SZENE HAMBURG: Carsten Brosda, Hamburg ist eine Kulturmetropole mit großen, gut laufenden Häusern wie der Elbphilharmonie. Gleichzeitig stehen zahlreiche kleine Clubs, die die Kulturlandschaft ebenso prägen, regelmäßig vor dem Aus. Was läuft da schief?
Carsten Brosda: Dass es immer wieder zu Schwierigkeiten kommt, hat eine ganze Reihe von zum Teil strukturellen Gründen. So entstehen Clubs oft an Orten in der Stadt, die noch einen Entwicklungsprozess durchmachen. Genau der aber bedroht dann die Existenz des Clubs, wenn saniert wird, die Mieten steigen oder die Wohnbebauung näher rückt. Da sind wir immer wieder alle gefragt, neue Orte zu finden. Möglichst langfristig nutzbar und nicht bloß für den Übergang. Es würde helfen, wenn der Bund die rechtliche Lage dahingehend verändert, dass Clubs endlich auch als Kultureinrichtungen anerkannt werden und nicht bei Konflikten regelmäßig den Kürzeren ziehen müssen.
Sind Ihnen als Kultursenator komplett die Hände gebunden, wenn Dritte kommen und wie zuletzt die Sternbrückenclubs und das Molotow vertreiben?
Wenn ein Privateigentümer auf seinem privaten Grundstück ein Hotel bauen will und das Planrecht das zulässt und dadurch ein Club verdrängt wird, kann ich das als Kultursenator schlecht finden, habe aber rechtlich keine Handhabe, das zu verhindern. Ähnlich ist es, wenn eine zentrale Bahnbrücke nach sehr langer Nutzung erneuert oder so sehr verstärkt werden muss, dass Clubflächen wegfallen. Was wir aber tun können, ist, alle zusammenzuholen und zu versuchen, neue Flächen zu finden. Bei dem Molotow und den meisten Sternbrückenclubs ist das gelungen.
Carsten Brosda über finanzielle Förderung für Clubs
Was Sie mit in der Hand haben: die Sicherstellung der Kulturförderung. Sehen Sie kleine Spielstätten aktuell genauso gut unterstützt wie große?
Wir erleben gerade, dass der Kostendruck für die Clubs allgemein zunimmt. Personal und Energie werden immer teurer und die Besucher trinken ihr Bier immer häufiger lieber am Kiosk und nicht im Club. Auch dadurch gehen wichtige Einnahmen verloren. Hier versuchen wir für alle Clubs gegenzusteuern, indem wir zum Beispiel den Live Concert Account auf 350.000 Euro erhöht haben. Für die nächsten beiden Jahre hat die Bürgerschaft eine zusätzliche Strukturförderung für die Livemusikszene und die Nachwuchsförderung über 1,3 Millionen Euro beschlossen. Finanziell hilft aber sicherlich am meisten, dass wir zunehmend zusammen mit der Bürgerschaft die Clubs bei anstehenden Sanierungen, wie zum Beispiel jüngst beim Gruenspan unterstützen. Da stellt die Stadt inzwischen jedes Jahr Millionen zur Verfügung.
Vor einem Jahr sagten Sie SZENE HAMBURG, das Geschäftsmodell der Clubs funktioniere nicht mehr, das Publikum hätte sich während Corona abgewöhnt, regelmäßig in den Clubs vorbeizuschauen, und die Kulturbehörde prüfe Unterstützungsmöglichkeiten. Was ist seitdem konkret passiert?
Neben der signifikanten Erhöhung der Förderung ist noch die Einrichtung des Runden Tisches „Nachtleben und Nachbarschaft“ wichtig. Die Kulturbehörde lädt seit letztem Jahr regelmäßig Vertreter aus den Bezirken, Behörden, städtischen Unternehmen und Interessengruppen ein, um gemeinsam Wege zur Verbesserung der Situation von Clubs zu besprechen. Das entwickelt sich sehr gut, weil jetzt alle an einem Strang ziehen und man Nutzungskonflikte frühzeitig erkennt und schnell gemeinsam nach Lösungen suchen kann. Mein Eindruck ist, dass bei allen Akteuren das Bewusstsein für die Anliegen der Clubs stark gestiegen ist.
