Anke Engelke über Schubladen und Selbstkritik 

Seit über dreißig Jahren steht die Schauspielerin schon vor der Kamera, ab dem 6. November ist sie an der Seite von Ulrich Tukur in Neele Leana Vollmars „Dann passiert das Leben“ im Kino zu sehen. Im Interview spricht Anke Engelke über mediale Schubladen, ihren Umgang mit Selbstkritik und Künstlichkeit vor der Kamera
„Wir können andere besser beraten als uns selbst“: Anke Engelke
„Wir können andere besser beraten als uns selbst“: Anke Engelke (©Tobias Schult)

SZENE HAMBURG: Wenn man sich ansieht, was du im Laufe deiner Karriere schon alles gemacht hast, wird einem fast schwindelig – so viel war das. Was sind für dich die ausschlaggebenden Kriterien, um sich für oder gegen ein Projekt zu entscheiden?

Anke Engelke: Das ist eine Kombination aus verschiedenen Kriterien und meinem Bauchgefühl. Wenn ich die Leute schätze, die Drehbuch und Regie verantworten, mich die Figur interessiert und im besten Fall auch die Spielpartner:innen – dann bin ich dabei! Früher hat für mich auch eine große Rolle gespielt, dass ich nicht so weit weg von zu Hause bin, vor allem wegen der Kinder. Aber die sind jetzt groß, da muss ich nicht zu Hause bleiben.

Klingt nach sinnigen Parametern.

Ich bin heute auch gefragt worden, ob ich nach Genre aussuchen würde, weil ich nun scheinbar nicht mehr nur lustig sein will. Und ob ich nun ernsthaft spielen wolle, ob ich eine richtige Schauspielerin sei. Das war ein wenig irritierend.

„Ich kann mein Glück manchmal nicht fassen“

Anke Engelke

In Anbetracht des Umstands, dass du bereits seit dreißig Jahren als Schauspielerin tätig bist: Was antwortest du auf so was?

Ich versuche, nicht traurig zu sein und verletzt, denn niemand meint das ja böse. Aber was soll ich darauf schon groß sagen außer fröhlich: „Ja!“ Ich habe mit dreißig Jahren bei „Die Wochenshow“ angefangen, im TV lustig zu sein, Spätzünderin also, hatte zuvor aber schon zwölf Jahre beim Hörfunk gearbeitet. Wenn Menschen mir dann sagen: „Jetzt willst du also auch mal was Ernstes machen“, empfinde ich das als das Gewohnte, nicht als das Neue. Ich habe ja nie Stand-up gemacht, hatte nie ein Bühnenprogramm, habe in meinem gesamten Leben noch nicht eine Pointe geschrieben, nicht ein Satz bei „Ladykracher“ stammt von mir. Ich habe lediglich eine spielerische Begabung, die ich mit ganz viel Demut, Interesse und Fleiß kombiniere.

Anke Engelke über Vielseitigkeit 

„Dann passiert das Leben“ mit Anke Engelke und Ulrich Tukur ist ab dem 6. November 2025 im Kin o zu sehen (©Majestic) 

Kürzlich hast du in einem Interview gesagt, dass du mittlerweile nicht mehr aufs Lustigsein reduziert wirst, sondern dir das Recht auf Vielseitigkeit erkämpft hättest. Wie sah dieser Kampf konkret für dich aus?

Vorab muss ich sagen: Diese Reduzierung kam nie aus den Departments Regie, Produktion, Drehbuch oder Besetzung, sondern von Pressemenschen, da wurde ich abgestempelt – wie viele meiner Kolleg:innen auch. Und das ist schade, weil Schubladen natürlich Chancen verbauen, sich weiterzuentwickeln und auch mal andere Dinge auszuprobieren. Ich nehme mir das mittlerweile nicht mehr zu Herzen, wenn mich jemand als „lustigste Frau der Welt“ bezeichnet. Den Stempel empfinde ich als platt und anmaßend. Die Wahrheit ist, dass ich lustige Drehbücher und Sketche geschrieben bekomme, eine kleine Sonderbegabung habe und die Chance bekomme, dann lustige Sachen spielen zu dürfen.

Welche Aspekte haben dich denn bei „Dann passiert das Leben“ angesprochen?

Ich wusste, wer Regie führt, habe das Drehbuch gelesen und zugesagt – obwohl ich noch nicht wusste, wer neben mir noch mitspielt. Ich fand die Figur Rita sofort interessant.

