Kritik
Text: Ingrun Gade
Läuft es gerade mal nicht so wie es sollte? Macht nichts! „Bei Schwermut Wermut.“ Heinz Strunks neues Buch „Nach Notat zu Bett“ ist eine Sammlung seiner bisherigen veröffentlichen Tagebucheinträge seiner Kolumne in dem Satiremagazin Titanic. Diese gewähren einen Einblick in sein chaotisches Leben und in seine wirren, oftmals abstrusen Gedankengänge.
Ungekünstelt und gerade heraus, hier und da beleidigend und schroff, beobachtet und hinterfragt er die Gewohnheiten und Gegebenheiten der Menschen im Alltag und thematisiert konsterniert und fasziniert zugleich die Verflachung und Abstumpfung der Gesellschaft und deren „Tätigkeiten auf niedrigem Niveau“.
Zwischen anspruchsvoller Lektüre am Abend (Kafka, Strauß und Co.) und plattem Trash-TV beschreibt Strunk auf seine typisch eklig-ästhetische Weise die Widersprüche dieser bipolaren Welt. Hierzu findet der Autor harte Worte. So schreibt er über alte Väter: „Schwitzende, zitternde, von Arthritis verkrümmte Hände streicheln hilflose Menschlein, der Pesthauch stinkender Todesküsse nimmt Säuglingen die Luft zum Atmen (…).“ Er schreibt sprudelnd, sarkastisch, teilweise destruktiv und melancholisch, aber auch selbstironisch, kritisch und vor allem humorvoll.
Alkohol, Spielsucht, Marotten und Selbstzweifel sowie körperliche Leiden des Protagonisten sind seine täglichen Begleiter. Strunk quält sich durch das Schreiben seines neuen Romans, ständig unterbrochen von bedeutsameren Beschäftigungen wie das Abtauen seines Kühlschranks oder Google-Recherchen, um unnützes Wissen anzusammeln.
Er trifft auf interessante, vom Leben gezeichnete Menschen, Themenwahl stets konfus und fantasievoll, sei es der „Aufstand der dünnen Hipster-Ärmchen“, „Breit in 100 Sekunden“ oder eine musikalische Speisekarte. Dazu kommen „Ein-Euro-Gags!“ und absonderliche Schlagzeilen des Tages, die das Niveau der Menschheit nicht gerade ins beste Licht rückt.
„Nach Notat zu Bett“ ist ein vielschichtiges und unkonventionelles Buch, voll Witz, Geist, Trübsinn und ungewolltem Charme. Auch wenn es sich um vermeintlich banale Tagebucheinträge handelt, schafft es Strunk erneut, den Leser durch seine typische Schreibweise – hibbelig, wirr, abrupt, ehrlich, witzig – vollends in den Bann zu ziehen.
Heinz Strunk: „Nach Notat zu Bett“, Rowohlt, 256 Seiten, 20 Euro