Pascal Mathéus von der Buchhandlung Wassermann: „Das Lesen von Büchern ist unverwüstlich“

Die Buchhandlung Wassermann gilt als eine der schönsten Hamburgs und hat infolgedessen den Hamburger Buchhandlungspreis 2024 gewonnen. Ein Gespräch mit Inhaber Pascal Mathéus über Buchtrends, Lieblingsbücher und TikTok
Inhaber der Buchhandlung Wassermann: Pascal Mathéus (©Jess Meyer)

SZENE HAMBURG: Pascal Mathéus, für diejenigen, die eure Buchhandlung an der Elbchaussee noch nicht kennen: Was macht die Buchhandlung Wassermann aus?

Pascal Mathéus: Unsere Buchhandlung wurde 1848 in Templin gegründet und ist damit Hamburgs älteste unabhängige Buchhandlung. Wir sind DIE Buchhandlung für das „Dorf“ – wie die Blankeneser ihren Stadtteil nennen. Mit unseren besonderen literarischen Büchern und unserem hochklassigen Veranstaltungsprogramm sind wir aber weit darüber hinaus als DER literarische Leuchtturm im Hamburger Westen sichtbar. Seit diesem Jahr gibt es zudem mit dem von uns veranstalteten Festival „Herbstlese Blankenese“ eine weitere, spektakuläre Besonderheit: Vom 5. bis zum 20. September dieses Jahres haben bei uns über fünfzig Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus ihren Büchern gelesen – sehr zur Freude der 2500 Besucherinnen und Besucher! Nächstes Jahr gibt es vom 5. bis zum 14. September die zweite Auflage mit noch mehr Veranstaltungen.

Ihr betreibt den Laden zu viert, richtig?

Florian Wernicke und ich sind die Inhaber der Buchhandlung. Daneben haben wir eine fest angestellte Kollegin, Cathrin Stenzel, und mit Doro Kaltenbacher, eine nicht wegzudenkende Aushilfe.

Buchhandlung Wassermann: Preisträger 2024 

Ihr habt in diesem Jahr als eine von drei Buchhandlungen in Hamburg den Hamburger Buchhandlungspreis gewonnen. Weshalb ist euch diese Ehre zuteil geworden?

Eine wirklich große Ehre! Wir denken, dass unsere Veranstaltungen ein wichtiger Baustein waren. In den letzten zwei Jahren waren etwa Sir Christopher Clark, Elke Heidenreich, Zeruya Shalev oder Michel Friedman bei uns zu Gast. Zudem haben wir die Geschichte unserer Buchhandlung umfassend aufgearbeitet, was schließlich zur Umbenennung des Geschäftes führte. Es stellte sich nämlich heraus, dass der bisherige Namensgeber eine verschwiegene NS-Vergangenheit hatte, während die eigentliche Gründerfamilie Wassermann vollkommen in Vergessenheit geraten war.

Hat eine solche Auszeichnung auch Auswirkungen auf eure Umsätze gehabt?

Der Werbeeffekt ist sicherlich spürbar. Zudem gibt es ein Preisgeld von 5.000 Euro, das wir gut für Investitionen im Geschäft gebrauchen können.

In Deutschland werden im Schnitt jeden Monat mehr als 5000 Bücher veröffentlicht. Nach welchen Kriterien sucht ihr aus, was ihr in euer Sortiment aufnehmt?

Eine große Hilfe ist die Vorauswahl der Verlage. Überhaupt kann gar nicht genug betont werden, wie wichtig die Betreuung eines Buches durch ein fachmännisches Lektorat ist. Allen anderen Büchern, die etwa im Selbstverlag erscheinen, merkt man das deutlich an. Aber auch unter der seriösen Verlagsware ist die Auswahl natürlich groß. Da hilft nur: Lesen. Und das machen wir gerne.

Ihr legt auch Wert auf eure Schaufenstergestaltung. Warum ist euch die wichtig?

Schaufenster sind die weithin sichtbare Visitenkarte eines Geschäftes, die Kunden interessieren und zum Betreten des Geschäfts animieren soll. Überdies kommt ein schön gestaltetes Schaufenster im besten Falle dem nahe, was man Kunst nennen kann. Diese schöpferische Arbeit macht uns, und vor allem unserer Mitarbeiterin Cathrin Stenzel, große Freude.

Von Onlineshops und Hörbüchern 

In Anbetracht von Smartphones und einem omnipräsenten Internetzugang wird insgesamt vermutlich mehr gelesen als je zuvor, der Wert eines Buches scheint gesamtgesellschaftlich – insbesondere bei jüngeren Menschen – jedoch abzunehmen. Nehmt ihr das ebenfalls so wahr?

Wir teilen diese Auffassung nicht. Man braucht nur TikTok zu öffnen, um beispielsweise auf das Phänomen BookTok gestoßen zu werden. Unter diesem Stichwort teilen junge Menschen ihre Begeisterung für Bücher. Verlage machen sich viele Gedanken und geben viel Geld dafür aus, um besonders schöne Bücher mit Farbschnitt und auffälligem Coverdesign zu gestalten. Nein, das Lesen von Büchern ist unverwüstlich.

In unserer heutigen Zeit des E-Commerce ist auch der Onlineversand wichtiger geworden. Auch ihr habt einen Onlineshop. Läuft der nur ein wenig nebenbei oder ist der bereits eine tragende Säule eures Geschäfts?

