Corinna von Bassewitz: „Ich fand rätselhafte Unterlagen …“

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Der Vater von Corinna von Bassewitz war Geheimagent beim BND. Das fand sie erst spät heraus und jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben (©unsplash/Craig Whitehead)

Die freiberufliche Autorin Corinna von Bassewitz fand als Teenager durch einen Zufall heraus, dass ihr Vater nicht der war, für den er sich ausgab. Denn er war weder bei der Bundeswehr, noch Diplomat, sondern arbeitete als Geheimagent beim BND. Mit „Das Geheimnis meines Vaters“ hat Corinna von Bassewitz nun ein Sachbuch darüber geschrieben 

Text: Daniel Schieferdecker

SZENE HAMBURG: Corinna, Grundlage deines Buches ist der Umstand, dass du mit 16 Jahren herausgefunden hast, dass dein Vater Geheimagent war. Klingt doch eigentlich nach Traumjob einer jeden 16-Jährigen, oder?

Corinna von Bassewitz: Ich hatte damals meinen ersten James-BondFilm gesehen: „Leben und Sterben lassen“. Meinen Vater, der damals als legaler Resident, also offiziell als Diplomat, bei der Deutschen Botschaft Den Haag untergekommen war, konnte ich mit einem Agenten à la Bond nicht in Zusammenhang bringen. Davon abgesehen hat er alle Fragen, die ich stellte, jedes Mal abgewiesen. Diplomat war auch ein schicker Job.

„Er hat sich am Telefon mit einem falschen Namen gemeldet und ich habe scharfsinnig Schlüsse gezogen“
Corinna von Bassewitz

Wie hast du denn herausgefunden, dass er für den BND gearbeitet hat?

Er hat sich am Telefon mit einem falschen Namen gemeldet und ich habe scharfsinnig Schlüsse gezogen. Ich kannte ja James Bond. Natürlich hat er keine Details rausgelassen. Er müsse manchmal undercover an Informationen herankommen, das war alles, was er rausließ.

„Auch ich kann gut zuhören“

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„Das Geheimnis meines Vaters“ ist das zweite Buch von Corinna von Bassewitz (©Thomas Dilge)

Dein Vater hatte dir also erzählt, er sei eigentlich Diplomat?

Als kleines Kind habe ich ihn selten gesehen. Später, als wir nach Bayern kamen, weil er in Pullach antreten musste, sagte er, er sei Soldat. Beim BND arbeiteten einige, die Ränge bei der Bundeswehr bekleideten. Als Kind fragte ich ihn nur einmal, warum er keine Uniform trägt. Er sei Bürosoldat, da brauche man keine, sagte er. In Den Haag, wir zogen dahin als ich 14 war, trat er dann offiziell als Diplomat auf. Da es in Den Haag von Diplomaten wimmelte, war auch das nicht hinterfragenswert.

Wie war denn dein Vater als Typ? Welche Charaktereigenschaften hatte er?

Er konnte sehr zugewandt sein, aber er achtete auch auf Disziplin und Ordnung, vor allem in der Zeit, als er als Soldat auftrat. Er hatte Humor, war freundlich, er konnte Menschen um den Finger wickeln und gut zuhören; eine Eigenschaft, die beim BND zu der Zeit wichtig war. Informationen bekam man hauptsächlich von Menschen und nicht aus dem Internet, das es damals ja noch nicht gab. Sein Spitzname war „Charming Charlie“.

Welche Charaktereigenschaften deines Vater hast du?

Auch ich kann gut zuhören. Das kommt mir als Journalistin zugute.

Auch die Familie wusste nichts

Die Frage, die im Klappentext des Buches aufgeführt ist, lautet: Was macht es mit einem Mädchen, wenn der eigene Vater seine wahre Identität verschweigt und schließlich spurlos verschwindet? Also: Hast du eine Antwort auf diese Frage?

Zur falschen Identität kann ich sagen: Mein Vater gehörte zu der Generation, die über persönliche Dinge kaum sprach. Seine Familie und er mussten aus dem Osten fliehen, haben alles verloren. Er selbst hat noch die letzten Kriegsjahre erlebt. Es war eine Generation, die tief traumatisiert war. Das heißt, es wurden nie klare Worte gewechselt und Fragen nicht beantwortet. Die persönlichen Gedanken meines Vaters waren so geheimnisvoll wie seine Identität. Das war ich gewohnt, deshalb habe ich seine andere Seite, die er ja auch nie wirklich offenbart hatte, nur einmal thematisiert, als ich ihn mit seinem falschen Namen erwischt habe.

Hast du dich mit deiner Familie darüber ausgetauscht?

Nein, die wusste ja genauso wenig oder viel wie ich. Später, nach seinem Tod, haben wir hin und wieder über die Schwierigkeit gesprochen, dass er sein Leben lang eine Rolle spielen musste.

„Als Teenager habe ich die Gelegenheit verpasst, mit ihm ernsthafte Gespräche zu führen. Als Erwachsene bekam ich sie nicht mehr.“
Corinna von Bassewitz

Hast du beim Schreiben des Buches Facetten an dir festgestellt, die dir vorher nicht klar waren? Oder etwas an dir entdeckt, von dem du nichts wusstest?

