Bedrohte Räume #9. Demokratie ist keine Dienstleistung

Bedrohte Raeume
Bedrohte Raeume

„Früher war alles besser, früher war alles gut. Da hielten alle noch zusammen, die Bewegung hatte noch Wut. Früher, hör auf mit früher, ich will es nicht mehr hör’n. Damals war es auch nicht anders, mich kann das alles nicht stör’n“

So oder so ähnlich klang es in den Ohren derjenigen, die das Genöle der Alten nicht mehr ertragen konnten. So oder so ähnlich fühlt es sich an, wenn ich im Netz unsere kritischen Politikposts lese, während der rechten Suppe die Bäuche schwellen. Doch wogegen lehne ich mich als Erstes auf? Ich zaudere noch anstatt die Faust gen Himmel zu recken und für das zu kämpfen, was genau jetzt in der Waagschale der Nationen liegt.

Och nö, denke ich dann wieder, is so hart scheiße heute. Bin doch nicht Che Guevara oder Sophie Scholl. Hab auch viel zu tun. Ich trete bei ATTAC und in die ACLU ein und gut is’. Und während sich der rechte Mob die Demokratie untertan macht, meine ich immer noch, sie sei eine Dienstleistung? Oder bin ich alt und zahnlos geworden und glaube, dass die Eliten die Politik besetzen? Hab’ ich immer noch nicht kapiert, dass ich selbst die Politik bin?

Ich jucke mich am Allerwertesten und schlage beim Belauschen der Nachbarn doch Funken: „Herta, der amerikanische Hamster macht es richtig!“ „Genau, die Asylanten kommen nur wegen der Kohle, Hinnerk.“ „Ach, Herta, einfach alle abschieben, sach ich!“ Gefühlte Wahrheit küsst Faktenwissen. Einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte. Mir wird ganz übel vor lauter Ruchlosigkeit. Ich bebe vor Wut und glotze weiter Netflix. Ja, merke ich denn nicht, dass heute früher ist? Dass ich wütend bin? Dass ich dem Mob die Stirn bieten will, kann, ja muss? Fehlt es mir etwa an nichts?

Früher, hör auf mit früher… Ich will meiner Wut tätlichen Protest folgen lassen und für das kämpfen, was heute fragil in der Waagschale zappelt. Denn richtig ist, die Demokratie ist ein bedrohter Raum. Und wenn ich sie denjenigen überlasse, die sie sich aneignen, dann habe ich morgen nur noch eine Ruine mit Aussicht.

Deshalb, Kids, Köter und Kanaillen, Schluss mit der politischen Apathie!

Mantel und Degen geschultert. Ab auf die Straße, in die Schulen, in die Kreissäle: reden! Aufstehen! Sich organisieren! Weitermachen. Ich gehe jetzt los, denn sonst gehen wir morgen den dritten Weg und Umweltschutz wird Heimatschutz. Wie früher, als nichts besser war und ich genauso wütend.

Eure Raumsonde Andrea


Who the fuck is…

Andrea Rothaug Szene Hamburg Stadtmagazin

Foto: Katja Ruge

Andrea Rothaug ist eine musikalische Raumsonde mit Hang zum Wort, Kulturmanagerin, Autorin, Dozentin, Veranstalterin, Präsidentin. Was diese Frau so alles treibt, erfahren Sie auf  Ihrer Website

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