„Da da da, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“: Deutschland, im Jahr 1982. So wie Trio, die Vorreiter der Neuen Deutschen Welle, mit ihrem gleichnamigen Hit musikalisch neue Wege einschlagen, kündigt sich auch politisch ein Kurswechsel an: Helmut Kohl wird Bundeskanzler – in einer Zeit voller gesellschaftlicher Umbrüche und Widersprüche. Während global das atomare Wettrüsten beginnt und Deutschland von einem gewaltigen Grenzzaun durchzogen ist, stehen diesen düsteren Entwicklungen die schrillen Formen, knalligen Neonfarben, opulenten Schulterpolster und voluminösen Föhnfrisuren der Pop- und Alltagskultur entgegen.
In diese wilde Zeit führt aktuell die Ausstellung „Deutschland um 1980. Fotografien aus einem fernen Land“ im Altonaer Museum – mit insgesamt zehn Positionen, die mal mit dem Unterhaltungsfaktor einer nostalgischen Zeitreise, mal mit dem Informationsgehalt einer historischen Dokumentation daherkommen. Videoinstallationen mit Aerobic-, Musik- und Nachrichtenclips finden hier ebenso Raum wie Mode und Möbel. Doch das Gros der Arbeiten machen Fotografien aus, darunter auch ikonische Bilder bekannter Namen – wie etwa Angela Neukes Fotos der Wahlparty der Grünen 1983, als sie zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen, oder Barbara Klemms Aufnahme des sogenannten Bruderkusses von Leonid Breschnew und Erich Honecker, die sich im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der DDR 1979 vor einer Reihe politischer Vertreter geküsst hatten.
Altonaer Museum: „Deutschland um 1980“ mit lokalen Positionen
Einen besonderen Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen nicht auf politischer Ebene, sondern in alltäglichen sozialen Milieus, bietet wiederum Hans-Martin Küsters, der mit seiner Kamera private Haushalte an Weihnachten oder Volks- und Schützenfeste unter die Lupe nahm. Nach Stationen in Bonn und Dresden wird die Schau in Hamburg nun durch lokale Positionen bereichert – unter anderem durch Bilder des Fotografen Asmus Henkel.
Anfang der Achtzigerjahre streifte er durch Ottensen und fing Szenen ein, die damals brennende Fragen nach der Entwicklung des Viertels auf den Punkt bringen: Zum Beispiel engagierten sich Anwohner des Stadtteils damals dafür, die Grünfläche am heutigen Kemal-Altun-Platz zu einem Park für Familien und Nachbarn nutzbar zu machen – und so anderweitigen Bauvorhaben entgegenzuwirken. Henkel fotografierte eine Werbetafel am Platz, komplett weiß, mit wenigen schwarzen Buchstaben darauf: „Unglaublich, was sich hier abspielt.“ Sowohl der kritische Kern der Szene in Bezug auf mögliche stadtteilpolitische Entscheidungen kommt auf seinem Bild heraus wie auch die ironische Trockenheit des scharfsinnigen Kommentars auf der Werbetafel. Denn weder auf dem fast leeren Plakat noch auf der brachen Fläche spielt sich zu diesem Zeitpunkt sichtbar etwas ab.
Doch die Schau bietet nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit, sondern macht sie zum Ausgangspunkt für den Blick auf unsere Gegenwart. Längst ist die Achtziger-Mode zurück, die Grünen kämpfen auch heute noch für eine ökologische Wende – und leider bestimmen aufgrund der Krisen und Kriege überall auf der Welt wieder Fragen nach der Produktion sowie dem Im- und Export von Waffen das tagespolitische Geschehen. Geschichte verläuft nicht linear, daran lässt die Ausstellung keinen Zweifel – und das kann ebenso eine knallige Pop-Ästhetik wie auch gesellschaftliche Probleme und Bedürfnisse betreffen.
Deutschland um 1980, bis 7. April 2025, Altonaer Museum
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 01/2025 erschienen.