Travemünde: Von Hamburg an die Lübecker Bucht
Für viele Hamburger Beachboys (m/w/d) endet die Reise an die Lübecker Bucht bereits an Travemündes Flaniermeile Vorderreihe zwischen Fischereihafen (Dorsch, Hering, Scholle & Co. ab 8 Uhr fangfrisch vom Kutter) und dem Leuchtfeuer vorne an der Nordermole am Ende der Flussmündung. Wohl auch, weil dieses seit 1329 zu Lübeck gehörende Seebad tagsüber halbstündlich mit einem Zug ans Fernnetz angeschlossen ist, was auch autofreie Hanseaten bequem an die Ostsee bringt. Dort lässt es sich zwar lange sitzen und Schiffchen gucken. Doch leider sitzt man da häufig viel besser als man isst – in Lokalen, an denen entlang sich riesige Skandinavienfähren wie die Nils Holgersson nicht nur während des Remmidemmis der Travemünder Woche (21. bis 30.7.2023) die Flussmündung herein- und hinausschieben.
Macht nichts, denn allein das legendäre Tortenangebot der Café-Filiale des Lübecker Marzipan-Giganten Niederegger lässt altersunabhängig den Insulinspiegel ebenso hochschnellen wie die Bismarckheringe von Travemündes knusprigsten Fischbrötchen bei Fin & Grete auch jenseits der Weltfischbrötchentage Anfang Mai die Speichelsäfte zum Schäumen bringen. Hier beginnt auch die offensiv vermarktete Fischbrötchenstraße Schleswig-Holstein.
Priwall: Die Schäl Sick in der Mauser
Auf der Priwall-Seite der Travemündung herrschte bis vor Kurzem noch kulinarische wie lifestylige Diaspora-Ödnis – eine, wie der Kölner sagen würde, echte „Schäl Sick“ („Schlechte Seite“). Doch die säckeweise dort hingeworfenen Steuer- und Investorengelder zeigen langsam Wirkung. Noch erinnert das als „Beach Bay Travemünde“ forsch promotete und mittels zweier Fähren für Autos wie Fußgänger gut erreichbare neue Viertel an Retortenstadtteile wie Hamburgs HafenCity. Doch allein die kunterbunte Gastronomie mit dem Franchise-Outlet Ahoi by Steffen Henssler an der Bestblick-Spitze, gefolgt von Astra Stube bis Tapas Olé zieht Touris und Tagesgäste ebenso über das Wasser wie die witzige Markthalle mit ihrer Verbindung aus Schnickschnack-Laden und Fashion-Shop mit integrierten Gastro-Inseln.
Noch ein Priwall-Vorteil: Bis hierher wirft der höchste Plattenbau der Ostsee, das Maritim-Hochhaus (125 Meter) neben dem historischen Ziegelstein-Leuchtturm von 1539 (31 Meter), seinen Schatten nicht mehr. Wer aus seinem Zimmer gern sowohl die am Priwall ankernde Viermastbark Passat als auch den mit Abstand tiefsten Badestrand der gesamten Lübecker Bucht samt im Sommer 1060 Strandkörben, SUP-Verleih, Piraten-Abenteuerspielplatz, Mega-Trampolin und cooler Lighthouse Lounge sehen möchte, bucht sich eine der mit bis zu vier Personen belegbaren Suiten im familienfreundlich-lebhaften aja-Hotel (242 Zimmer). Neben dem Zimmer erwartet die Gäste ein opulentes Frühstücksbuffet, ein integrierter Nivea-Flagshipstore, eine Seeblick-Bar sowie ein 2000-Quadratmeter-Spa-Bereich mit barrierefreiem 25-Meter-Innenpool inklusive ganzjährig beschwimmbarem Außenbecken (auch für externe Tagesgäste buchbar).
Der Strand in Niendorf: Hafen-Romantik und Stars an der Lübecker Bucht
Zu Fuß oder mit dem Rad führt der Weg nach Norden stets am Meer entlang. Das Auto kommt dagegen erst im Timmendorfer Ortsteil Niendorf wieder in die Nähe des Beach, der hier selbst in der Hochsaison noch reelle Chancen auf einen Miet-Strandkorb bietet. Unbedingt anhalten muss man erst an dem niedlichen Niendorfer Hafen mit seinen malerischen Fischerbooten samt dazugehörigen Wellblech-Verkaufshütten im Helgoland-Stil.
