„Komisch, sehr komisch“ fand Anton Tschechow sein letztes Stück „Der Kirschgarten“, das – ein halbes Jahr vor seinem Tod – 1904 in Moskau Premiere feierte. Mit ihrer gelungenen Bearbeitung des Stoffes, die jetzt unter dem Titel „Der Apfelgarten“ am Thalia Theater uraufgeführt wurde, beweisen die Husumer Schriftstellerin Dörte Hansen („Mittagsstunde“, „Altes Land“) und der Regisseur Antú Romero Nunes, dass Tschechows Humor durchaus auch eine „kattendüstere“ (stockfinstere) Entsprechung im Hier und Heute besitzt.
Der Apfelgarten: Von Russland ins Alte Land
Denn Hansen und Nunes holen die Handlung nicht nur in die Gegenwart, sondern verlegen auch den Schauplatz: Das heruntergewirtschaftete Gut im zaristischen Russland wird zu einem unrentablen Apfelhof im Alten Land. Dorthin kehrt die Hofbesitzerin Astrid von Holt (herrlich überspannt: Maja Schöne) nach langer Abwesenheit zurück – und wird sich am Ende des Stücks wieder vom Apfelacker machen, denn Haus und Garten sind inzwischen unter den Hammer gekommen. Der neue Besitzer Torben (breit aufgestellt von unterwürfig bis selbstherrlich: Thomas Niehaus), ein liquider Landarbeitersohn und Selfmademan, will alles plattmachen, „Tiny Häuser“ bauen und verpachten. Astrid tut derweil nichts, um den Hof zu retten, feiert stattdessen eine Party und lässt im erweiterten Familienkreis die Vergangenheit hochkochen. Dabei wird der Untergang alter Verhältnisse beklagt und der Verlust der Kindheit beweint, zugleich aber das moderne Leben gepriesen.
Wie bei Tschechow sind alle Figuren Individualisten: von Astrids Tochter, die auf der Suche nach einer Zukunft ist (etwas zu leise: Lisa Hagmeister), bis zur alten Mutter Beke (hervorragend: Gabriela Maria Schmeide), die in Altländer Tracht mit jungen Burschen tanzt und schließlich im Haus vergessen wird, während im Hintergrund kreischende Sägen den Fall der Apfelbäume anzeigen.
Der Apfelgarten, Thalia Theater, 22., 26. November 2024 und weitere Termine
Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen.