Victor Schefé im Gespräch über seinen Debütroman 

Bisher hat Victor Schefé vor allem als Schauspieler von sich reden gemacht – von „Alarm für Cobra 11“ bis zu „James Bond 007: Spectre“. Nun hat er, mit 56 Jahren, seinen Debütroman geschrieben 
Victor Schefé: „Musik hat mir fast immer dunkle Zeiten erträglicher gemacht, und schöne Phasen noch bunter“
Victor Schefé: „Musik hat mir fast immer dunkle Zeiten erträglicher gemacht, und schöne Phasen noch bunter“ (©Urban Zintel Fotografie)

SZENE HAMBURG: Du bist nicht nur Schauspieler, sondern auch Sänger, Moderator, Produzent, Regisseur et cetera. Was antwortest du auf die Frage, was du beruflich machst, wenn dich jemand nicht kennt?

Victor Schefé: Seit ein paar Jahren traue ich mich zu sagen: „Künstler“.

Nun hast du auch noch ein Buch geschrieben. Stand erst der Entschluss, ein Buch zu schreiben oder hattest du das Thema, das dann zu einem Buch wurde?

Das Thema des Romans ist mein jüngeres Ich in zwei deutschen Staaten, also schleppe ich so eine Ahnung, dass „man“ das erzählen sollte, schon eine Weile mit mir rum. Ich wusste lang nicht, in welcher Form ich einen Teil der Geschichte öffentlich machen will – filmisch, dokumentarisch, musikalisch oder auf der Bühne …

Du bist 56 Jahre alt – ein Alter, in dem man in der Regel deutlich weniger Dinge zum ersten Mal macht als in früheren Lebensjahren. Einen Roman veröffentlichst du nun aber zum ersten Mal. Wie fühlt sich das im Vorfeld für dich an?

Rund. Ich habe mich der eigenen Herausforderung gestellt, bin krasse Umwege gegangen, mittenmang auch volles Pfund gegen die Wand gerast, aber habe durchgehalten. Und das entspricht summa summarum dem Leben, das ich bisher gehabt habe: neue Wege gehen, ausprobieren, nicht aufgeben.

Victor Schefé: Verantwortungsgefühle und die kreative Freiheit 

Als Schauspieler erzählst du in der Regel die Geschichten anderer, mit „Zwei, drei blaue Augen“ erzählst du nun eine eigene. Du hast damit eine andere Verantwortung. Wie macht sich die bei dir bemerkbar?

Ich gebe im Moment munter Interviews – damit habe ich mich in der Vergangenheit eher zurückgehalten. Eigentlich gehe ich aber an jede neue Arbeit mit einem Verantwortungsgefühl. Wenn es gar nix mit mir zu tun hat, vielleicht nur fürs eigene oder anderer Leute Bankkonto gut ist, sage ich schon auch mal ab. Mit der Arbeit am Roman habe ich mir optimale kreative Freiheit geleistet. Die größte Verantwortung für „Zwei, drei blaue Augen“ war, den Jungen, der ich einmal gewesen bin, möglichst ehrlich darzustellen – oops, da erkennt man den Schauspieler! –, also, ihn und seine Zeit möglichst echt zu beschreiben.

Hast du dich in deiner neuen Rolle als Autor noch mal auf irgendeine Weise anders wahrgenommen, neue Seiten an dir entdeckt?

Ach, vor allem habe ich meine Liebe zur Sprache ausleben können. Und das habe ich jeden, wirklich jeden Tag als unglaublichen Luxus empfunden. Die größte Überraschung als Autor ist vielleicht festzustellen, wie „fertig“, im positiven Sinne, man in jungen Jahren schon ist. Ich habe immer noch sehr viel mit dem Knirps und dem Teenager zu tun, den ich in „Zwei, drei blaue Augen“ zeichne und bin froh, seinen Hoffnungen und Träumen, seiner Denke nun möglichst viel Raum im Heute zu verschaffen.

Mit der Arbeit am Roman habe ich mir optimale kreative Freiheit geleistet

Victor Schefé

Als Schauspieler bist du es ja gewohnt, in Geschichten einzutauchen, sie zum Leben zu erwecken. Hat dir deine Erfahrung dahingehend beim Schreiben des Romans geholfen?

Meine ersten 23 Jahre, die ich im Roman beschreibe, haben mir eher vor Augen geführt, warum ich auch ohne Schauspielschule ganz gut als Schauspieler zu tun hatte. Was Rhythmus, die Dramaturgie und den Umgang mit Worten betrifft, sind die Erfahrungen am Theater und in der Musik beim Schreiben sicher Gold wert gewesen. 

Dein Verlag hat geschrieben, mit „Zwei, drei blaue Augen“ sei dir ein literarischer Befreiungsschlag gelungen. Wovon musstest du dich befreien?