Nirgendwo in der Lübecker Bucht wird Meeresfisch fangfrischer angeboten als in Niendorf, von wo auch das Touri-Schiff MS Hanseat II täglich zu Ostsee-Törns in See sticht. Auch kulinarisch hat der Hafen viel zu bieten, zum Beispiel mit dem Fine Diner Rendezvous, einem Craftbier bei Klüver’s Hafenräucherei oder bei coolem Jazz in der angesagten Riff-Beachlounge. Dort am Freistrand wird es auch mal lauter – bei den Stars am Strand-Konzerten. In diesem Jahr zum Beispiel mit Santiano, Wincent Weiss und als Höhepunkt am 10. September Revolverheld.
Timmendorfer Strand: Bling-Bling und Fine Dine
Nach all der Entspannung höchste Zeit für den spannenden Bling-Bling-Taumel des nahen Timmendorf. Wo sich früher Lambos und Ferraris mit Hamburger Kennzeichen „Gute Nacht“ sagten, können diese nach der Einrichtung der Fußgängerzone zumindest nicht mehr im Kreisverkehr um die Wette röhren. Doch nach wie vor wollen an Timmendorfs Strandallee die feierfreudigen Hanseaten-Horden nur eins: schon in den ersten Februarsonnenstrahlen im Café Wichtig (ursprünglich Café Engels-Eck) beim Guccisonnenbrillenwettzeigen eine gute Figur machen. Und auch der Nachwuchs darf auf Norddeutschlands schickstem Chrom-Designer-Kinderstuhl sitzen und das erstaunlich gute Wichtig-Essen genießen.
Ansonsten wird hier ganzwöchig geshoppt, bis die Kreditkarten glühen – auch deshalb fahren so viele Hamburger am Sonntag gern gen Osten. Meist teilt sich die Familie rasch auf: Omi schleppt Opi zu SØR Man, die Tochter irrlichtert mit der Mutter in der Passage Kurpromenade zwischen Lacoste, Hallhuber und Gabor herum, während sich Papi die Hochpreis-Zeiteisen bei einem der Edeljuweliere zeigen lässt. Wenn das alles nun so lange dauert, dass höchste Zeit für ein ordentliches Essen gekommen ist, gibt es in Timmendorf jenseits der üblichen Plumps-Fischküche in den letzten Jahren immer mehr kulinarische und/oder stylishe Hotspots.
Tagsüber zum Beispiel das spektakuläre Wolkenlos am Ende der renovierten Seebrücke als Wegzehrer für den Besuch des Meereserlebnis-Zentrums Sea Life oder eine Runde Adventure-Golf beim Strandgolfer. Abends sind neben der bewährten Clubjacket-Goldknopf-Sättigungsstation Landhaus Carstens vor allem die ein paar Häuser weiter gelegenen Fine Diner Horizont und Six Zero die neuen places to eat. Und natürlich die beiden Ein-Sterner in der zur Gourmetmeile gemauserten Strandallee. An deren Anfang – im 1969 eröffneten Stammhaus der Maritim-Hotelkette (241 Zimmer) – kochen Lutz Niemann und Thomas Lemke in der Orangerie seit 1994 ohne Pause besternt unaufgeregte, immer wieder sachte modernisierte Frische-Kunst mit franko-mediterranem Dreh. Nett: Wer angesichts der vornehmlich bei den großen Franzosen exorbitant gut bestückten Weinkarte schwach wurde, kann Niemann auf dem kleinen Dienstweg persönlich wegen einer Übernachtung anhauen – freie Zimmer gibt’s dann mit etwas Glück für eine Nacht inklusive Zahnbürste zum Sonderpreis.
Timmendorfer Strand: Spaß und Spas an der Lübecker Bucht
Und wer am Sonntag dort mit dickem Kopf aufwacht, kann im Maritim-Restaurant eines der opulentesten Frühstückbuffets der Bucht mit vollem Meeresblick genießen. Das Hotel selbst hat seine wilden Jahre mit einem Dutzend für den Sommerausritt in der Tiefgarage eingelagerten Hamburger Halbwelt-PS-Boliden längst hinter sich gebracht. Inzwischen schafft es auch nach dem 50. Betriebsjubiläum 2019, sich gegen die starke Konkurrenz in Travemünde und die neueren Häuser in Mecklenburg nicht nur zu behaupten, sondern sich dabei sogar leicht zu verjüngen. Die coole hauseigene Ostsee-Lounge im Sand vor dem Hotel und natürlich der 3000-Quadratmeter-Spa-Bereich mit den zusammengenommen größten Innen- und Außenpools der Lübecker Bucht (beide mit Meerblick!) senken den Altersdurchschnitt weiter.
