Marielle Müller, Auszubildende zur Brauerin und Mälzerin bei der Ratsherrn Brauerei GmbH, wollte ursprünglich nur auf Führungen andere für Ratsherrn begeistern, doch dann entbrannte ihre Leidenschaft endgültig für diesen Beruf
Die Ratsherrn Brauerei hat zwar eine lange Tradition, die nutzt man hier aber nicht, um sich darauf auszuruhen. Schon wenn man in das Unternehmen hineinkommt spürt man überall eine fröhliche und lebendige Umtriebigkeit. Ratsherrn nutzt sein langes Brauwissen, um immer wieder mit neuen Innovationen neue Geschmackserlebnisse zu erzeugen. Das Einzige, was man hier als bierernst bezeichnen könnte, ist die Gewissenhaftigkeit, mit der hier alles kreiert wird: von den erstklassigen BrauProdukten bis zur detailverspielten Ausstattung. Und dafür bekommt dann auch nicht ohne Grund drei Mal Gold beim Meininger International Craft Beer Award.
Moin Marielle, erklärst du einmal direkt zu Beginn wie du auf diesen Berufswunsch gekommen bist?
Marielle: Okay, die Berufswahl ist vielleicht nicht so ganz typisch, aber ich habe auch schon vorher einen Beruf erlernt, der nicht so ganz gewöhnlich ist. Ich bin Milchtechnologin und mich hat immer schon sehr interessiert, wie ein Produkt entsteht, das ist sicherlich der Grund. Nach meiner ersten Ausbildung bin ich dann nach Hamburg gezogen und habe Ratsherrn kennengelernt. Ich fand die Brauerei und ihre Produkte sehr nice und wollte mehr über das spannende Unternehmen erfahren.
Was hat dich denn dann dazu gebracht, unbedingt noch eine zweite Ausbildung hier bei Ratsherrn absolvieren zu wollen?
Es begann mit einer Brauereiführung, die ich mitgemacht habe. Als Besucher war ich schon total be geistert, wie das hier läuft. Es war so ganz anders, als ich es bisher bei anderen Brauereiführungen kennengelernt habe. Bei den anderen wird man nur mal so durchgeführt und zum Abschluss gibt es halt das Bier. Hier bei Ratsherrn wird man auch als Besucher erst einmal durch ein junges Team sehr herzlich aufgenommen. Auf der Führung wird dann viel ausführlicher über die gesamte Bierhistorie erzählt und dann speziell über die Hamburger Biertradition, die vielen wahrscheinlich gar nicht so bewusst ist. Bei Ratsherrn verkostet man dann sehr unterschiedliche Biere und bekommt einen tollen Eindruck über die Vielfalt, die möglich ist und bei Ratsherrn eben auch gebraut wird. Zu jedem Produkt gibt es eine schöne Ge schichte, die erzählt wird. Das wollte ich dann auch machen.
Was passierte dann?
Dann habe ich mich erst einmal beworben, auch diese Führungen und Verkostungen machen zu dürfen. Seit November 2019 habe ich das dann auch mit viel Freude gemacht. Abends bin ich dann immer noch einmal rüber zu den Brauern, um mit denen gequatscht und einfach gespürt wie mein Herz für diesen Beruf schlägt. Es ist einfach ein sehr junges, entspanntes und vor allem innovatives Team hier, dass macht Ratsherrn auch so besonders. Man folgt hier keiner Norm. Das sieht man schon, wenn durch den Store geht und die Vielfalt der hier gebrauten Biere sieht. In unserer MikroBrauerei werden ständig neue Biere kreiert, hier gibt es keinen Stillstand.
Geschmacksvielfalt und Brauqualität
Den Punkt nehme ich mal gerne auf. Ihr braut ja auch sehr viele Spezialitäten – Stichwort Craft Beer. Erklärst du einmal, was bei euch der Unterschied zu den sogenannten Konzern-Bieren ist.
Das Spannende ist, dass hier eben nicht primär auf Masse produziert wird, sondern Geschmacksvielfalt und Brauqualität im Vordergrund steht. Gerade beim Geschmackserlebnis versuchen wir uns ständig weiterzuentwickeln, um die Menschen dazu zu bringen, nicht im mer das Gleiche zu trinken. Ich selber war ja auch so eine typische Pilstrinkerin und war total überrascht als ich die New Ära Biere hier probiert habe. Großartig, was alles möglich ist und damit wollte ich mich einfach intensiver beschäftigen. Die Vorstellung, die Hamburger für ihre Hamburger Bier zu begeistern, finde ich großartig. Und Ian, einer unserer Braumeister, steckt mich geradezu an mit seiner Akribie, immer wieder etwas Neues zu entwickeln.
Gib uns doch einmal einen kleinen Einblick in deinen Ausbildungsalltag.
Durch meine vorherige Ausbildung habe ich schon einige Erfahrungen und Kenntnisse im Lebensmittelbereich gesammelt und konnte daher auch direkt im zweiten Ausbildungsjahr beginnen. Insofern weiß ich über einige wesentliche Dinge für die Lebensmittel und Genussbranche, wie etwa Hygiene, sehr gut Bescheid. Insofern geht es für mich natürlich auch ganz konkret darum, die Geheimnisse des Bierhandwerks zu erlernen. Genauso wichtig ist das Erlernen eines guten Gespürs für die Qualitätskontrolle der Zwischenprodukte, zum Beispiel die Würze, aus denen dann das Bier entsteht. Wir lernen sehr viel über die Abfülltechnik, spannend war da mein erster Monat in der neuen Abfüllung, die hier gebaut wurde, und ich bei der Inbetriebnahme dabei sein konnte.
