Jürgen: „Wir leben einen Angstporno“

"Man kann in diesen Zeiten Fatalist werden oder das Beste draus machen." (Bild: Max Nölke)

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Wir fischen sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten

Protokoll: Max Nölke

„Wenn uns dieses Jahr eines gelehrt hat, dann, dass man jahrelang planen und alles richtig machen kann, innerhalb kürzester Zeit kann aber auch alles einstürzen. Ich hätte gerne gute Ratschläge, aber im Endeffekt bringen sie einen nicht weit. Die Zukunft ist so dermaßen ungewiss. Jeden Tag starten wir von vorne.

Angst braucht man davor aber nicht haben. Wenn ich mich so umschaue, herrscht viel zu viel Geschrei und Drama in diesen Zeiten, alles wirkt hysterisch, ja fast als würden wir einen Angstporno leben.

Die Medien rufen tagtäglich zu einer neuen Apokalypse aus, über Social Media entstehen neue Dynamiken und Emotionen, was die Nachrichtenlage angeht – das ist alles nicht gesund. Dabei mache ich mir weniger Sorgen wegen des Virus, Donald Trump oder anderer Themen. Es ist vielmehr die Polarisierung, die mich besorgt. Es gibt die Wutbürger und die Gutbürger. Und was ist dazwischen? Die Mitte, die alles etwas entspannter und realistischer sieht, die Leute, die die Bedrohungslage einschätzen und mit denen man reden kann? Ich habe im Gefühl, sie schwindet.

Gut, das Jahr war scheiße, auch für mich. Ich bin selbstständig, arbeite als Grafiker – aber ich arbeite. Meine Tochter findet keinen Studienplatz, weil alles überfüllt ist – dann eben nächstes Jahr. Irgendwann sind meine Kinder aus dem Haus – aber noch habe ich sie bei mir. Es ist doch alles gut. Warum soll ich mich jetzt aufregen? Weiter geht es eh immer.

Man kann in diesen Zeiten Fatalist werden oder das Beste draus machen. Die Hauptsache ist, dass man aktiv bleibt. Auch in meinem Alter noch. Am Ball bleiben, jeden Tag lernen, Veränderung voranbringen und sich weiterbilden. Aber vor allem: entspannt bleiben.

Manchmal hilft da auch einfach, einen guten Kaffee in der Schanze zu trinken und die letzten Sonnenstrahlen abzugreifen bevor der Schmuddelwinter kommt. Und dann haben wir es doch alle geschafft: Dann beginnt ein neues Jahr.“


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