Maike Gosch war es leid, Anwältin zu sein und erfand einen neuen Beruf: Storytelling-Beraterin. Sie hilft Nonprofit-Organisationen, die richtigen Geschichten zu erzählen
Ich freue mich fast täglich über meinen Beruf“, sagt Maike Gosch und strahlt. Seit sechs Jahren hilft die Hamburgerin Organisationen wie Amnesty International, Gewerkschaften, politischen Initiativen wie die Grünen oder Oxfam, aber auch sozialen Unternehmen, ihr Anliegen nach außen zu vermitteln – indem sie die richtige Story erzählen.
„Geschichten haben mich schon immer begeistert“, erzählt Maike. Nach der Schule wählte sie zunächst den sicheren Weg und studierte Jura, ihr Job als Anwältin machte sie jedoch nicht glücklich. Zwei Jahre später zog es sie in die kreative Welt. Nach einem Praktikum arbeitete sie eineinhalb Jahre in der Filmbranche, war Dramaturgin beim den Kölner „Tatort“ und schrieb für Fernsehserien. Das war immer noch nicht das Richtige. Oft verfasste sie Drehbücher, die den Produzenten zu akademisch waren und in der Schublade landeten.
2009 lernte sie Ole Seidenberg kennen, den Gründer der sozialen Agentur Wigwam in Berlin. Er überredete Maike, auf der re:publica einen Vortrag zu halten. Das Thema: „Was können NGOs von Drehbuchautoren lernen?“ Nach dem Vortrag wollten sie gleich mehrere Zuhörer als Beraterin engagieren. Sie merkte: Geschichten sind gefragt. 2010 machte sie sich als Storytelling-Beraterin selbstständig – ein Beruf, den es vor ihr noch nicht gegeben hatte.
Sie hatte den richtigen Riecher. Storytelling hat sich in den letzten Jahren zu einem Buzzword entwickelt. „In der heutigen Informationsflut wird es immer schwerer, die Menschen zu erreichen. Geschichten kann man sich leichter merken, als trockene Informationen. Jeder, der anschaulich, visuell stark und berührend erzählen kann, ist da im Vorteil“, sagt Maike. Mit ihren Kunden schaut sie, welche Debatten geführt werden, zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage oder im Klimawandel.
Dann überlegt sie, welche Geschichte man erzählen kann, um das Anliegen verständlich zu transportieren, Emotionen zu wecken oder das gängige Narrativ zu verändern. So half sie bei einer Tierschutz-Kampagne gegen Wilderei: „Da ging’s darum, die Vorstellung zu verändern, dass Wilderei eine Art Gentleman’s Sport ist, ein Kavaliersdelikt und stattdessen deutlich zu machen: Es ist ein ernsthaftes Verbrechen, das zum Aussterben vieler Tierarten führt.“ Also dominierten in der Kampagne Worte wie Verbrechen, Mord und Opfer, um eine andere Dringlichkeit zu schaffen.
Maike liebt ihren Beruf. „Ich interessiere mich sehr für die Themen, an denen ich arbeite und mag meine Kunden extrem gerne“, sagt Maike. „Das sind meist sehr kreative, intelligente und idealistische Menschen. Viele sind enge Freunde geworden.“ Sie mag insbesondere das Gefühl, etwas Gutes zu bewirken und ihren Werten entsprechend zu handeln. Obwohl Maike es immer schafft, neue Aufträge zu bekommen, von denen sie leben kann, ist der Beruf vergleichsweise unsicher. In anderen Branchen könnte sie durchaus höhere Tagessätze verlangen. „Aber auch im Nonprofit-Bereich lässt sich Geld verdienen.“
Manchmal hält sie auch Workshops oder arbeitet mit anderen Freiberuflern zusammen. Meistens ist Maike im betahaus in der Schanze oder in der Berliner Agentur Wigwam, manchmal auch in einem Café: „Ich brauche nur meinen Laptop, mein Handy und meinen Kopf.“ Privat- und Berufsleben vermischen sich da oft und sie muss aufpassen, am Feierabend oder am Wochenende nicht ständig nur über politische Themen zu sprechen. „Aber ich würde mit niemandem tauschen wollen.“
Text: Natalia Sadovnik
Foto: Philipp Jung