Anke Harnack: „Lasst euch nicht kaputtmachen!“

Moderatorin und Hochbahn-Stimme Anke Harnack ist Hamburgerin des Monats. Ein Gespräch über Dickenfeindlichkeit und warum Dünnwerden auch mit Abnehmspritze harte Arbeit ist
„Die neue Ruhe in Kopf und Körper ist sagenhaft schön“: Anke Harnack
„Die neue Ruhe in Kopf und Körper ist sagenhaft schön“: Anke Harnack (©Markus Gölze)

SZENE HAMBURG: Anke Harnack, Sie weisen öffentlich auf Bodyshaming hin. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen?

Anke Harnack: Die kurze Antwort: maximal unschön. Die lange: Ich habe so ziemlich alle Gemeinheiten gehört. Als Kind: „Lauf schneller, Du Pummelchen!“ Als Erwachsene: „Warum darf so was Fettes überhaupt in die Öffentlichkeit?“ Als Mutter: „Du fette F****, dein Kind plärrt zu laut.“ Leute kennen kein Pardon, wenn es um dicke Menschen geht. Hässliche Worte treffen. Immer. Man gewöhnt sich nicht daran. Irgendwann reicht ein Blick, dann stigmatisiert man sich sogar selbst: „Die finden mich eh alle eklig.“ Viele Menschen mit Übergewicht ziehen sich aus Angst vor solchen Verletzungen zurück. Ich kam mit Mitte 20 zum Fernsehen: Die Kamera mochte mich, ich mochte die Kamera. Viele Fans waren begeistert: „Endlich mal eine, die anders ist.“ Aber es gab eben auch die Abfälligkeiten – und spürbare Grenzen im Job. Ein Satz wie: „Mit Ihrer Figur passen Sie nicht in unser TV-Studio“, sagt doch genug.

Anke Harnack über ihre Erfahrungen mit Bodyshaming 

Wie sind Sie mit diesen Beschimpfungen umgegangen? Ignoriert oder humorvoll bis scharf reagiert?

Meistens humorvoll. Einmal bekam ich einen Brief voller Schmähungen – und voller Rechtschreib- und Grammatikfehler. Freundlicherweise stand ein Absender drauf. Ich habe ihn angerufen: „Sie finden, Dicke gehören nicht ins Fernsehen? Ich finde: Leute, die so viele Fehler machen wie Sie, sollten keine Hass-Briefe schreiben.“ Man entwickelt sogenannte Copingstrategien. Humor war meine. Aber der schützt nicht immer.

Was empfehlen Sie Opfern von Bodyshaming?

Lasst euch nicht kaputtmachen! Versucht, so viel Selbstwert wie möglich zu erhalten! Und habt ein oder zwei Sprüche parat – zum Zurückfeuern. Das kostet Überwindung, aber die anderen merken: Hoppla, da kommt Gegenwind! Viele Patienten kämpfen über Jahre mit ihrem Gewicht. Übergewicht ist selten freiwillig. Die sogenannte „Body Positivity“ ist leider auch nur eine Überlebensstrategie. Auf Dauer ist Übergewicht nicht gesund. Ich fand mein Erscheinungsbild übrigens immer okay. Ich mochte mein Gesicht, meine Füße sind auch wunderschön (lacht). Aber ich wusste: Das Gewicht macht mich krank.

Die sogenannte „Body Positivity“ ist leider nur eine Überlebensstrategie

Anke Harnack

War es letztlich der innere oder der äußere Druck, der Sie zum Abnehmen bewogen hat?

Es hat einfach wehgetan. Die ständigen Wehwehchen – Gelenkschmerzen etwa – waren lästig und klar gewichtsbedingt. Ich stand morgens auf und fühlte mich wie eine lädierte Oma. Ich hatte schon oft und viel abgenommen, aber beim Jo-Jo war ich eben auch sehr erfolgreich. Und dann kam vor zwei Jahren der Zufall ins Spiel. Oder das Universum. Meine Ärztin sagte: „Es gibt eine neue Spritze – die ist was für dich.“ Das war der Wendepunkt.

Wie reagiert die Welt auf einen Menschen, der 50 Kilo abgenommen hat?

Viele freuen sich, beglückwünschen mich, das ist einfach reizend. Es gibt aber auch Töne wie: „Jetzt reicht es! Wollen Sie etwa gertenschlank werden?!“ Was mich überrascht: Viele wagen es nicht, das Thema überhaupt anzusprechen. Vor allem von Männern höre ich: „Ich traue mich gar nicht, etwas dazu zu sagen.“ Heute gilt: „Kommentiert keine Körper.“ Finde ich prima. Aber den Menschen kann man doch ansprechen: „Wie geht es dir? Möchtest du erzählen, warum du dich so verändert hast?“ Dass wir keinen normalen, respektvollen Umgang mit solchen Themen beherrschen, beschäftigt mich. Es gab sogar Gerüchte, ich sei schwer krank – aber niemand hat gefragt, ob das stimmt.

Hat sich Ihre Persönlichkeit mit dem Körper mit verändert?