Du wirst ja auch Mälzerin. Was passiert in einer Mälzerei?
Da wird das Malz vorher geröstet bzw. gedart, das bedeutet getrocknet, bevor es dann später verarbeitet wird.
Welche Schwerpunkte habt ihr in der Berufsschule?
Das sind sehr verschiedene Bereiche. Im Kern sind es Fächer zur Lebensmittelkunde und ganz wichtig sind auch die Technologien, um zum Beispiel zu verstehen, wie Pumpen und vieles mehr funktioniert. Wir lernen viel über Wasseraufbereitung und Energiegewinnung. Themen, die man vielleicht nicht so präsent hat, aber für einen reibungslosen Brauvorgang sehr wichtig sind. Sonst gibt es eben auch kein Bier. Dann kommen noch die Klassiker wie Mathe und Politik beispielsweise dazu.
„Es ist großartig, nach Feierabend mit einem selbst gebrauten Bier dazusitzen“
Was bereitet dir am meisten Freude an deiner Ausbildung?
Es ist einfach großartig, nach Feierabend mit einem selbst gebrauten Bier dazusitzen und genau zu wissen, wie es geht und was dahintersteckt. Es ist toll zu wissen wie die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen entstehen und auch andere Menschen dafür zu begeistern. Ich liebe es einfach über meinen Beruf zu erzählen, und die meisten möchten darüber auch viel lieber etwas hören, viel mehr als über Milch. Wer hätte das gedacht. Das ganze Paket ist einfach schön hier. Es ist ein tolles Team und mir wird viel erklärt und ich wurde hier sehr gut aufgenommen. Darüber hinaus darf man hier sehr selbstständig arbeiten und genießt ein schönes Vertrauen innerhalb des Kollegenkreises.
Gibt es eigentlich Eigenschaften, die man braucht, um eine gute Brauerin und Mälzerin zu werden?
Man muss auf jeden Fall Bier mögen, das ist ja klar. Wirklich wichtig ist aber, dass man handwerklich begabt ist und man muss mit anpacken können. Was auch nicht schadet, ist ein gutes Improvisationstalent, damit man sich selbst zu helfen weiß, wenn mal etwas nicht gleich richtig funktioniert, etwa wenn eine Verschraubung sich nicht problemlos löst. Einfach mal um die Ecke denken hilft. Man sollte sich einfach für sein Fach interessieren, nicht nur für das Endprodukt, sondern für die Geschichte, die Rohstoffe. Im Prinzip für alles, was hinter und in so einem Produkt drinsteckt.
Also einfach über den Bierglasrand hinausschauen. Hast du heute schon konkrete Vorstellungen, was du nach deiner Ausbildung machen möchtest?
Klar denke ich darüber nach, aber ich bin mir noch nicht so ganz sicher. Wenn ich darf, möchte ich sehr gerne hier in der Brauerei bleiben. Cool wäre langfristig geplant, wenn ich BierSommelier werden könnte und die ganzen Aromenunterschiede beherrschen würde, um gegebenenfalls auch Fehlaromen genau herauszuschmecken. Genauso kann ich mich auch für Marketing und Design begeistern und auf der Ebene kreativ sein. Wenn man sich bei Ratsherrn umschaut und sich nur alleine einmal die unter schiedlichen Etiketten anschaut, dann sieht man wie viel Herzblut in die Ausgestaltung gesteckt wird. Hier im Unternehmen ist alles irgendwie kreativer und kein Standard. Aber zuallererst mache ich erst einmal meine Ausbildung fertig, um dann richtig in den Beruf als Brauerin zu starten.
Wenn du also eventuell Richtung Sommelier gehst, dann passt meine letzte Frage ja ganz gut. Was ist für dich das Besondere an einem guten Bier?
Sicherlich hat das auch mit ganz viel persönlichem Geschmack zu tun, ein eingefleischter Pilstrinker wird einem sicherlich sagen, dass ein Bier nur so schmecken darf, wie er es gewohnt ist. Hier bei Ratsherrn habe ich ja auch erst wirklich die Vielfalt kennengelernt und inzwischen kommt es bei mir sehr auf die Stimmung oder Situation an. Das kann schon die Jahreszeit sein, unser Moby Wit ist für mich zum Beispiel ein tolles Sommerbier, weil es sehr erfrischend ist. Für mich ist ein gutes Bier ein Bier aus einer Brauerei, die auch Abwechslung bietet.
Im Prinzip entwickelt sich doch der Biergenuss ein wenig so, wie wir es vom Wein kennen. Unterschiedliche Geschmacksangebote für unterschiedliche Anlässe oder auch Gerichte.
Genau richtig. Deswegen machen wir hier bei Ratsherrn auch Führungen, bei denen zu den untesrchiedlichen Bieren unterschiedliche Speisen verkostet werden können. Ich habe mal ein sehr starkes Bier, das Imperial, ein Pilsener mit 7,5 Prozent, mit einem CheddarKäse zusammen probiert und das hat total gut geschmeckt. Entsprechend kann man zu Hause wirklich mal ausprobieren, welches Ratsherrn zu welchem Gericht am besten schmeckt. Wir kreieren hier immer wieder etwas Neues, zum Beispiel kommt demnächst unser Hamburg Hell auf den Markt. Es macht einfach Freude, immer wieder dabei zu sein und mitzumachen, wenn etwas Neues entsteht.
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Ausbildung, 2021. Das Magazin ist seit dem 19. September 2020 im Handel. Bestellt euch das Heft oder Blättert hier durch das Magazin!