Entertainment-mäßig gelingt dieser Spagat zwischen Roberto Blanco und Houseparty auch im für diverse Events bespielbaren retro-kultigen Night Club 73Bar, recht gut, wo man sogar 20-jährige Erben beim Bestellen einer Magnum Krug-Champagner beobachten kann. Ansonsten aber besteht das Nachtleben an der Lübecker Bucht primär darin, irgendwann frühmorgens das Hotel-TV auszuschalten, bei dessen Programm man eingeschlafen war. Ein kleines Nightlife-Fähnchen hält einzig der unkaputtbare Nautic Club am Wochenende hoch. Wer zum Ladies Friday eine Sitzlounge (1 bis 6 Personen) reservieren will, muss sich aber auf 270 Euro Mindestumsatz einstellen.
Scharbeutz an der Lübecker Bucht: Küsten-Kaff im Aufwind
Familienväter, die mit der kompletten Sippe anreisen, haben natürlich seit jeher statt Blue Night eher Blaue Tage erlebt. Zum Beispiel bei der Regenwald-Simulation der Ostsee Therme direkt hinter dem Ortsschild von Scharbeutz mit subtropischer Vegetation, 160-Meter-Rutschen, Grotten, Saunalandschaft, Außenpool und Horden nackter Schwitzbadler beim ganzjährigen Abkühlen in der Ostsee. Betreiber ist der Spaßbad-König und Paderborner Bauunternehmer Heribert Stork, der 2008 die Idee hatte, neben der Therme mit dem Belveder ein Vier Sterne plus-Hotel im andalusischen Baustil anzuflanschen.
Bei aller gediegenen Schickheit bietet das Haus aber nur ein kleines Mini-Spa an. Wer schwimmen will, muss sich unter das Volk mischen und gelangt über einen eigenen Zugang direkt in den FKK-Bereich der Therme – für die typische Luxushotel-Klientel ein kleiner Kulturschock. Küchenchef Gunter Ehinger kocht auch im hauseigenen Nobelrestaurant Diva auf. Ehinger trägt für seine federnd-elegante, aromatisch perfekt ausbalancierte und frisch-mediterran ausgeprägte Spitzenküche seit 2010 durchgehend einen Michelin-Stern.
Vorbei an Strandfrittenkaten ging die Reise bis vor nicht allzu langer Zeit weiter ins kleine Zentrum von Scharbeutz. Doch kaum eine andere Gemeinde hat sich in den letzten Jahren auch gastronomisch so verbessert wie dieses 11.000-Einwohner-Küstendörfchen an der Lübecker Bucht. Beginnend mit dem lässig-modernen Hamptons samt Beach-Lounge über den schick renovierten Ortskern mit Dünen-Golf und (im Winter) Schlittschuhbahn, sowie kulinarischen Spots wie den Filialen von Gosch und (ab August) Hensslers Ahoi, über die Super-Sushi im Roof ganz oben im hippen Bayside-Hotel (mit schräg-scheußlichem Plastik-Urwald-Lokal Jungle im Erdgeschoss) bis hin zum Fine-Dining-Urgestein Herzberg’s, dessen Inhaber vor Kurzem auch das lässige Das Leo mit großer Dünen-Terrasse am Ortsende übernommen und sich damit den 2014 vom Bayside-Klotz geklauten Meerblick zurückgeholt hat.
Haffkrug: Deine Sitzsäcke im Sand
Nahtlos geht Scharbeutz nordwärts entlang der Lübecker Bucht in die eher von Camping-Gästen, Kinderlandverschickung und Schlafstrandkörben geprägte Gemeinde Haffkrug über – gut erkennbar auch an dem Board-Geklapper der Halfpipe im Dünen-Skatepark und den vielen SUPs der Surfschule. Haffkrug war immer auch Heimathafen für den Aalfang, woran diverse Fischräuchereien erinnern, ganz besonders aber die Haffkruger Aalwoche samt Krönung des Aalkönigspaares am letzten Festtag (30. Juli).
Die wahre Schlängelfisch-Queen heißt freilich Meike Brockmann von der Aalkate. Die hat gerade gegenüber in den Dünen den lässigen Kiosk HAFFdüün im witzigen Pacific-Style mit modern-leichter Küche eröffnet. Der Clou dort sind die im Sand verteilten superbequemen Sitzsäcke samt Stroh-Sonnenschirmen, die im Sommer sicher einer der Bucht-Treffs schlechthin werden. Ansonsten bietet Haffkrug Hungrigen neben dem soliden Fischladen Ocean’s an der Seebrücke mit dem Muschel-Nachfolger Himmelblau ein freundlich eingerichtetes und mit zeitgemäßer Speisekarte aufkochendes Bio-Restaurant mit Produkten lokaler Erzeuger.
