„Beim Blutspenden machst du den Unterschied“

Der 14. Juni ist Weltblutspendetag. Wir haben mit dem Leiter der Transfusionsmedizin des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Dr. Sven Peine, darüber gesprochen, warum es Blutspenden braucht, wer spenden darf und welche Risiken es gibt
Am 14. Juni ist Weltblutspendetag (©pixabay/michellegordon2)
Am 14. Juni ist Weltblutspendetag (©pixabay/michellegordon2)

SZENE HAMBURG: Der 14. Juni ist Weltblutspendetag. Wie viele Menschen in Deutschland spenden Blut?

Dr. Sven Peine: Wir haben die Situation, dass aktuell in Deutschland die Blutversorgung von mehr als 80 Millionen Menschen auf den Schultern von rund 1,6 Millionen regelmäßigen Blutspendern ruht, davon leben überdurchschnittlich viele auf dem Land.

Warum ist die Bereitschaft zur Blutspende auf dem Land größer als in der Stadt?

Das hat aus meiner Sicht mit Gruppendynamik zu tun. Ich selbst komme aus einem Dorf in Nordrhein-Westfalen. Bei uns gab es früher nur das Schützenfest, den Fußballverein und die Blutspende und da ist man nun mal hingegangen. Das war einerseits sozialer Druck, andererseits auch Motivation, weil alle es mitbekommen haben und es auch eine gewisse Anerkennung gab. Wenn ich in Hamburg-Barmbek nach der Blutspende nach Hause komme, interessiert es die Menschen in der Nachbarschaft überhaupt nicht, wo ich war. Dieses Gefühl von „Mensch toll, dass du Blut spenden warst“, das gibt es auf dem Dorf, aber in der Großstadt nicht. Deswegen erreichen wir auf dem Land, beispielsweise in Schleswig-Holstein, rund drei bis fünf Prozent der Bevölkerung. In Hamburg sind es ein bis zwei Prozent.

Wer, wenn nicht du und wann, wenn nicht jetzt – Bei der Blutspende machst du den Unterschied

Dr. med. Sven Peine, Leiter der Transfusionsmedizin am UKE

Rund 1,6 Millionen Menschen decken die Blutversorgung in Deutschland ab. Warum so wenige?

Weil die Lücke zwischen „ich finde Blutspenden gut“ und „ich gehe zur Blutspende“ immer größer wird. Es wird immer aufwendiger und schwieriger, die rund 3,5 Millionen Blutkonserven, die wir in Deutschland brauchen, zu besorgen. Hier im UKE ist es so, dass wir etwa zwei Drittel der Blutspenden, die wir brauchen, vor Ort von Spendern gewinnen. Das sind 25.000 bis 27.000 Blutspenden im Jahr. Wir verabreichen aber auch 40.000 Blutkonserven pro Jahr. Im Verhältnis heißt das: Jede 85. in Deutschland gemachte Blutübertragung wird hier im UKE durchgeführt.

Blutkonserven werden fast überall gebraucht

Wofür braucht das UKE die Blutkonserven?

Wir brauchen sie unter anderem für den großen Unfall – aber gar nicht so sehr wie viele denken. Im letzten Jahr hatten wir beispielsweise einen Mann mit einer Schussverletzung. Den haben wir mit über 150 Roten-Blutkörperchen-Konzentraten innerhalb von 24 Stunden versorgt. Das sind eindrucksvolle Einzelfälle, die selbst eine große Blutbank wie unsere an die Grenzen des Leistbaren bringt. Viel häufiger sind aber die Fälle, die regelmäßig dauerhaft Transfusionen benötigen: zum Beispiel Krebspatienten im Rahmen ihrer Behandlung oder Menschen mit Blutbildungserkrankungen wie der Sichelzellerkrankung. Dazu kommen Fälle, wie große Herz- und Hüftoperationen, bei denen Konserven gebraucht werden.

Das UKE in Hamburg verabreicht 40.000 Blutkonserven pro Jahr, etwa zwei Drittel davon kommen aus hauseigenen Blutspenden (©UKE)
Das UKE in Hamburg verabreicht 40.000 Blutkonserven pro Jahr, etwa zwei Drittel davon kommen aus hauseigenen Blutspenden (©UKE)

Gibt es denn eine Blutgruppe, die besonders gebraucht wird?

Es wird gerne angenommen, dass die Blutgruppe 0 superwichtig ist, weil sie zu allen Blutgruppen passt, das stimmt auch. Aber dadurch, dass wir im UKE immer die richtige Diagnostik stellen können, ist es selten, dass wir die Blutgruppe 0 geben müssen. Das heißt, egal, welche Blutgruppe man hat: Alle Menschen sind bei uns als Spender:innen willkommen. Denn wir können das Blut in jedem Fall gebrauchen.

Ist in Sachen Spenden die Stammzellen- oder Knochenmarkspende genauso notwendig wie eine Blutspende?

Ja, aber diese sind im Sinne der Mobilisierung von Menschen fast einfacher. Denn hier steht der „Ich und nur ich kann helfen“-Gedanke dahinter. Bei den Stammzellen findet man heute in 80 Prozent der Fälle innerhalb von vier Wochen einen passenden Spender. Das ist sehr gut. Was aber dabei oft vergessen wird: Wenn ich einen Stammzellenspender habe, aber niemanden, der Blut oder Blutplättchen spendet, passiert nichts. Denn bei der Stammzellentransplantation braucht es zehn bis 20 Blut- und Blutplättchenkonserven. Die Stammzellen sind der Ausgangspunkt, aber es braucht auch die „Namenlosen“, die Blut und Blutplättchen spenden.

Wenn die Blutspende die Grundlage ist, wie kann man dann mehr Menschen zum Blutspenden bewegen?

