„Und wer nimmt den Hund?“: Eine Trennungsgeschichte

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Der Plan: therapeutisch begleitet niveauvoll auseinandergehen (Foto: Boris Läwen / Majestic)

Schöner kann eine Ehe nicht scheitern: Rainer Kaufmann hat mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur in den Hauptrollen eine kluge, humorvolle Trennungsgeschichte inszeniert

Text & Interview: Maike Schade

Georg und Doris sind seit 25 Jahren verheiratet. Er ist Direktor eines Aquariums, sie hat ihre künstlerische Laufbahn samt Traum von der eigenen Galerie aufgegeben und sich stattdessen um den Haushalt und die mittlerweile erwachsenen Kinder gekümmert. Leidenschaft? Schon lange nicht mehr. Klar, was dann passiert: Georg (Ulrich Tukur) verliebt sich in seine neue, 30 Jahre jüngere, ebenso hübsche wie intelligente Assistentin, die Doris (Martina Gedeck) vom Typ her durchaus ähnelt. Gefühle im Überschwang, die Liebe seines Lebens, das Aus für die Ehe.

Es ist eine auf den ersten Blick schon viel zu oft erzählte, ärgerlich stereotype Geschichte mit ebenso stereotypen Charakteren, die Drehbuchautor Martin Rauhaus sich ausgedacht hat. Das ist bei seinen Vorlagen häufig das Problem – zum Beispiel „Das Familienfest“, inszeniert vom wunderbaren Lars Kraume, krankte an zu grob gezeichneten Figuren und ebensolcher Handlungsentwicklung. Auch bei „Und wer nimmt den Hund?“ – übrigens komplett in Hamburg gedreht und produziert – wirkt der Plot stellenweise ein bisschen wie mit der Axt geschnitzt. Doch es gibt auch viele wunderbar pointierte, kluge Dialoge und den einen oder anderen überraschenden, humorvollen Twist. Zwei großartige Hauptdarsteller. Eine tolle Kamera (Klaus Eichhammer). Einen köstlich ironisch anmutenden, beschwingten Big-Band-Soundtrack (Jörn Kux, Jan-Peter Klöpfel). Und einen fähigen Regisseur.

Typische Beziehungsgeschichte

Schon vor 24 Jahren bewies Rainer Kaufmann mit „Stadtgespräch“ (mit Katja Riemann), dass er auch aus einer noch so typischen Beziehungsgeschichte etwas Mitreißendes herausholen kann. So auch hier. Fast dokumentarisch lässt er seine Protagonisten stellenweise frontal in die
Kamera erzählen, was denn in der Ehe so alles schiefgelaufen ist. Anlass hierzu bietet die Trennungstherapie, die Doris und Georg machen – eine feine Idee von Autor Rauhaus, mittels der er ohne große Verrenkung und erhobenen Zeigefinger den Dynamiken und Mechanismen einer langjährigen Ehe psychologisch auf den Grund gehen kann.

Denn Georg und Doris ist passiert, was vielen geschieht: Sie haben sich auseinandergelebt. Sich aus den Augen und das Interesse füreinander verloren. Als nun die hübsche Laura (Lucie Heinze) auftaucht und sich im bläulichen Licht vor den Quallen-Aquarien fast wortwörtlich dieselbe Kennenlernszene abspielt wie fast drei Jahrzehnte vorher mit Doris, ist Georg verzaubert, fühlt sich wieder lebendig und verrückt – so wie damals. Und so, wie er es mit Doris als Ziel auf der gemeinsamen Lebensliste notiert hatte, auf der die meisten Punkte aber immer noch unerledigt sind.

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Im Laufe der Trennungstherapie kommen viele verschüttete oder nie gesagte Dinge ans Licht. Kein Wunder also, dass das, was eigentlich einen Rosenkrieg vermeiden sollte, zu einer aufwühlenden emotionalen Berg- und Talfahrt führt, bei der die Frage „Und wer nimmt den Hund?“ irgendwann gar nicht mehr so wichtig ist. Wie schon in „Gleißendes Glück“ ziehen Martina Gedeck und Ulrich Tukur alle Register ihres schauspielerischen Könnens. Und so entwickelt sich die scheinbar so uralte, langweilige Geschichte zu einer sehenswerten Komödie mit Tiefgang, die dazu einlädt, die eigene Beziehung mal wieder zu hinterfragen.

SZENE HAMBURG: Frau Gedeck, was halten Sie von einer Trennungstherapie?

