Verfall und Schönheit: „Lost Places“ im Archäologischen Museum

An verlassenen Orten hält häufig eine geisterhafte Schönheit Einzug – einen Eindruck davon bieten die Fotografien der Schau „Lost Places“ im Archäologischen Museum Hamburg 
Die Besucherinnen und Besucher können sich bis zum 23. März 2025 von der Magie der „Lost Places“ verzaubern lassen und auf eine fotografische Spurensuche gehen (©Archäologisches Museum Hamburg) 

Die Grundmauern können noch so überwuchert sein, die Fenster noch so kaputt und das Dach noch so löchrig – verlassene Orte, zerbröckelnde Ruinen und leer stehende Häuser umgibt oft ein eigenwilliger Zauber. Schon die Maler der Romantik brachten den sichtbaren Verfall häufig auf die Leinwand, der solche Szenerien sagenumwoben, verheißungsvoll und geschichtsträchtig erscheinen lässt. Und es ist wahr: Selbst der letzte Rest eines Bauwerks kann noch dessen ganze Geschichte erzählen oder zum Spielort der Fantasie mutieren. Wie man solche Orte auch heute noch zum Sprechen bringen und sie ihre Faszinationskraft entfalten lassen kann, demonstriert derzeit das Archäologische Museum Hamburg mit seiner Foto-Ausstellung „Lost Places“.

Auf einem der Bilder etwa fällt sanftes Tageslicht durch die kaputten Scheiben mehrerer Rundbogenfenster auf den verschatteten Holzboden einer leeren Fabrikhalle. Auf der abgenutzten Ziegelsteinwand haben Sprüher ihre Zeichen hinterlassen. Trotz der sichtbaren Wärme wirkt die Szene wie ausgestorben – dabei ist es nicht lange her, da herrschte hier noch reger Betrieb. Denn der Raum gehörte zur New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG, eine der ältesten deutschen Aktiengesellschaften. In der riesigen Fabrikanlage in Harburg wurden seit 1871 Gummi- und Kunststoff-Formteile hergestellt – bis das Unternehmen 2009 nach Lüneburg in einen modernen Neubau zog. Seitdem verfällt das denkmalgeschützte Gebäude.

Einer der „Lost Places“: Das Mausoleum auf dem Friedhof Ohlsdorf

Das gleiche Schicksal ereilt seit Jahren auch noch ein anderes Objekt, das einen festen Platz in der Stadt- und Kulturgeschichte Hamburgs hat: das Mausoleum auf dem Friedhof Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt. Durch äußerliche Beschädigungen dringt immer mehr Feuchtigkeit in die Kuppel und das Mauerwerk, wodurch Baumaterial und Farbe im Innenraum abgehen. Man kann sich kaum ausmalen, wie viel Geschichte hier passiert sein muss. Gleichzeitig speist sich aber die Faszinationskraft dieser Orte aus mehr als der Summe ihrer narrativen Teile und beruht nicht allein auf deren historischer Zeugenschaft – vielmehr liegt der Zauber des Ruinösen auch im Bereich der Ästhetik. Denn nirgends kommt die Verwandlungskraft von Natur und Zeit so deutlich zur Erscheinung wie bei jenen Lost Places, bei denen sich das strahlende Grün von Moos über das Grau eines Mauerwerks legt oder die einstige Massivität stabiler Stahlträger in der Umklammerung von Zweigen und Ästen aufzubrechen scheint.

Ebenso bietet das Fragmentarische dieser Orte visuelle Leerstellen an, die wir mit unseren eigenen Vorstellungen füllen. So entstehen plötzlich ganz neue Settings, an denen sich fantastische Ereignisse abspielen können. Wenn die funktionale Existenz von Bauwerken endet, so scheint es, beginnt ihr zweites Leben im Licht der Kunst. Manchmal tritt der verwunschene Charakter bestimmter Orte auch erst mit der fotografischen Inszenierung deutlicher zutage – symbolisch aufgeladen mit der Dramatik des Letzten: Denn die Fotos konservieren künstlich, was tatsächlich schon bald vom Erdboden verschluckt sein könnte.

Schönheit des Verfalls bei „Lost Places“ 

Solche Lost Places sind rund um den Globus zu finden. So hängen in der Schau, die in Zusammenarbeit mit der „Hamburger Morgenpost“ und Urbane Kunst e. V. entstanden ist, auch viele Bilder von Orten, die weit entfernt liegen von den Stadtgrenzen Hamburgs: darunter Militäranlagen, Psychiatrien, Kirchen, Wüstendörfer. Und die Szene der Urban Exploration, wie das Aufsuchen und Inszenieren von Lost Places auch genannt wird, wird weiter florieren auf den Ruinen dieser Erde. Alte werden verschwinden, neue entstehen – allein die Schönheit des Verfalls wird zeitlos bleiben.

Lost Places“, bis 23. März 2025 im Archäologischen Museum Hamburg

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2025 erschienen. 

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