„Wir wissen nicht, was morgen sein wird“

Thalia-Festival: Während der „Lessingtage“ laufen ab 23.1. schlagkräftige Stücke zur gesellschaftspolitischen Lage der Gegenwart. Dramaturgin Sandra Küpper im Interview

SZENE HAMBURG: Welche Bedeutung hat das Motto „Um alles in der Welt“ für das Jahr 2016?

Sandra Küpper: In Europa überschlagen sich derzeit die Ereignisse, in nur sehr kurzer Zeit verändern sich gesellschaftliche und politische Gegebenheiten, und langfristig errungene Werte werden von heute auf morgen infrage gestellt. Europa ist in Bewegung, nicht erst seit den Ereignissen in Paris. Die Welt scheint zu explodieren.

Und auf einmal stehen wir da, mitten in Europa, gemeinsam mit den Geflüchteten und müssen uns selbst eingestehen: Wir wissen nicht, was morgen sein wird. Aber ganz egal, was es auch ist, wir werden uns mit dem Begriff Gesellschaft und mit gemeinsamer Verantwortung neu auseinandersetzen müssen. Genau darin liegt auch eine Chance. Denn am Ende dieser Prozesse wird ein „neues Wir“ stehen müssen. Mit diesem „Wir“ und dessen Chancen beschäftigen sich auch die Lessingtage im Kern.

Die Lage Europas erscheint momentan düster. Ist die Stückauswahl ein Spiegel dessen?

Die Lessingtage sind ein Themenfestival und bieten die Möglichkeit zur Fokussierung auf ein Thema, das sich in vielen Facetten im Programm widerspiegelt. Ich empfinde die Auseinandersetzung mit dem „neuen Wir“ nicht als düster. Ich kann mich zum Beispiel sehr gut mit einer Zeichnung des Künstlers Stefan Marx identifizieren, die er für das Festival entworfen hat: Mit großen Buchstaben hat er hier fast mantraartig „DON’T PANIC“ aufs Papier gezeichnet. Die Lessingtage mit ihrem Motto „Um allles in der Welt“ verstehen sich als politischer Ort der Kunst und der Künstler. Und: Es darf auch gelacht werden, versprochen.

Gibt es in diesem Jahr ein Stück, dass herausragt?

Nur eine Arbeit hervorzuheben ist natürlich viel zu wenig, da wir zahlreiche besondere Abende zeigen werden: Nicolas Stemann, Constanza Macras, Yael Ronen, Milo Rau, das NO99 aus Tallinn zeigen ihre neuesten Arbeiten und auch eine syrische Produktion ist Teil des Programms.

Herausheben will ich aber die Arbeit des jungen belgischen Künstlerkollektivs „FC Bergman“, das ein kleines Dorf mit kleinen Holzhütten auf die Thaliabühne bauen wird (Foto), um die Geschichte einer Dorfgemeinschaft zu erzählen. In seltsamen Ritualen verharrend haben sich die Menschen hier in ihre Hütten zurückgezogen und vom Rest der Welt abgeschottet.

Das Besondere dieser Inszenierung, die komplett ohne Worte auskommt, ist die Tatsache, dass eine Kamera all die heimlichen und sehr privaten Momente in den Hütten einfängt und dadurch einen ebenso poetischen wie absurd-komischen Blick auf das eigentlich Verschlossene freigibt. Ein großartiges Kunstwerk, das man einfach gesehen haben muss.

Interview: Hedda Bültmann
Foto:Sofie Silbermann

Lessingtage: 23.1.–7.2.
Thalia Theater
Alstertor 1 (Altstadt)

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