Serie: Grünes Hamburg. Die Surfrider Foundation

Immer Meer Müll: Die Surfrider Foundation kämpft auch in Hamburg für saubere Meere
Surfrider unter sich:  Norma Schemschat, Rainer Uhl, Frank Blume und Tim Bossart (v.l.)
Acht Millionen Tonnen Müll landen jedes Jahr weltweit in unseren Ozeanen. Das ist genauso viel, als würde jede Minute ein Lkw seine Ladung ins Meer kippen.

„Wenn das so weitergeht, gibt es 2033 mehr Plastik als Fische im Wasser“, sagt Frank Blume (Foto 3. v. li.). Grund genug für den Betreiber der Auster Bar in Eimsbüttel, sich für die Surfrider Foundation zu engagieren.

Das Ziel: Meere und Flüsse zu schützen, Menschen zu sensibilisieren. Jetzt wurde in Hamburg der erste deutsche Verein gegründet.

Wenn in diesen Tagen die 20 mächtigsten Staats- und Regierungschefs in den Messehallen zusammensitzen, wollen sie auch über die Vermüllung der Meere reden. Ein Aktionsplan soll aufgestellt werden, um dem Problem Herr zu werden.

Denn die Aussichten sind düster. Prognosen zufolge werden 2033 bereits zwei Müllwagen pro Minute ihren Inhalt ins Meer kippen, 2050 sogar vier. Schon heute sollen rund 150 Millionen Tonnen Plastik im Wasser schwimmen, die sich seit 1950 (in dem Jahr kam das erste Plastik auf den Markt) angesammelt haben.

Die Folgen: katastrophal. Mehr als eine Million Seevögel verhungern jährlich elendig bei vollem Magen, weil Plastik ihn verstopft hat. Korallenriffe versinken im Müll, der Strand unbewohnter Inseln ist als solcher nicht mehr erkennbar. Jedes Jahr verenden rund 100.000 Meerestiere an verschlucktem Plastik oder in Geisternetzen, die in den Meeren herumtreiben.

„Es gibt heute schon Stellen im Meer, da schwimmt mehr Plastik als Plankton“, sagt Blume und zeigt auf drei große Müllsäcke, die er gerade erst morgens am Elbstrand einsammelte. „Das wollen wir verhindern.“

Dabei gehört der Verein, der seinen Ursprung vor 20 Jahren im französischen Biarizz hatte, nicht zu den Lauten. „Wir blockieren keine Schiffe und so“, sagt Blume. „Wir wollen die Menschen sensibilisieren, stellen Kontakt zur Industrie her. Hier wollen wir vermitteln. Es geht um einen Sinneswandel.“

Er weiß: Ohne Kunststoff geht’s nicht.

Das weiß auch Rainer Uhl (Foto 2. v. li.). Der 46-Jährige hat die Surfrider Foundation 2011 nach Deutschland geholt. Von den Folgen der Vermüllung war er selbst einst betroffen. „Als Surfer hatte ich mir im Atlantik eine bakterielle Mittelohrentzündung zugezogen, das hat mich aufmerksam gemacht“, sagt er rückblickend. „Dadurch, dass ich eh ständig am Meer bin, bin ich ohnehin sehr sensibilisiert. Und: Als Vater von zwei Kindern ist mir viel daran gelegen, eine möglichst saubere Erde zu hinterlassen.“

Pikant: Der Umweltschützer kennt auch die andere Seite sehr gut. Schließlich ist er Geschäftsleiter einer großen Kunststoffproduktionsfirma. Einerseits also Verursacher, andererseits Teil der Lösung? „Es ist gut, beide Seiten zu kennen“, sagt Rainer Uhl. Er weiß: Ohne Kunststoff geht’s nicht. Aber ein verantwortungsbewusster Umgang damit ist umso wichtiger. „Ich kann viele Dinge antreiben und zur Diskussion stellen: Wo kann ich vielleicht auf Kunststoff verzichten? Und wie sauber kann ich eine Verpackung produzieren? Themen wie Recycling und biologischer Kunststoff spielen eine immer größere Rolle – es ist an mir, diese Themen in unserem Familienbetrieb jetzt voran zu treiben.“

