„Altona ist rebellisch und dörflich“

„Tatort“-Kommisarin, „Game Of Thrones“-Star, Botschafterin von Terre des Femmes: Sibel Kekillis Leben ist vielschichtig. Dass die Schauspielerin in Altona zu Hause ist, wissen nur wenige. Mit uns sprach sie über ihre Wahlheimat und den Kampf gegen Gewalt an Frauen

SZENE HAMBURG: Sie drehen gerade einen neuen Kieler „Tatort“ – nach „Game Of Thrones“ derzeit das Format, in dem Sie regelmäßig zu sehen sind. Von 2011 bis 2014 liefen die Produktionen sogar parallel – wie war es, zwischen den Rollen der Shae und der Sarah Brandt zu springen?

Sibel Kekilli: Die Dreharbeiten liefen nicht ganz parallel. Im ersten halben Jahr wurde der „Tatort“ gedreht und im zweiten dann „Game of Thrones“. Letztlich ist das wie bei jeder anderen Dreharbeit auch, wenn man etwa einen neuen Film nach einer anderen abgeschlossenen Arbeit dreht. Dazu waren ja Shae und Sarah Brandt auf ihre Art völlig andere Rollen, die nicht miteinander zu vergleichen sind.

Beide Rollen haben gemeinsam, eine Frau zu repräsentieren, die Stärke besitzt, ohne diese zur Schau zu stellen – auch durch eine gewisse Unnahbarkeit. Wie würden Sie die „echte“ Sibel Kekilli beschreiben, die in Hamburg-Altona lebt und dort morgens vielleicht ihre Brötchen kauft, wie alle anderen?

Das ist schon mal ganz schön gesagt. Die echte Sibel Kekilli ist in vielleicht ähnlichen Worten zu beschreiben. Ich lebe mein Leben, ohne dieses zur Schau zu stellen, zumindest versuche ich das. Das ist letzten Endes tatsächlich so unspektakulär, dass ich morgens rausgehe, um mir meine Brötchen zu kaufen.

Sie engagieren sich bei Terre des Femmes für die Frauenrechte (auch) in islamischen Ländern – wie sind Sie dazu gekommen und war das die logische Konsequenz der „echten“ Sibel Kekilli?

Für mich war schon früh klar, dass ich mich für Frauen aus islamischen Ländern engagieren möchte, weil ich einfach in dieser Kultur aufgewachsen bin und auch Ungerechtigkeiten zwischen Mädchen und Jungen, zwischen Frauen und Männern gesehen und erlebt habe. Als ich das mal kurz nach „Gegen die Wand“ in einem Interview erwähnt hatte, wurde ich von Terre des Femmes direkt angesprochen, ob ich mit ihnen zusammenarbeiten möchte.

Inzwischen sind Sie dort seit zwölf Jahren Botschafterin: In welcher Form setzen Sie sich bei Terre des Femmes konkret für die Rechte der Frauen ein?

Ich versuche, dabei zu helfen, die Missstände ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ich halte Reden, wie letztes Jahr etwa beim Bundespräsidenten Joachim Gauck über Ehrenmorde, oder vor ein paar Jahren bei einer Veranstaltung gegen Gewalt an Frauen der türkischen Zeitung Hürriyet. Terre des Femmes und ich schreiben zum Beispiel gemeinsam offene Briefe an die Bundeskanzlerin, wie im Fall „Nein heißt Nein“ gegen sexuelle Gewalt und ich unterstütze ganz konkret das Projekt Florika in Burgas, das Roma-Mädchen vor Frühehen und Zwangsprostitution schützen soll. Ich war schon zweimal dort, um mich direkt vor Ort mit den zuständigen Behörden zu treffen und auf das Problem aufmerksam zu machen. Im Nachgang helfe ich dann für das Projekt Spenden zu sammeln, und für den Kultursender Arte habe ich einen Film über Christa Stolle, die Geschäftsführerin von Terre des Femmes, und das Florika-Projekt gemacht.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen und warum (nicht)?

Wenn Feminismus bedeutet, dass man sich für gleiche Rechte für Frauen und Männer einsetzt, dann bin ich gerne eine Feministin. Leider ist es aber auch so, dass viele mit dem Begriff Feminismus sofort etwas Negatives verbinden. Und das ist in unserer Gesellschaft nicht nur bei Männern so, sondern auch unter Frauen. Leider sind wir noch meilenweit davon entfernt, sagen zu können, dass wir nicht mehr kämpfen brauchen, weil wir doch längst in der Gleichberechtigung angekommen sind.

Sie haben unglaublich viele Facetten, die auch auf Ihre Umwelt wirken. Wie ist das Leben für Sie in Hamburg – als Schauspielerin, als Frauenrechtlerin, als Deutschtürkin, als Star einer der meistgeschauten Serien im letzten Jahr?

Meistens entspannt, da ich doch oft in meinem Stadtteil bleibe und die Leute mich dort kennen. Und mein näheres Umfeld definiert mich ohnehin nicht über die Arbeit, die Menschen sehen mich als ganz normal an.

Was macht dieses Hamburg für Sie zu einer Stadt, in der Sie gerne leben?

Ich mag Hamburg, weil es für mich längst Heimat geworden ist. Aber ich kann mir auch vorstellen, mal länger im Ausland zu leben. Wenn ich zu lange hier bin, vermisse ich das Reisen. Andererseits bin ich jedes Mal froh, wenn ich wieder zurückkomme. Ans Wasser, in das Rebellische, was Altona „noch“ hat, aber auch das „Dorfgefühl“, das Hamburg im Gegensatz zu Berlin sich immer noch bewahrt hat, das mag ich sehr.

Mal eine Frage aus hedonistischem Interesse: Welche Hamburger Kneipe können Sie uneingeschränkt empfehlen?

Da ich in Hamburg nicht ganz so oft ausgehe, kenne ich gar nicht so viele Kneipen. Aber ich mag die Reh-Bar und im Sommer auch mal das Aurel, beides in Ottensen.

Und zum Schluss was Utopisches: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie würden Sie ihn nutzen?

Da auf der Welt so viel Mist passiert gerade, reicht hier einer beim besten Willen nicht aus. Leider.

Nun steht sie auch hinter der Kamera: Sibel Kekillis Kurzfilm „Der Himmel unter den Füßen“ wird am 19.6. um 13 Uhr auf Arte ausgestrahlt

Interview: Jenny V. Wirschky
Foto: Andreas Dauerer

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