Ich bin zuversichtlich, dass Live-Musik nie an Faszination verlieren wird
Carsten Brosda
Faire Bezahlung ist unerlässlich
Mit dem Doppelhaushalt gibt es für die Hamburger Kulturlandschaft elf Prozent mehr Geld in den Jahren 2025 und 2026. Wer profitiert davon in Ihren Augen am meisten?
Das geht zu einem großen Teil in die Ausfinanzierung von Löhnen und Gehältern und der erheblichen Steigerungen bei den Betriebskosten. Das ist uns aber auch wichtig, denn im Kulturbetrieb wird seit Jahrzehnten zum Teil weit unter Wert großartige und wichtige Arbeit geleistet. Hier ist es dringend notwendig, dass wir auch zu einem System kommen, dass dies fair bezahlt wird. Zudem schaffen wir Luft für die kreative Arbeit, wenn wir hier zu einer verlässlichen Unterstützung kommen.
Stellen Sie sich vor, es wären nicht elf, sondern 22 Prozent: Wo würden Sie das Geld am liebsten unterbringen?
Immer und immer wieder in mehr Räume für die Kultur. Es gibt so viele tolle Ideen in den Köpfen der vielen Kreativen in der Stadt. Hier die Räume zu schaffen, in denen die Ideen auch umgesetzt werden können, das ist unser Ziel.
Ebenso wie kleine Häuser sind vergleichsweise kleine Künstlerinnen und Künstler ständig existenzbedroht. Konzertbesuchende investieren mittlerweile eher in ein großes Event als in mehrere kleine. Sie zitieren in den sozialen Medien gerne mal Songzitate, auch eins von Bernd Begemann war schon dabei: „Jetzt dürfte klar sein, die Zuschauer sind nicht in Sicherheit.“ Momentan wirkt es jedoch so, als seien Clubs und Kulturschaffende nicht in Sicherheit – oder täuscht der Eindruck?
Wenn ich in andere Städte gucke, mache ich mir da auch Sorgen. In Hamburg haben wir in einem guten Miteinander und mit einem tiefen Verständnis für den Wert der Kultur zum Glück recht gute Rahmenbedingungen für die Kultur hinbekommen. Eine tiefe Verunsicherung droht aber auch von ganz anderer Seite. Zunehmend gerät Kultur auch gerade von Extremisten unter Druck, die die Freiheit der Kunst einschränken wollen. Hier müssen wir sehr aufpassen, dass die Vielfalt und Freiheit der Kultur, die Grundlage unserer offenen Gesellschaft ist, weiter in Sicherheit ist.
„Wieder Lust auf Kultur machen“
Und was tun Sie, um den Rückgang bei Ticketverkäufen für kleinere Shows zu entschleunigen, ja bestenfalls zu beenden?
Mit der steigenden Unterstützung auch im Bereich der Live-Musik können wir versuchen, den Preisdruck etwas zu bremsen. Vor allem aber wollen wir zum Beispiel mit unserer Kulturmarketingkampagne zusammen mit Hamburg Marketing und den Kultureinrichtungen wieder Lust auf Kultur machen. Denn letztlich haben wir es alle auch selbst in der Hand, indem wir zum Beispiel nicht nur einmal ein Mega-Konzert besuchen, sondern für das gleiche Geld vielleicht lieber dreimal zu einem Konzert in einen Club gehen.
Kurze Prognose zum Schluss. Ein Sprung ins Jahr 2035: Wie wird es wohl um Clubs wie Hafenklang, Molotow und Co. sowie die derzeit dort auftretenden Künstlerinnen und Künstler stehen?
Einige werden sich sicherlich neu erfunden haben, weil sich natürlich auch hier die Welt immer weiterdreht. Ich bin aber zuversichtlich, dass Live-Musik nie an Faszination verlieren wird. Es gibt kaum etwas Schöneres, als mit anderen Menschen zusammen und einem Bier in der Hand die Kraft der Musik im ganzen Körper zu spüren. Oder wie es der großartige Gisbert zu Knyphausen in dem Song „Das Leichteste der Welt“ so schön singt: „Dann kommt ein Schlagzeug rein und treibt den Beat bis hinter meine Ohren / Ein Bass umgarnt die Bass Drum, eine Gitarre drängt nach vorn…“