Nein! Ich bin der Mensch, der ich vorher war. Ich habe mich nur noch nicht an mein neues Äußeres gewöhnt. Ich habe zum Beispiel kein Gefühl für Kleidergrößen. Alles wirkt auf mich am Bügel viel zu klein, ist angezogen aber dann zu groß. In meinem Lieblingsladen in Winterhude sagte die Inhaberin zu mir: „Schatzi, du brauchst jetzt einen neuen Style.“ Gar nicht so einfach! Da bin ich dankbar, in Hamburg zu wohnen mit einer so großen Auswahl. Schlanke Frauen werden übrigens meistens sehr gut beraten, dicke häufig leider nicht. Zurzeit brauche ich noch das Feedback von anderen – und mein Spiegelbild – um zu begreifen: Ich bin jetzt schlank.

Anke Harnack: Erfahrungen mit der Abnehmspritze

Sie haben mit der Abnehmspritze Wegovy abgenommen. Wie muss man sich das vorstellen? Man spritzt sich das und die Pfunde purzeln?

Man spritzt das Medikament ins Unterhautfettgewebe, zum Beispiel in Oberschenkel oder Bauchfalte. Die meisten Patienten spüren dann schnell die sogenannten Nebenwirkungen – Übelkeit zum Beispiel. Bei mir war die erste Reaktion: „Krass. Der Hunger ist weg.“ Viele Menschen mit Adipositas kennen kein echtes Sättigungsgefühl. Der Wirkstoff der Spritze sendet das Signal: Stopp, du bist satt. Bei mir ging es dann mit der Gewichtsabnahme schnell. Die ersten zehn Kilo habe ich wohl ausschließlich der Spritze zu verdanken. Für die nächsten 40 musste ich mehr Sport in den Alltag integrieren. Ich habe mir Kilo für Kilo abgearbeitet. Das hatte mit einem Wunder nichts zu tun. Wegovy ist ein Medikament, das ärztliche Begleitung erfordert. Es ist kein Lifestyle-Ding und kein Bikini-Figur-Experiment.

Was hat Essen früher für Sie bedeutet? Was bedeutet es heute?

Ich war und bin ein Genussmensch. Aber früher musste Essen immer griffbereit sein: Ein Apfel im Handschuhfach. Ein Schokoriegel im Rucksack. Heute bin ich davon  unabhängig. Der sogenannte Foodnoise ist weg. Früher dachte ich: Reicht die Portion? Werde ich satt? Was, wenn ich unterwegs Hunger kriege? Die neue Ruhe in Kopf und Körper ist sagenhaft schön.

Müssen Sie die Spritze Ihr Leben lang nehmen?

Das ist unklar, wahrscheinlich ja. Laut Zulassung handelt es sich um ein Dauermedikament: Adipositas ist eine chronische Krankheit, das Medikament behandelt die Symptome. Setzt man es ab, ist Schluss mit dem tollen Sättigungsgefühl. Dann kommt mindestens ein Teil des Gewichts wohl zurück. Aber es gibt den Ansatz, langfristig geringere Dosen in größeren Intervallen zu spritzen und die neuen Lebensgewohnheiten streng beizubehalten. Das klingt für mich vielversprechend. GLP-1-Medikamente sind inzwischen seit 20 Jahren in der Diabetes-Therapie etabliert. Die unerwünschten, unangenehmen Wirkungen sind meistens nicht von Dauer. Von angsteinflößenden Spätfolgen habe ich bisher nichts gelesen. Die Langzeitfolgen von Adipositas kenne ich dagegen: Fast 15 Krebsarten werden nachweislich durch Adipositas begünstigt, außerdem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkprobleme, Stoffwechsel- und Hormonstörungen. Darauf kann ich verzichten!

Unerwartete Probleme und positive Reaktionen

Gibt es auch unerwartete Probleme, wenn man so viel Gewicht verliert?

Es dauert sehr lange, sich an den neuen Körper zu gewöhnen. Und man muss sich während des Abnehmens mehrfach komplett neu einkleiden. Als Dicke war ich froh, wenn ich in schönen Farben verhüllt war. Mit Mitte 40 fange ich jetzt an, mich mit Mode und Style zu befassen. Mein Kleiderschrank wird immer voller – und ich fürchte, der Schuhschrank muss auch mithalten (lacht). Unerwartet sind auch viele Beobachtungen im Alltag: In Stühlen mit Seitenlehne kriege ich keine Platzangst mehr. Im Flugzeug hätte ich früher fast eine Gurtverlängerung gebraucht: Jetzt ist der normale Gurt viel zu lang. Das sind alles „Non-Scale-Victories“. Kleine Triumphe, die sich nicht auf der Waage zeigen, aber an denen ich große Freude habe.

Was war der netteste Satz zu Ihrer Gewichtsabnahme?

Ein 90-jähriger Herr, den ich einmal im Jahr bei einem Event treffe, sagte: „Du siehst ja filmreif aus!“ Was mich tatsächlich sehr berührt, sind Leute, die sich stellvertretend für andere entschuldigen: „Ich wusste nicht, dass man so beschimpft wird als dicker Mensch. Das tut mir leid.“ Viele verstehen durch meine Geschichte: Adipositas ist eine Krankheit. Patienten kämpfen einen harten Kampf, den sie allein kaum gewinnen können.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Ich werde zum Beispiel am 13. September das SZENE HAMBURG ESSEN+TRINKEN Testsieger-Food-Festival moderieren. Passt ja zum Thema (lacht).

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 08/2025 erschienen.

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