SZENE HAMBURG: Kenneth Branagh, man kennt Sie normalerweise als Shakespeare-Experten und Blockbuster-Regisseur. Warum nehmen Sie sich mit „Belfast“ nun erstmals Ihres eigenen Lebens an?
Kenneth Branagh: Man redet sich als Regisseur ja immer ein, dass jeder Film irgendwie ein ganz persönlicher ist. Aber natürlich ist ein Film über meine Heimatstadt noch einmal etwas ganz anderes. Dass ich mich der einmal widmen will, reifte als Idee in mir schon seit Längerem. Ich wusste nur lange nicht genau, welche Geschichte ich eigentlich erzählen will. Klarheit verschaffte mir dann ausgerechnet der erste Corona-Lockdown 2020. Der ließ mich an den ersten Lockdown in meinem Leben denken, damals, als unsere Straße in Belfast während der Unruhen abgeschottet wurde. Plötzlich war alles von damals wieder ganz klar und greifbar, die Geräusche und die Gerüche. Mit einem Mal erschien es mir, dass ich damals als Neunjähriger eigentlich das letzte Mal wusste, wer ich wirklich bin. Und prompt schrieb sich das Drehbuch fast von selbst.
Gab es beim Schreiben oder Drehen je Momente, wo Ihnen die Sache zu persönlich wurde?
Nicht für mich, aber andere Leute hatten die Sorge. Ein paar Menschen in meinem engeren Umfeld lasen das Drehbuch und fanden, dass ich zu weit gehe und an einigen Stellen Erinnerungen teile, die zu privat sind. Allerdings wusste ich natürlich, dass das Publikum am Ende gar nicht genau weiß, was Fakt und was Fiktion ist. Und was heißt schon Fakt, wenn man mit 50 Jahren Abstand versucht, sich in einen Neunjährigen hineinzuversetzen?! Abgesehen davon waren bei der Umsetzung der Geschichte dann ja andere Menschen beteiligt, was automatisch einen gewissen Abstand zu meiner Biografie mit sich brachte. Ich war immer offen für Ideen und Änderungswünsche, sei es vom Kameramann oder meinem Ensemble, um die Geschichte über meine persönlichen Erinnerungen hinaus weiterzuentwickeln.
Der richtige Junge
Besagter Neunjähriger steht uneingeschränkt im Zentrum von „Belfast“. Wie schwierig gestaltet sich da die Suche nach dem geeigneten Darsteller?
Sehr schwierig, denn natürlich stand und fiel damit alles. Ohne den richtigen Jungen hätte sich diese Geschichte nun einmal nicht erzählen lassen. Entsprechend nervös war ich selbst, nachdem wir uns für Jude Hill entschieden hatten. Die ersten beiden Drehtage guckte er immer wieder in die Kamera – und ich fürchtete, wir hätten einen großen Fehler gemacht. Doch zum Glück legte sich das – vor allem, je mehr andere Personen in den Szenen mit ihm auftraten. Noch ein paar Tage später wusste ich, dass ich es kaum besser hätte treffen können.
Sie haben dann später nie wieder in Belfast gelebt. Steckt heute noch etwas von Ihrer Geburtsstadt in Ihnen?
Klar, man kriegt den Jungen zwar aus Belfast heraus, aber nicht Belfast aus dem Jungen. Ich glaube, mein Sinn für Humor und mein Blick aufs Leben sind bis heute typisch für die Stadt. Es gibt in Belfast keine größere Sünde, als sich selbst zu ernst zu nehmen, das habe ich sehr verinnerlicht. Auch die Angewohnheit, nicht einmal in den dunkelsten Momenten meinen Humor zu verlieren, verdanke ich sicher meiner Heimat. Das lernte man in Belfast nämlich schnell.
„Belfast“ von Regisseur Kenneth Branagh, ab dem 24. Februar 2022 im Kino.
Hier gibt´s den Trailer zum Film:
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