Die Uraufführung der eigens in Auftrag gegebenen Oper in der Hamburger Staatsoper zum Unglück von Fukoshima war kein leider Ausrufezeichen
Paukenschläge und Trommelwirbel heizen anfangs die Atmosphäre an. Gefahr! Projektionen von Wellen gleiten über das Publikumsmeer hinweg, der Chor, Fischer mit leuchtenden Laternen in den Händen, versammeln sich am Bühnenrand, dem Strand, die Musik beruhigt sich, man ist gefasst.
Vorbereitet sollte der Zuschauer sein auf eine blutleere Inszenierung dieses groß angekündigten Auftragswerks zum Unglück von Fukoshima, obwohl das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano die Musik von Thoshio Hosokawa emphatisch einleitet. Als Hosokawa, einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten Japans, die Musik für die Hamburgische Staatsoper schrieb, war die Katastrophe von Fukushima noch nicht lange her, wohl auch deshalb ist die musikalische Annährung an das Thema so gelungen. Doch was Nagano mit dem Orchester an musikalischer Stimmung auch mittels naturnahen Klängen und – sehr wichtig für den Komponisten – Pausen transportiert, kann das lahme Libretto von Oriza Hirata und seine Aufführung nicht halten.
Das Sujet – eine Frau will den Tod ihres Sohnes nicht akzeptieren – nimmt in der dargestellten Einfachheit einem großen Thema seine Größe. Dabei heißt es von Seiten der Oper: Das Stück reflektiert „auf einer künstlerischen Metaebene die sozialpsychologischen Folgen der japanischen Erdbebenkatastrophe von 2011 und ergründet musikalisch wie szenisch den Raum zwischen Tönen und Schweigen.“ Auf der Bühne ist das weniger nachvollziehbar, hier herrscht unsubtile Handlungsarmut und Stagnation. Zudem vermag der Gesang wenig zu berühren, einzig Bejun Mehta, der die männliche Hauptrolle Stephan spielt, besitzt mit seiner Countertenorstimme eine Klangfarbe, bei der sich der Abgrund in tiefes Leid öffnet.
Die Bezüge zum traditionellen, japanischen Nô-Theater sind weitreichend und interessant: Beispielsweise der lange Steg auf der Bühne als Brücke zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, den nur die Hauptfigur und leidende Mutter Claudia (Susanne Elmark) entlanggeht. Lichtgestalt bleibt Generalmusikdirektor Kent Nagano, der übrigens Amerikaner mit japanischen Wurzeln ist. Und so lauscht man der präzise vorgebrachten Musik und lässt sich von manchen ungewöhnlichen Klangeinlagen davontragen. Dabei hört man Hosokawas Verbundenheit mit der Natur heraus, sein Respekt vor ihrer Größe und Kraft ebenso wie Kritik an dem Streben der Menschen sie kontrollieren zu wollen.
/ Kritik von Lisa Scheide für SZENE HAMBURG
Staatsoper Hamburg, Premiere: 24.1. 2016
Fotos: Arno Declair