Sierksdorf bis Pelzerhaken: Dinner in der Diaspora
Kurz bevor aus Haffkrug, das selbst beim besten Willen und mit viel Geld kaum mehr gentrifizierbare Sierksdorf wird, bietet das Captains den einzigen Imbiss im Norden mit kanadischen 20.000-Kalorien-Poutine-Pommes (mit Doppel-Käse und Bratensoße). Ab hier steigt der Anteil der Campingurlauber im Straßenbild proportional zum Abschwung der Kulinarik mit Abfüllstationen wie der Zeidlerklause mit gebackenem Camembert und einem Schnitzel Hawaii mit Ananas oder Puszta mit Paprika. Weil der Strand an der Lübecker Bucht hier schmaler und die Liegekörbe weniger werden, lohnt der Download der App Strandbutler, die bequeme Online-Strandkorbvermietung für die gesamte Ostsee. Beim Eiscafe Eismeer ist Schluss, die Promenade schwingt sich nach links vom Meer weg. Pferdefreunde kommen beim nahegelegenen Reiterhof Max Habel auf ihre Kosten.
Ausflug ab Hamburg: Freizeitangebote an der Lübecker Bucht
Mit einer Horde Kinder im Auto lohnt die Weiterfahrt. Im Hansapark kann sich die ganze Familie auf der Groß-Achterbahn Flucht von Novgorod beim „steilsten Absturz im Dunklen aller Achterbahnen weltweit“ das letzte Fischbrötchen noch mal durch den Kopf gehen lassen. Wer die idyllischen Konzerte der Reihe Musik im Strandkorb zwischen Scharbeutz und Sierksdorf verpasst hat, kann nun noch ein Stück weiter in den Norden fahren und dieses Event am Strand von Pelzerhaken hinter dem wunderschönen Fjord-Hafen von Neustadt genießen, einem der bedeutendsten Segelsportzentren Schleswig-Holsteins (Tipp: Mittwochsregatta). Dort, in der Nähe des emblematischen und sogar von Timmendorf aus sichtbaren Ferienwohnungsturmes Prinz Hamlet, endet unsere gefühlte Lübecker Bucht mit einem Knick, der – einzigartig an diesem Teil der Ostsee – sogar einen kleinen Sonnenuntergang über Wasser möglich macht.
Ansonsten gilt Pelzerhaken mit seinen unzähligen SUPs, Kitern und Surfern als das Hawaii des Baltischen Meeres mit Events wie dem SUP Polo bei der Waves&Soul Beach Tour (26. Juni 2023) oder stilgerechten Übernachtungen in den Strandhütten der Kailua Lodge. Auch kulinarisch hat die Ecke einiges zu bieten vom hippen Fientuhuus in Pelzerhaken über Bürgerspaß im Neustädter Klüver’s Brauhaus oder Pier 19 bis zum Fine-BBQ im The Grand Grill – wer zu müde für die Rückfahrt ist, findet im dortigen Arborea-Hotel ein weiches Bettchen. Was aber schade wäre, denn 20 Minuten weiter nördlich kann man jetzt das ganz große Rad drehen: Dort gastiert bis Juli am Nordstrand des auch kulinarisch einen Abstecher werten Ostseebades Grömitz das 50-Meter-Riesenrad La Noria Gigante für alle, die im Spaßbad Grömitzer Welle (mit Direktzugang vom örtlichen aja-Hotel) noch nicht genug durchgerührt wurden.
Doch die meisten Hamburger Ausflügler stecken da längst schon wieder im Mega-Rückreisestau von Ratekau bis Bad Oldesloe. Schlaue legen in diesem Fall eine kleine kulinarische Abendpause ein. Je nach Route empfiehlt sich der Enten-Spezialist Brechtmann in Schürsdorf, der Ausnahmekoch Robert Stolz in Plön und natürlich Lübecks Altstern Roy Petermann im Wullenwever. Um 22 Uhr ist die A1 dann total frei, Hamburg in 35 Minuten anfahrbar und der Hinfahrspruch „Du bist der Stau“ endgültig vergessen.
Jetzt noch lecker Essen? Dafür gibt es viele gute Restaurants an der Ostsee
Sonne im Gesicht und Meeresbrise in der Nase, das macht hungrig. Gut, das unsere Kolleginnen und Kollegen vom Genuss-Guide zehn Restaurants an der Ostsee parat haben.