Das sind so Werbetexte, die ich nicht allzu ernst nehme. Befreit habe ich mich mit 19, als ich endlich in Freiheit, in meinem Fall in Westberlin, war. Da aber das Lebenstempo danach teilweise so speedy wurde, habe ich Reflexion des Vorangegangenen unterdrückt, verdrängt, whatever. War jetzt also vielleicht eh mal an der Zeit, sich den Ursprüngen zu stellen. Also: ich auf und vor der Couch = Schreibtisch. So entsteht eben auch … Literatur.

Du bist in Rostock geboren, wo auch dein Roman spielt. Offenkundig gibt es starke Parallelen zu deiner Hauptfigur und dir. Ist alles autobiografisch in dem Buch?

Viel. Die Stadt Rostock nimmt großen Platz ein, aber die Leser:innen landen auch in Berlin, Hauptstadt der DDR, in Prag und Leningrad, und den Rahmen bildet die gute alte, mittlerweile verstorbene „Tante Westberlin“.

Über den Alltag eines Anfang 20-jährigen Westberliners, der Künstler werden will

Victor Schefés Debütroman ist im dtv Verlag erschienen (©dtv)

Am Anfang deines Romans ist eine Stasi-Akte abgedruckt. Derlei Akten sind ja so was wie die Geißel eines jeden mit DDR-Vergangenheit. Ich nehme stark an, dass auch du irgendwann entsprechende Akten deiner Familie eingesehen hast. Was haben die dadurch gewonnenen Erkenntnisse mit dir und deiner Sicht auf deine Familie und das DDR-System gemacht?

Die Stasi-Akten des Teenagers, der im Roman mit 19 endlich nach Westberlin ausreisen darf, sind widerlich umfangreich und wurden deshalb ein wichtiges Element des Romans. Der Junge hat nur eine Ahnung von dem, was da hinterrücks über ihn gesammelt wird. Die Leser:innen sind dem Ich-Erzähler permanent voraus, weil sie sehen, was der Staatssicherheitsdienst mit dem heranwachsenden feindlichen „Objekt“ vorhat. Meine Akten habe ich erst über ein Jahrzehnt nach dem Mauerfall eingesehen, mit großem Abstand also, auch emotional. Was dieser kleine deutsche „demokratische“ Staat, die DDR, allerdings für einen Aufwand betrieben hat, um seine 17 Millionen Bewohner klein und knapp bei Laune zu halten oder sie fertigzumachen, zu zerstören, wenn sie nicht so wollten, wie die Partei es ihnen vorschrieb, macht auch heute sprachlos. Ein paar von uns aber sprechen, schreiben, singen, malen auch heute noch – vielleicht auch für die, die das nicht (mehr) können.

Der Roman selbst beginnt dann mit dem Satz „Schon zweimal durch die halbe halbierte Stadt gewetzt.“ Und entsprechend atemlos agiert der Ich-Erzähler auch: Er hetzt von Kreuzberg nach Wilmersdorf nach Schöneberg – es stresst einen fast ein wenig. Warum hast du dich für diesen Anfang entschieden?

Die größte Überraschung als Autor ist festzustellen, wie ‚fertig‘, im positiven Sinne, man in jungen Jahren schon ist

Victor Schefé

Das erste Kapitel beschreibt den relativ normalen Alltag eines Anfang 20-jährigen Westberliners, der Künstler werden will, aber von der Kunst noch nicht leben kann und also Jobs all over town hat ­– am 9. November 1989. Dieses historische Datum bildet eine Art Klammer fürs Buch. Der Protagonist ist einer der wenigen inmitten des Jubels, die den Riss in der Mauer als Bedrohung empfinden. Von dort aus entfaltet sich die Geschichte in alle Richtungen, hat durchaus ruhige, sensible, aber eben auch laute, gefährliche Inseln.

Ein wichtiger Bestandteil deines Romans ist Musik. Am Ende deines Romans steht eine mehrseitige Liste von Liedtextnachweisen. Warum war dir die Einbindung von Musik in deinen Roman offenbar ein so wichtiges Anliegen?

Weil, und da bin ich nicht allein, Musik oft der kürzeste Weg zu eigenen Erinnerungen und Gefühlen ist. Musik hat mir fast immer dunkle Zeiten erträglicher gemacht, und schöne Phasen noch bunter.

Deinen Debütroman hast du nun geschrieben, er steht kurz vor der Veröffentlichung. Hast du vor, daran anzuknüpfen? Gibt es schon Pläne für einen weiteren Roman?

Ja, ich schreibe weiter. Ob das dann jemals jemand zu lesen bekommt, hängt sicher auch vom Erfolg von „Zwei, drei blaue Augen“ ab. Also, liebe Leser:innen von SZENE HAMBUG, bitte stürmt im Oktober die Bücherläden! Danke!

Abonniere unser
"Heute in Hamburg"
Update per E-Mail oder WhatsApp!

Die spannendsten Events in der Stadt und das Neueste aus der Hamburger Gastro- und Kulturszene. Wir halten dich auf dem Laufenden. 😃

👉 Stattdessen via Messenger abonnieren

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Abonniere unseren Newsletter!

Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg.

Unsere Datenschutzbestimmungen findest du hier.

#wasistlosinhamburg
für mehr Stories aus Hamburg folge uns auf