Es gilt: Wer, wenn nicht du und wann, wenn nicht jetzt – Bei der Blutspende machst du den Unterschied.

Katastrophen erhöhen die Bereitschaft zur Blutspende

Dr. med. Sven Peine leitet das Institut für Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) (©UKE)
Dr. med. Sven Peine leitet das Institut für Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) (©UKE)

Gibt es Momente, in denen die Spendenbereitschaft besonders groß ist?

So dramatisch und schlimm es ist, die größten Gamechanger sind Katastrophen. Nehmen wir das Zugunglück von Eschede von vor 25 Jahren: Damals habe ich in Hannover gearbeitet und die Medizinische Hochschule Hannover war der nächstgrößte Universitätsversorger. In den Tagen nach dem Zugunglück, war die Blutspendeeinrichtung so voll wie nie zu vor. Das ist großartig, aber viele, die wegen eines solchen Ereignisses kommen, kommen häufig nicht wieder. Am ehesten werden Menschen durch persönliche Betroffenheit zum Blutspenden motiviert. Menschen, die eine bösartige Erkrankung, wie beispielsweise Krebs, hatten und selbst Blutkonserven bekommen oder fast gebraucht haben, sind hochmotiviert, dürfen aber nicht spenden. Bei solchen Leuten sagen wir: Sagen sie ihren Freunden, Verwandten und Bekannten Bescheid und machen sie diese zu Spender:innen, wenn sie selbst nicht dürfen.

Gibt es noch mehr Gründe, warum man nicht Blut spenden darf?

Die Grundvoraussetzung zur Blutspende ist die Volljährigkeit. Denn jede Verletzung, und das ist ein Stich durch die Haut, die ein Arzt ihnen willentlich zufügt, bedarf einer Einverständniserklärung nach Aufklärung und das kann man erst machen, wenn man volljährig ist.

Sonst sind die Gründe, die gegen eine Spende sprechen, häufig ganz banal: Nach einer Erkältung, darf ich eine Woche lang nicht kommen und etwa nach einem Magen-Darm-Infekt mit Fieber, darf ich vier Wochen nicht spenden. Dazu kommen seltenere Hinderungsgründe wie die erwähnte schwere Erkrankung.

Grundsätzlich gilt bei der Blutspende: Wir wollen die Blutspende so sicher wie irgend möglich machen, für die Spender:innen wie für die Empfänger:innen. Das heißt, wir machen bei jeder Blutspende eine Mischung aus einem Test auf wichtige, essenzielle Dinge. In Deutschland sind das HIV, Hepatitis B, C und E, Syphilis und im Sommer auch das West-Nil-Virus. Außerdem fragen wir beispielsweise nach Fernreisen. Denn Menschen, die eine Fernreise gemacht haben, bringen das Risiko auf Krankheiten wie Malaria, Chikungunya und Zika mit und wir können im Rahmen der Blutspende nicht auf alles testen, das wäre schlichtweg zu teuer. Deswegen fragen wir danach und wenn sie kürzlich in einem Malaria-Gebiet waren, dürfen sie sechs Monate lang nicht Blut spenden.

Blutspende: kaum ein Risiko

Gibt es denn für diejenigen die Blut spenden ein Risiko?

Ganz klare Antwort: Nein. Aber wenn sie zu uns kommen, stechen wir eine Nadel durch ihre Haut und das hat zur Folge, dass es bluten kann – muss es ja auch, denn ich will ihr Blut ja haben. Natürlich, wenn ich mit einer spitzen Nadel irgendwo reinsteche, kann ich auch etwas kaputt machen. Also kann es sein, dass man nach der Spende einen blauen Fleck hat, das kommt bei rund 15 von 500 Menschen vor. In ganz seltenen Fällen, und da sprechen wir von einem/einer von rund 10.000 Spender:innen, kann es vorkommen, und darüber klären wir auch auf, dass ein Hautnerv verletzt wird. Dann bleibt ein Gebiet um die Einstichstelle vielleicht taub.

Außerdem kommt es vor, dass einigen nach der Blutabnahme ein bisschen schummerig wird. Das ist auch überhaupt nicht schlimm und wir reden mit ihnen darüber und wir sagen ihnen: Wenn sie das merken, bleiben sie einen Moment länger bei uns und setzen sie sich kurz hin.

Wir wollen die Blutspende so sicher wie irgend möglich machen

Dr. med. Sven Peine, Leiter der Transfusionsmedizin am UKE

Was passiert bei einer Blutspende im Körper?

In der Regel nehmen wir ihnen einen halben Liter von den fünf bis sechs Litern Blut, die in ihrem Körper zirkulieren, ab. Nach einer Blutabnahme füllt der Körper das fehlende Blut innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen wieder auf. Dabei bildet er nicht mehr Blut als vorher vorhanden war, der Körper pendelt sich auf dem Niveau von vor der Spende wieder ein. Das heißt im Körper selbst macht die Spende auf lange Sicht keinen Unterscheid, da sie ihr Blut ohnehin viermal im Jahr komplett austauschen und mit einer Blutspende sind das vielleicht 4,3-mal im Jahr.

Was wir jedoch vor der Blutspende machen, ist, dass wir den Oberkörper einmal entkleiden, nach Hautauffälligkeiten sowie Herz und Lunge schauen. Dabei kann es sein, dass uns – und das ist kein Heilsversprechen – Unregelmäßigkeiten auffallen. Es gab auch schon den Fall, dass wir einen bösartigen Hautkrebs entdeckt haben. Zusätzlich machen wir von all unseren Blutspender:innen jedes Mal ein Blutbild. Und wenn da Unregelmäßigkeiten auffallen, werden sie dementsprechend informiert.

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Blutspenden in Hamburg, das ist fast immer und an vielen Orten möglich.

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