Interessant war die Recherche. Ich fand rätselhafte Unterlagen und habe Dutzende der Briefe gelesen, die er an seine Mutter geschrieben hatte. Darin war auch einiges über mich als kleines Kind zu lesen. Das vergisst man selbst. Eine Facette, die immer wieder auftauchte: Ich habe immer alles verloren. Was ich auch nicht wusste: Ich war und bin in der Lage, strukturiert zu denken.

„An Informationen zu kommen war nicht einfach“

Warum war es dir nun ein Anliegen, ein Buch über das Thema zu schreiben?

Ich hatte nie das Anliegen. Es war einem Zufall zu verdanken. Im April 2020 erschien ein Artikel von mir bei der „GQ“, für die ich als Textchefin arbeite: „Mein Vater, der Geheimagent“. Ich hatte einer Kollegin gegenüber beiläufig erwähnt, dass mein Vater beim Geheimdienst tätig gewesen war, sie schlug das Thema vor. Der Hirzel Verlag kontaktierte mich und fragte, ob ich nicht ein Buch aus dem Thema machen wolle. Eine Biografie konnte es nicht werden, dafür wusste ich zu wenig über ihn. Aber ein Hybrid aus Sachbuch über den BND, etwas Familiengeschichte und erzähltem Leben. Ich nahm den Auftrag aus Neugierde auf Erkenntnisse an, die ich aus dem Leben meines Vaters ziehen könnte, und sah es auch als Herausforderung. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Briefe und Unterlagen noch nicht gefunden, noch nicht mit Leuten gesprochen oder Bücher über den BND zu Zeiten des Kalten Kriegs gelesen.

Ich bin im Rahmen meiner Recherchen auf verblüffende Dinge gestoßen, unter anderem, dass der Geheimdienst mutmaßlich Wahrsager konsultierte. Man muss dazu sagen: An Informationen zu kommen war zu der Zeit, die ich beschreibe (Ende 1950 bis Anfang 1980), nicht einfach. Das ging weitgehend über Auswerten von Zeitungen und Abhöranlagen und Aushorchen von Mitmenschen. Außerdem war es spannend, anhand der Briefe meinen Vater besser kennenzulernen. Er ist vor vielen Jahren viel zu jung gestorben. Als Teenager habe ich die Gelegenheit verpasst, mit ihm ernsthafte Gespräche zu führen. Als Erwachsene bekam ich sie nicht mehr.

„Ich bin keine Schriftstellerin, ich bin eine Autorin“

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„Das Geheimnis meines Vaters“ ist im Hirzel Verlag erschienen (©Hirzel Verlag)

„Das Geheimnis meines Vaters“ ist dein zweites Buch. Worum ging es im ersten?

Das erste „Berlin – Reisen kennt kein Alter“ ist ein Reiseführer über Berlin für eine ältere Zielgruppe. Es war eine Auftragsarbeit von Callwey. Hat Spaß gemacht, weil ich mich in Berlin nicht sehr gut auskenne und mich auch in dem Fall die Neugierde trieb. Fact Checking machten meine Berliner Freunde.

Du bist aber nicht nur Buchautorin, sondern arbeitest vor allem freiberuflich als Journalistin für Lifestyle-Magazine. Welches sind deine Themenschwerpunkte?

Reportage, Interviews, Reisen, Beauty, Gourmet.

Inwiefern unterscheidet sich das Schreiben eines journalistischen Textes vom Verfassen eines Buches?

Für ein Buch kann man ausschweifend sein, poetischer, wenn es erforderlich scheint. Ich denke, beide Bücher, die ich geschrieben habe, zeigen journalistische Züge. Ich bin keine Schriftstellerin, ich bin eine Autorin, die zufälligerweise, aber mit großem Spaß, zwei Bücher verfasst hat.

Die nächste Idee ist schon da

Wie kommst du auf die Ideen für deine Texte? Ist der Ausgangspunkt in erster Linie etwas in dir selbst oder kommt die Eingebung eher von außerhalb?

Seit ich freiberuflich arbeite (seit fünf Jahren) habe ich das Glück, dass Redaktionen mit Themen auf mich zukommen. Es ist nicht leicht, Artikel unterzubringen. Das weiß ich aus meiner Erfahrung als festangestellte Redakteurin bei verschiedenen Magazinen, als mir von freien Autoren Geschichten angeboten wurden. Redaktionen haben eine eigenwillige Dynamik. Aktuell bin ich, neben dem Verfassen von Artikeln, Textchefin bei „GQ“.

Arbeitest du bereits an einem neuen Buch? Kannst du schon etwas darüber verraten?

Nein. Ich habe eine Idee, die aber noch nicht ausgegoren ist. Eines ist sicher: Falls ich noch einmal ein Buch schreiben sollte, wird es keine Auftragsarbeit sein. Beim nächsten Mal möchte ich mir alle Freiheiten erlauben.

„Das Geheimnis meines Vaters“ von Corinna von Bassewitz, Hirzel Verlag, 160 Seiten, 22 Euro

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