(4.11.) Theater, „Schlaraffenland“, Kammerspiele, 20 Uhr

Alles wunderbar im „Schlaraffenland“? In diesem Theaterstück braucht es ein Erweckungserlebnis, damit seine Protagonisten merken, auf wessen Kosten sie eigentlich leben.

Im vermeintlich selbst erschaffenen Schlaraffenland ist alles so unkompliziert: Pünktlich um sieben wird das Abendessen serviert, dem Sohn wird jeder Wunsch, vom Auto über eine Freundin bis hin zum Plattenvertrag, umgehend erfüllt, und das einzige Problem der Tochter, ist die richtige Bedienung der Mikrowelle. Fehlende Brüste, Muskeln und Haare, die zu kurzzeitigem Unwohlsein führen, werden mit diversen Operationen einfach nachgerüstet – und die Probleme sind beseitigt.

Probleme? Ach ja, die gibt es ja gar nicht. In dieser Blase – gedanken- und gewissensfrei – ist einfach alles nur schön, selbst der Tod der Oma. Bis eines Abends das Leben des Sohnes durch ein „Erweckungserlebnis“ durcheinander gerät. Ein schwarz gekleideter Mann bricht durch die Wand seiner Wohnung und klärt den Sohn darüber auf, dass viele Menschen, wie er, im Hintergrund schuften und bluten, damit all seine Wünsche in Erfüllung gehen. Sinnbildlich ist die negative Seite der Globalisierung gemeint, in der die westliche Wohlstandsgesellschaft auf Kosten der Dritten Welt lebt.

Moralische Keule eines Messias

Billig-Klamotten werden unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen hergestellt und mit ungleicher Verteilung werden Lebensmittel gehandelt, was der aufgeklärten Gesellschaft klar ist, aber schweigend die Vorteile für sich nutzt. Die Begegnung mit der „Wahrheit“ veranlasst den Sohn zu einem Kreuzzug für die Gerechtigkeit.

Das Stück ist solide inszeniert, das Ensemble überzeugend, doch während es im ersten Teil gut funktioniert, auf witzige Weise den ungezügelten und absurden Wohlstand einer unreflektierten Gesellschaft zu zeigen, entwickelt sich das Erweckungserlebnis im zweiten Teil eher zur moralischen Keule. Die klugen Gedankenanstöße, die der Text beinhaltet, gehen leider in der Anklageflut des Sohnes, als inszenierter Messias, unter. Es fehlt der Feinschliff , die Zwischen-den-Zeilen-Botschaft und der Humor, was schade ist, denn das kann Philipp Löhle eigentlich richtig gut.

/ Hedda Bültmann / Foto: Anatol Kotte

Hamburger Kammerspiele
4.11.17, 20 Uhr

Details
04. November 2017
12:27
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