Martina Gedeck: Ich finde eine therapeutische Begleitung für Paare grundsätzlich gut, weil das eine positive Auswirkung auf die Streitkultur und die Form des Umgangs miteinander haben kann. Das kann bei einer Krise helfen, aber bestimmt auch bei einer Trennung. Vor allem, wenn Kinder da sind, möchte man ja vielleicht so auseinandergehen, dass man trotzdem weiterhin in gutem Kontakt sein kann.

Wie steht es um Ihre eigene Streitkultur, sind Sie gut im Streiten?

Ich mag Konflikte nicht unbedingt, und ich bin auch kein großer Fan von Streitgesprächen – vor allem auf einer Ebene, bei der man außer sich gerät. Mir ist es lieber, wenn man sich anders einigt. Aber manchmal ist es eben doch notwendig, klare Fronten zu ziehen und dem Partner klarzumachen, dass irgendetwas für einen so nicht in Ordnung ist. Ich finde es allerdings gut, wenn man im Streitgespräch dann auch mal stoppt und eine kleine Pause einlegt, bevor die Fetzen allzu sehr fliegen.

Wenn das geht …

Ja, doch, das kann man willentlich unterbrechen. Man sagt „Moment, ich brauche eine Pause“ und geht aus dem Zimmer.

“Plötzlich darf man alles, was man sonst nicht darf“

Sie hatten jetzt zwei Mal eine schauspielerische Beziehung zu Ulrich Tukur. Welche hat Ihnen besser gefallen, die aufregende Affäre oder die vertraute Langzeitliebe?

Das kann man kaum vergleichen, das sind ja zwei ganz unterschiedliche Genres, ein Drama und eine Komödie. In „Gleißendes Glück“ waren wir eigentlich noch im Vorfeld einer beginnenden Liebe, eine sehr schöne, zarte Geschichte, und jetzt im „Hund“ sind wir dabei, die Liebe zu beenden. Den Mittelteil haben wir irgendwie ausgelassen … Beides war aber auf seine Art schön. Ich spiele sehr gerne mit Ulrich, und gerade jetzt hier beim „Hund“ war das auf einer schauspielerisch sehr virtuosen Ebene.

Was war daran so herausfordernd?

Wir mussten uns einen Schlagabtausch liefern und miteinander sozusagen Pingpong spielen. Es hat unheimlichen Spaß gemacht, sich in die Emotionen reinzuspielen, bis es sich anfühlte wie echt. Und man steht dann da und schreit sich an und darf plötzlich alles, was man sonst nicht darf. Ulrich ist ja ein sehr feinsinniger Spieler, er nimmt die Bälle gut auf und gibt sie gut retour.

Soll das heißen, Sie haben stellenweise auch improvisiert?

Nein. Wir haben die Dialoge perfekt aus dem Drehbuch umgesetzt. Das ist genau wie in der Musik: Wenn du Bach oder Mozart oder auch Jazz spielst, dann musst du die Noten und Harmonien draufhaben und dann miteinander im Musizieren emotional abheben. Genau das machen wir Schauspieler auch. Wir nehmen den Text, den wir gelernt haben, und füllen das dann mit Emotionen.

Apropos Emotionen. Ihre Doris ist recht impulsiv und zerstört gleich zwei Autos im Film. Würden Sie so etwas auch gerne mal im wahren Leben machen? Oder haben Sie es vielleicht sogar schon getan?

(lacht) Nein. Das höchste der Gefühle war mal, als ich das Telefon gegen die Wand geschmissen habe. Aber absichtlich jemandem Schaden zufügen könnte ich nicht. Wobei es natürlich sehr lustig war, das im Film zu tun. Und gar nicht so ungefährlich. Als ich das Auto gegen die Garagentür gefahren habe, musste ich die Hände auf ganz bestimmte Weise aufs Lenkrad legen, um mir nicht die Daumen zu brechen. Das ist wirklich ein gewaltiger Aufprall, man glaubt das gar nicht. Ein Auto angezündet habe ich noch nicht, ich wollte das auch noch nie. Obwohl ich verstehen kann, wenn heutzutage jemand solche Gedanken hat.

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Doris wird im Film durch eine Jüngere ersetzt. Haben Sie manchmal auch deswegen Sorge, beruflich oder privat?