Spielst du denn lieber Figuren, die möglichst weit von dir weg sind oder lieber solche, denen du in bestimmten Facetten ähnlich bist?

Mir geht es nie darum, ob ich eine Figur mag oder verstehe, vielmehr möchte ich andocken können, weil sie mich interessiert. Ähnlichkeit interessiert mich null, dann könnte ich ja nie eine Mörderin oder eine lesbische Astronautin spielen, nur weil ich das privat nicht bin.

Mir geht es nie darum, ob ich eine Figur mag oder verstehe, vielmehr möchte ich andocken können, weil sie mich interessiert

Anke Engelke 

Also ist es auch nicht einfacher, einen Charakter zu spielen, dem du dich mehr verbunden fühlst?

Nein, das spielt keine Rolle. Selbst wenn ich eine Figur darstelle, die zum Beispiel ein ähnliches Leben führt wie ich, spiele ich jemand anderen – ist ja Schauspielerei, keine Realität. Und spätestens wenn von der Regie das „Bitte!“ ertönt, bin ich nicht mehr ich – ganz gleich, wie nah der Charakter an der echten Anke dran ist. Das ist alles hergestellt und an Künstlichkeit ja kaum zu überbieten. Meine Aufgabe ist es, alles so authentisch wie möglich wirken zu lassen, damit Menschen glauben, was und wen ich da zeige sei echt. Ich stelle lediglich Emotionen her.

Ist dir das schwer gefallen bei „Dann passiert das Leben“?

Bei diesem Film habe ich den Herstellungsprozess oft kaum gespürt, weil unsere Regisseurin Neele Leana Vollmar einen warmen und geschützten Raum geschaffen hat, in dem wir Schauspieler:innen uns ganz angstfrei öffnen durften. Das Haus wirkte bald wie eine dritte Hauptfigur und erzählt ganz viel über die Distanz der beiden zueinander. Und wenn eine emotional schwierige Szene zu spielen war, war es immer ganz still am Set, weil alle wussten, wie schwer es wird. Anders wäre es auch nicht machbar gewesen. Aber bei so einem Film ist die emotionale Temperatur am Set sehr wichtig.

Anke Engelke: „Wir können andere besser beraten als uns selbst“

Ein Schicksalsschlag und ein Ehe, die auf dem Spiel steht. „Dann passiert das Leben“ geht unter die Haut (©Majestic) 

Interessant, wie du gerade die Umstände beim Dreh beschrieben hast. Das erklärt, wie den Hauptfiguren so viel Platz und Raum eingeräumt wurde, damit sie „sie selbst sein“ konnten.

Natürlich ist da auch immer noch mal Platz für ein Privatgespräch. Ulrich Tukur ist manchmal durchaus eine Quasselstrippe, kurz bevor es losgeht. (lacht)

Du hast über dich selbst mal gesagt, du seist sehr selbstkritisch. Ist das Fluch oder Segen?

Das möchte ich gar nicht bewerten, das ist einfach so. Ich muss damit leben. Interessanter ist bei Charaktereigenschaften oft die Genese: Warum bin ich so selbstkritisch? Das hängt damit zusammen, dass ich mein Glück manchmal nicht fassen kann, dass ich so schöne Sachen machen darf. Und dann denke ich: „Jetzt richte dich hier bloß nicht gemütlich ein und halte dich für die Größte!“ Das ist also womöglich meine Form des Umgangs mit diesem Privileg.

Der Film ist ungemein facettenreich, es gibt nicht nur „das eine“ Thema. Es geht um Liebe, den Umgang mit sich verändernden Gefühlen, um Zeit, um Schuld, um Zusammenhalt, um Familie und einiges mehr. Gab es ein Thema, das dich besonders angesprochen hat?

Die Vielschichtigkeit finde ich großartig, die hat mich besonders interessiert. Beim Lesen habe ich mich schon nach den ersten Seiten gefragt: Wann wendet Rita endlich für sich selbst die Ehrlichkeit an, die sie von anderen erwartet? Rita ist ja eine ehrliche, kritische Person, die einem fremden Verkäufer sagt, dass sein Anzug nichts für ihn ist. Und einem Kellner, dass das Schnitzel zäh war. Ich habe mich gefragt: Wann redet sie endlich mit ihrem Mann? Wann besprechen die Dinge? Warum kann sie diese Ehrlichkeit nicht anwenden? Na ja, weil wir Menschen sind. Und da sage ich bewusst „wir“, ich kenne das auch von mir. Wir können andere besser beraten als uns selbst.

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