Wie wichtig ein Umdenken ist, zeigen auch die Zahlen: Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung stammen 62 Prozent des Plastikmülls in Europa von Einwegverpackungen. „Man kann den Konsumenten gar keinen Vorwurf machen“, sagt Blume. „Plastik macht einfach vieles leichter. Und man hat sich an einen Lebensstandard gewöhnt. Doch der ist nicht mehr zu vertreten.“

Der Weg aber ist lang und steinig. „Bei der Industrie hält sich der Wille noch in Grenzen, die Lobby ist einfach zu groß“, weiß Blume. „Es ist einfach viel Geld im Spiel, da muss die Umwelt mal zurückstecken.“

Größter Hebel ist darum der Verbraucher. Beispiel Plastiktüten: „Aktuell gibt es zwar noch die freiwillige Selbstverpflichtung, aber schon jetzt merkt man, wie positiv sich das auswirkt. Immer mehr Kunden verzichten auf die Tüten. Der Handel weiß auch, dass er hier unter Zugzwang steht. Wir haben Kampagnen zu dem Thema, informieren und sensibilisieren Verbraucher, gehen aber auch an Ladenbetreiber und arbeiten gemeinsam ein Konzept aus, wie man das sinnvoll umsetzen kann.“, sagt Rainer Uhl.

Das, was am Strand liegt, kommt zu 80 Prozent aus dem Meer.

Doch es geht nicht nur um den sichtbaren Plastikmüll. Vor allem Mikroplastik entwickelt sich zu einem scheinbar unlösbaren Problem. Die kleinsten Kunststoffteilchen werden zum Beispiel in Kosmetik wie Peelings oder Zahnpasta benutzt und gelangen über unsere Waschbecken in die Meere und damit in die Nahrungskette. Weil die Partikel mit weniger als 5 Millimetern winzig sind, können sie durch die Kläranlagen nicht herausgefiltert werden. Nachgewiesen wurden sie bereits in Seehunden, Fischen, Muscheln und kleineren Organismen.

Jedes Land hat seine speziellen Probleme. Der bei Beach Clean Ups eingesammelte Müll wird von der Surfrider Foundation weltweit ausgewertet. Demnach ist klar: Das, was am Strand liegt, kommt zu 80 Prozent aus dem Meer. So finden sich in Dänemark auch häufig Plastikflaschen aus Südeuropa, wo es kein Pfandsystem gibt. In Deutschland seien vor allem Bierdeckel und Zigarettenkippen ein Problem, sagt Blume. „Die Filter lösen sich auf und landen als Micropics im Wasser.“ Eine Kampagne dazu ist bereits in Planung.

Die Aktivisten haben den Umweltschutz schon komplett in ihren Alltag integriert. „Ich komm an keiner Sache mehr vorbei, ohne den Meeresschutz dabei zu berücksichtigen“, sagt Rainer Uhl. Auch Frank Blume hat Schritt für Schritt umgestellt: „Ich achte darauf, immer weniger Plastik einzukaufen. Das klappt ganz gut, die Müllsäcke mit dem grünen Punkt werden immer kleiner. Das ist herrlich“, freut er sich. Dennoch, und darauf legt er großen Wert: „Wir sind von unserer Philosophie nicht dogmatisch. Wir sind nicht die mit dem erhobenen Zeigefinger und versuchen auch nicht krampfhaft, die Menschen zu überzeugen. Wir wollen lediglich sensibilisieren.“ Am besten gelinge das an Tagen, an denen man gemeinsam den Strand säubere. „Die Teilnehmer sind immer ganz erschrocken, was sie alles finden.“

In Schulen ist die Surfrider Foundation gern gesehen, auch Unternehmen buchen die Umweltaktivisten gern für Vorträge, um Mitarbeiter über Müllvermeidung aufzuklären. Ein absolutes No-go allerdings: „Mit der Industrie zu kooperieren, nur weil die ein grünes Label haben möchte. Wir machen kein Clean up mit einem Autoersteller, nur damit er sein Auto besser verkaufen kann“, betonen Blume und Uhl.

/Text: Ilona Lütje / Foto: Philipp Jung

Wer die Surfrider Foundation unterstützen möchte, kann sich als Volunteer engagieren, spenden oder Mitglied werden: www.surfriderfoundation.de

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