Chains – Immer laut, immer forsch!

Chains-Kuratorinnen: Jana Federov (links) und Carina Lue. Foto: Nikolaj Rohde

Ein neuer Club auf dem Kiez widmet sich internationalen Subkulturen des HipHop. SZENE HAMBURG sprach mit den Macherinnen Carina Lue und Jana Federov.

Ein eiskalter Freitagabend auf der Reeperbahn. Draußen prangt kein Schild, nur die Hausnummer „25“ weist den Weg. Hier, in den Räumen des ehemaligen Neidklubs, ist jetzt das Chains beheimatet. Der schwarz getünchte Raum im zweiten Stock ist kaum gefüllt, als wir um halb zwölf vorbeischauen. An den Wänden prangen in schnörkeliger Schrift HipHop-Zitate, „Only god can judge me“ darf da nicht fehlen. Aggressive, aber nicht unangenehme Sounds kommen aus den Boxen. „Treaggaeton“ nennen die Macherinnen den Style, der diesen Freitag gespielt wird, eine Mischung Trap und Reggaeton, die aber auch Platz für Grime, Dancehall und Latin lässt.

Seit Anfang Januar machen die beiden Endzwanzigerinnen jeden Freitag Partys im Haus 25. Jana Federov und Carina Lue kuratieren das Chains. Als Designerin kümmert sich Jana alias Xuli um die Raumgestaltung, Carina aka Cri$pyC legt als Resident DJ auf. Hier finden Sounds statt, die angesagt sind, aber auch ein wenig radikaler als das, was unter dem Sammelbegriff „HipHop“ im Radio und bei den angesagten Playlists läuft. Mit sichtlicher Begeisterung sprechen die beiden von ihrer Liebe zur Musik und einer Club-Kultur, die anders ist: Man setzt auf fette Beats und Streetwear, geht aber gleichzeitig entschieden gegen Rassismus und Sexismus vor. Das Gespräch beginnt mit dem Kunst-Hintergrund der Frauen: Carina studiert an der Hochschule für Bildende Künste, Jana studierte an der HAW, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Es ist halb zwei in dieser Freitagnacht im Chains, die Stripperin hat kurzfristig abgesagt. Dafür steht nun Lizz, eine stark geschminkte Frau mit hellgelb gefärbten Haaren und Pelzmantel hinterm DJ-Pult und legt derbe Beats auf, aber auch traditionellen Cumbia aus ihrer Heimat Chile. Der Club hat sich gefüllt, eine entspannte Grundstimmung herrscht, die Hälfte des Publikums besteht aus Frauen. Menschen aller Hautfarben tummeln sich auf dem Dancefloor, es wird geflirtet, Zigaretten werden geschnorrt: Toleranz statt Proll-Gehabe.

SZENE HAMBURG: Mit Cap, Kapuzenpulli und Trainingshose entsprecht ihr nicht unbedingt dem typischen Bild von Kunststudenten.
Carina: Stimmt, als ich vor zehn Jahren nach Hamburg kam, hatte ich nicht viele Freunde. Ich war eher Außenseiter an der Uni, unter all den Mädels mit Anzughose und Lederschnürstiefeln. Ich war denen immer zu prollig mit meinen HipHop-Freunden.
Jana: So richtig habe ich zum typischen Studentenleben an der HAW nicht gepasst. Ich war immer ein bisschen zu laut, immer zu forsch. Viele konnten mich einfach nicht einordnen. Und dann kamen dumme Sprüche, weil ich auf Rap-Partys ging. „Yo, Jana, Gangsta, yo“, das war die Standardreaktion. HipHop war vor zehn Jahren einfach nicht cool. Jetzt fangen auch Mainstream-Künstler an, sich für Trap und Grime zu interessieren.

Was kam nach der Uni?
Carina: Ich bin noch da, ich bin die Langzeitstudentin von uns beiden. Ich habe zuerst Literatur und Philosophie studiert, jetzt promoviere ich zu den Themen neue Technologien und Virtual Reality.
Jana: Nach meinem Bachelor im Kommunikationsdesign habe ich direkt angefangen, selbständig zu arbeiten. Ich hatte keine Lust, für 400 Euro im Monat in einer Agentur meine Seele zu verkaufen. Ich habe dann bald Design- Aufträge bekommen. Viel Geld gab es nie, aber dafür war ich unabhängig. Im Bereich Kalligrafie und Typografie ar- beite ich bis heute. Und dann gab’s noch die Musik Projekte.

Dafür werdet ihr auch auf der Reeperbahn unterwegs gewesen sein. Man hört immer wieder, dass Menschen mit anderer Hautfarbe dort Schwierigkeiten haben, in Clubs zu kommen.
Carina: Das Wort „Schwarzkopf “ habe ich auf der Reeperbahn zum ersten Mal gehört. Es bezeichnet Menschen mit bestimmten Merkmalen, nicht nur Nordafrikaner, die generell nicht in Clubs gelassen werden. Bei uns ist das anders, unsere Türsteher sind auch entsprechend gebrieft.

Wie ist das mit den Typen, die mit Geldscheinen wedeln?
Carina: Tja, Jungs mit Geld, Mädels mit High Heels – so funktioniert die Reeperbahn.Wir haben eine ganz klare Clubpolitik. Grölende Anzugjungs, die 200 Euro auf den Tisch knallen, kommen nicht rein. Junggesellenabschiede auch nicht, Nazis sowieso nicht.
Jana: Wir beziehen übrigens alle Arten von Frauen mit ein, nicht nur linke Feministinnen. Wir arbeiten auch mit Stripperinnen.
Carina: Manche leben so ihre Sexualität aus. Eine Frau, die strippt, ist nicht automatisch ein Opfer. In den USA ist Strippen ein Sport, das sind leidenschaftliche Tänzerinnen, tolle Frauen, die Macht haben.

Läuft euer Club schon gut?
Carina: Wir sind zufrieden, sind aber noch am Anfang. Natürlich könnten wir etwas machen, von dem wir wissen, dass es sofort funktioniert. Aber das ist künstlerisch uninteressant. Es ist etwas anderes, ob man HipHop von Charts-Playlists spielt oder Experimentelles aus ausländischen Subkulturen. Auf der Reeperbahn gibt es kommerzielle Strukturen, die haben mittlerweile entdeckt, dass auch Trap funktioniert. Wenn wir dagegen irgendwo am Strand eine Unterart von Samba hören, versuchen wir herauszufinden, wer das ist. Das ist ganz organisch.
Jana: Ausländische Acts können wir uns nur durch Sponsoren leisten. Wir buchen viele DJs auf Freundschaftsbasis. Aber wenn es nicht läuft, fange ich nicht an zu heulen und fange in einer Werbeagentur an. „Get rich or die tryin’“, sagte schon 50 Cent.

Chains, Reeperbahn 25, Freitags ab 23 Uhr

„Only God can Judge me.“ Foto: Nikolaj Rohde

Text und Interview: Jan Paersch


 Dieser Text ist ein Auszug aus SZENE HAMBURG, April 2018. Das Magazin ist seit dem 29. März 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!

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