Nein, das geht ja gar nicht. Ich spiele Rollen gemäß meines Alters, die könnte eine Jüngere gar nicht spielen, insofern habe ich keine Angst vor der Konkurrenz durch eine 20- oder 30-Jährige. Ich weiß, dass die ältere Generation befürchtet, von der jüngeren aus dem Mittelpunkt der Gesellschaft gedrängt zu werden. Das sehe ich aber nicht so. Es ist Platz für alle da.

Haben Sie eine Lebensliste mit Dingen, die sie unbedingt erleben oder machen wollen, so wie Doris und Georg?

Nein. Auf gar keinen Fall. Dafür brauche ich doch keine Liste! Das Leben ist so reich, so vielseitig – das würde doch nie in drei, vier dürre Worte passen.

Gibt es nichts, das Sie unbedingt mal tun wollen?

Nein. Ich habe eigentlich immer genommen, was kam und geguckt, was sich daraus entwickelt. Das einzige, was ich wirklich wollte, ist, Schauspielerin zu werden. Und das habe ich dann relativ schnell in die Tat umgesetzt.

Über die Liebe

Glauben Sie an die Liebe des Lebens, die für immer ist?

Ja, natürlich gibt es das. Natürlich kann man gemeinsam durchs Leben gehen und sich miteinander weiterentwickeln. Daran glaube ich ganz fest. Ich selbst habe auch viele Langzeitbeziehungen: Freundschaften, die zum Teil bis in die Kindheit zurückreichen, eine sehr enge Beziehung zu meiner Familie und auch langjährige Beziehungen zu Männern.

Ich persönlich mag es sehr, wenn eine Beziehung sich entwickelt und weiterbewegt und man gemeinsam Dinge mitmacht. Ich bin aber dennoch sehr froh, dass wir in einer Zeit leben, in der es die Freiheit gibt zu sagen: Ich möchte mich noch mal neu orientieren.

Sie und ihr Partner, der Regisseur Markus Imboden, sind beide viel unterwegs und leben halb in Berlin, halb in Zürich. Ist das vielleicht besser für die Liebe als ein Nine-to-five-Alltag?

Es stimmt, wir sind zeitweise räumlich getrennt. Aber auch da haben wir Strukturen, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Und ich kenne auch kaum Paare, die immer zusammen sind, mindestens einer ist in der Regel ja berufstätig und nur abends zu Hause, wenn überhaupt. Ist das so anders?

Grundsätzlich bin ich aber schon sehr gerne in einer strukturierten Alltagssituation mit meinem Mann. Wenn man sich da mal eingeengt fühlt, dann kann man das ja verändern. Mal Billard spielen gehen oder so.

Georg beklagt sich, dass Doris sich von einer lebendigen, aktiven Frau immer mehr in eine Haus- und Ehefrau verwandelt hat. Er sagt: Das ist nicht mehr die Frau, die ich geheiratet habe.

Was für ein beschissener Macho-Spruch. Natürlich ist sie nicht mehr die Frau, die er geheiratet hat, und er ist auch nicht mehr der Mann, den sie geheiratet hat. Zum Glück! Sie entwickeln sich und verändern sich. Warum soll man die Frau, die zu Hause die Kinder großzieht, ins schlechte Licht rücken und sagen: Das ist nichts wert?! Interessant, dass er solche fürchterlichen Sätze raushaut. Was für eine langweilige, hinterwäldlerische Denke steckt da dahinter. Aber ich glaube, er meint es auch gar nicht so. Er will sie verletzen. Wer so einen Satz wirklich meint, dem ist nicht mehr zu helfen.

Vervollständigen Sie mal: Liebe ist …

Liebe ist, wenn man das Wesen des anderen liebt. Nicht das, was er tut.

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Georg hat sich angeblich zuerst in Doris’ Nase verliebt. Mögen Sie Ihre?

Meine Nase ist ganz interessant, weil sie von jeder Seite anders aussieht. Wenn man von der linken Seite draufguckt, ist sie krumm, und wenn man von der rechten Seite guckt, ist sie gerade. Und so sieht mein Gesicht aus unterschiedlichen Blickwinkeln auch ganz verschieden aus, wenn man mich filmt. Ich denke zwar nicht großartig über meine Nase nach, aber ich habe an ihr nichts auszusetzen.

„Und wer nimmt den Hund?“: Regie: Rainer Kaufmann. Mit Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Lucie Heinze, Angelika Thomas. Seit 8.8. im Kino


Szene-Hamburg-August-2019-TitelDieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, August 2019. Titelthema: Wie sozial ist Hamburg? Das Magazin ist seit dem 27. Juli 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 


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