Von der Straße geholt

Aktive Koje-Mitglieder im Uhrzeigersinn: links Marlene Hartmann, daneben Björn Weirup und Yannick Block (mit Bart)

Der Hamburger Verein Koje will obdachlosen Menschen helfen, indem er Wohnungen organisiert und als Hauptmieter auftritt. Wer macht so etwas?

Wer kümmert sich um deine Würde, wenn dir nichts gehört? Ohne Zuhause hast du keinen Job, ohne Job kein Eigentum, ohne Eigentum keine Identität – und ohne Identität keine Würde. Klingt unmenschlich, ist aber soziale Logik der kapitalistischen Gesellschaft. Die Opfer? Ausreißer, Absteiger, Ausgegrenzte, Arbeitslose, Kranke. Die Konsequenz? Verlust des selbstbestimmten Lebens. Die Lösung? Helfen, zuhören, kreativ werden. Koje e.V. macht’s vor, drei Mitglieder im Gespräch.

SZENE HAMBURG: Wie habt ihr als Verein zusammengefunden?

Björn: Ich hatte vor zwei Jahren die Idee, wenn 60 meiner Freunde 10 Euro pro Monat spenden würden, könnte man damit eine Wohnung finanzieren und so einen Menschen von der Straße holen. Bei Hinz & Kunzt, den Kennern der Thematik, habe ich mir dann Feedback geholt.

Wie fiel die Rückmeldung aus?

Björn: Sie meinten, dass die Idee grundsätzlich gut sei. Wenn man aber eine Wohnung für Bedürftige bereitstellt, dann sei es wichtig, dass diese dort auch langfristig bleiben können.

Welche Rolle spielt ihr dabei?

Marlene: Wir mieten als Hauptmieter eine Wohnung an, und leihen sie in Absprache mit dem Vermieter aus. Dafür haben wir mit einer Gruppe von Jurastudenten einen Leihvertrag erarbeitet. Nach gegebener Zeit übertragen wir den Vertrag dann auf den Mieter, sofern sich das Verhältnis stabilisiert hat und sowohl Mieter als auch Vermieter zufrieden sind.

Wie sah und sieht eure Arbeit aus?

Marlene: Wir diskutieren viel über Grundsätzliches, dadurch aktualisiert sich die Idee permanent. Uns geht es darum, erst mal eine Person oder Familie in eine Wohnung zu bringen. Wenn wir dann noch Ressourcen haben, folgt die zweite Unterkunft. Und wenn das klappt, dann dürfen gerne andere diese Idee kopieren. Dabei helfen wir sogar.

Wie reagiert man in der Stadt auf euer Engagement?

Yannick: Die Sozialarbeiter helfen uns sehr. Aber wir haben auch kuriose Erfahrungen gemacht. Im Winter wollten wir Essen verteilen und bei der Stadt anmelden. Da kam nur ein böser Brief zurück, dass das nach Wegerecht verboten sei.Wenn wir es trotzdem machen würden, müssten wir mit Strafe rechnen.

Reflektiert ihr auch den sozialen und politischen Kontext, in dem ihr euch bewegt?

Marlene: Das ist ein komischer Zwiespalt: Auf der einen Seite finde ich es richtig, dass wir helfen, andererseits füllt man mit diesem zivilgesellschaftlichen Engagement eine Lücke, die genau dadurch nicht mehr gesehen wird. Denn das, was wir tun, ist eigentlich etwas, das der Staat leisten müsste. Die Frage ist also, ob diese Hilfe dadurch immer weiter auf zivile Akteure abgewälzt wird.

Du meinst, die Angst, letztlich alles nur noch schlimmer zu machen?

Marlene: Ja. Aber realpolitisch betrachtet sind da eben Menschen, denen es scheiße geht. Man muss immer beides mitdenken. In unserem Blog hinterfragen wir unsere Arbeit deshalb permanent.

Interview: Jenny V. Wirschky

Der Verein freut sich über jeden Hinweis auf freien Wohnraum, der potenziell genutzt werden könnte

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