Wir haben die Buchhandlung 2022 als rein analoges Geschäft übernommen und eine digitale Infrastruktur überhaupt erst aufgebaut. Einen Onlineshop gab es von unserem ersten Tag an. Er entwickelt sich mit stetig steigenden Zahlen prächtig. Es ist wichtig, dass die Botschaft zu allen Menschen durchdringt: Bestellt eure Bücher gerne online, aber nicht bei den Marktriesen, sondern bei eurer Buchhandlung um die Ecke. Fast alle haben heute einen Onlineshop.

Wie ist eure Meinung zu Hörbüchern? Haltet ihr Hörbücher für einen adäquaten Ersatz, statt ein Buch selbst zu lesen?

Es gibt wirklich fantastische Hörbücher, die überhaupt eine Kunstform eigenen Rechts sind. Ein Buch selbst zu lesen hat jedoch nirgendwo sonst zu bekommende Vorteile: Nur beim Selbstlesen entstehen eigene Bilder im Kopf oder man verweilt vielleicht bei einem Satz und lässt die Gedanken schweifen. Ein von jemand anderem vorgelesener Text ist immer schon eine Interpretation. Auch interessant! Aber vielleicht verstellt sie einem den eigenen Weg zum Text. Selbstlesen ist ein intimer Vorgang.

Schaufenster sind die weithin sichtbare Visitenkarte eines Geschäftes

Pascal Mathéus

Geschenke kaufen in der Buchhandlung Wassermann 

Ihr betreibt, neben dem Buchhandel, auch den Literaturblog „Aufklappen“. Was hat es mit dem Blog auf sich und warum ist der wichtig?

Leider ist dort im Moment nicht mehr so viel los wie früher. Es gibt nämlich auch noch den „Blankeneser Bücherbrief“, unseren Newsletter, wo wir regelmäßig Lektüreempfehlungen geben. „Aufklappen“ ist ein tolles Projekt, das nun schon seit gut sechs Jahren existiert. Es erscheinen dort Rezensionen, Interviews und Essays zu literarischen Themen aller Art. Die Verknüpfung mit der Buchhandlung ist ein zusätzliches Angebot für unsere Kunden, die auch im Netz für mehr Sichtbarkeit sorgt.

Man würde annehmen, dass die Weihnachtszeit die umsatzstärkste im Buchmarkt ist – stimmt das? Welche Art Bücher werden denn traditionell gerne und viel zu Weihnachten verschenkt?

So ist es, wir machen circa zwanzig Prozent unseres Jahresumsatzes im Dezember. Besonders schöne Bücher wie etwa die leinengebundenen Hanser-Klassiker in Neuübersetzung sind ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Auch Kunst- oder Bildbände gehören dazu. Bei uns aber auch alles andere, was unsere Kundinnen und Kunden gerne verschenken, weil sie inhaltlich davon überzeugt sind.

Ihr als Experten: Was waren in diesem Jahr die Trends auf dem Buchmarkt? Und habt ihr schon eine Ahnung, was 2025 wichtig werden wird?

Ein unendlicher Vorzug der Literatur ist, dass sie ein langsames Medium ist. Sie ist nicht so sehr trendgetrieben wie andere Segmente unserer Gesellschaft. Trotzdem gibt es natürlich Tendenzen. Ehrlich gesagt kümmern wir uns aber gar nicht so sehr darum. Bei uns zählt die eigene Präferenz bei der Auswahl unserer Bücher. Wir kaufen vor allem das ein, was wir für gute Literatur halten. Das wird auch in Zukunft so bleiben!

Buchhandlung Wassermann empfiehlt: Buchtipps der Mitarbeitenden

Lieblingsbücher 2024

  • Pascal Mathéus: „Kleine Monster“ von Jessica Lind 
  • Florian Wernicke: „Intermezzo“ von Sally Rooney
  • Cathrin Stenzel: „Ins Holz gehen“ von Carlo Cassola
  • Doro Kaltenbacher: „Lichtungen“ von Iris Wolff

Geheimtipps

  • Pascal Mathéus: „Die Flucht nach Ägypten. Königlich-böhmischer Teil“ von Otfried Preußler
  • Florian Wernicke: „Planet ohne Visum“ von Jean Malaquais
  • Cathrin Stenzel: „Der Keim“ von Tarjei Vesaas
  • Doro Kaltenbacher: „Das Bett mit dem goldenen Bein“ von Zygmunt Skujins

Gute Geschenk-Bücher

  • Pascal Mathéus: „Heiterkeit“ von Axel Hacker
  • Florian Wernicke: „Altern“ von Elke Heidenreich
  • Cathrin Stenzel: „Kummer aller Art“ von Mariana Leky
  • Doro Kaltenbacher: „Wondrak für alle Lebenslagen“ von Janosch

Lieblingsbücher aller Zeiten

  • Pascal Mathéus: „Die Historien“ von Herodot
  • Florian Wernicke: „Licht“ von Christoph Meckel 
  • Cathrin Stenzel: „Malina“ von Ingeborg Bachmann
  • Doro Kaltenbacher: „Die Vögel“ von Tarjei Vesaas

Hier gehts zum Onlineshop der Buchhandlung Wassermann.

Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/2024 erschienen.

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