf – in Altona und darüber hinaus.
„Die Esche, glaube ich, kann Lebenswege ändern.“
Die Jugendlichen kommen aus der ganzen Stadt, auch wenn Andreas seinen Schwerpunkt in der Vernetzung auf diesen Stadtteil legt. „Wir möchten hauptsächlich Kinder erreichen, deren Eltern sich keine Tanz- oder Malschule leisten können. Wenn man Eltern hat, die Flyer lesen, dann sind das meistens engagierte Eltern. Deren Kinder kommen sowieso. Wie aber erreiche ich die anderen? Das versuche ich über die Jugendberatungszentren, die Schulen, das Jugendamt, den Jugendschutz. Die Jugendschutz- Polizei hat auch gerade Kinder vorbeigebracht“, so Andreas. „Wir wollen eine Ergänzung für die offene Kinder- und Jugendarbeit sein. Jugendzentren bieten auch Kickern und Ähnliches an, das machen wir nicht. Hier gibt es nur feste Kurse.“
Neben dem eigenen Programm vermietet die Esche auch Räume für Veranstaltungen oder organisiert Workshops, zum Beispiel an die Zeit-Stiftung, um diese möglichst gut auszulasten und weitere Synergien zu bilden. Das funktioniert auch innerhalb des Hauses. „Wir passen wunderbar rein hier. Mit den Grafik- Büros und mit den Werbetextern habe ich mich schon abgestimmt für Flyer und mit Attraktor e.V. sind wir vernetzt und nutzen auch deren Räume, um Schaltkreise oder Lego-Roboter zu produzieren. Das ist total gut und nett mit den Leuten.”
Klingt klasse, läuft klasse und fühlt sich klasse an.
„Die Esche, glaube ich, kann Lebenswege ändern. Wir wollen Jugendliche nachhaltig für Kunstformen begeistern. Die hängen sich echt rein. Ich weiß, einige haben es nicht leicht da draußen. Aber hier finden sie ihre Struktur.“
Mehr Informationen über das Jugendkunsthaus ESCHE gibt es im Internet unter www.esche.eu