Zurück ins Club-Glück

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Fühlt sich wie früher an: Ausgelassen tanzen in den Clubs (Foto: Erik Brandt-Höge)

Auf ein Neues: Endlich machen Hamburgs Clubs wieder auf. Carsten Brosda, Senator der Behörde für Kultur und Medien, im Gespräch über die Spuren des vergangenen Corona-Winters und das Tanzen in Zeiten weltpolitischer Krisen

Interview: Anna Meinke

SZENE HAMBURG: Carsten Brosda, am 4. März 2022 öffneten Hamburgs Clubs ihre Türen erneut. Unter 2G+-Bedingungen darf seitdem ohne Maske gefeiert werden. Haben Sie die neue Freiheit schon ausgenutzt und mal wieder so richtig das Tanzbein geschwungen?

Carsten Brosda: Noch nicht. Ich bin ohnehin eher einer von denen, die bei einem Konzert mit einem Bier in der Hand im Raum stehen und die Musik aufsaugen. Ich freue mich aber sehr, dass endlich wieder die Clubkultur gefeiert werden kann!

Gleichzeitig wurde Hamburg am 30. März zum Corona-Hotspot erklärt. Haben Sie trotzdem ein gutes Gefühl dabei, das Feiern wieder möglich gemacht zu haben, oder ist Ihnen auch ein wenig mulmig zumute?

Es ist gut, dass Hamburg angesichts der noch immer hohen Infektionszahlen vorsichtig ist. Schließlich ist Corona noch nicht vorbei, die Infektionszahlen sind hoch. Mit wenigen Maßnahmen können wir uns vergleichsweise wirksam schützen. Neben der Notwendigkeit zum Impfen ist es deshalb klug, auch weiterhin vorsichtig zu sein, gerade auch damit der ganze Wahnsinn nicht im Herbst wieder von vorne beginnt.

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„Viele haben in den letzten Monaten gemerkt, was alles fehlt“, sagt Kultursenator Carsten Brosda (Foto: Bertold Fabricius)
„Viele haben in den letzten Monaten gemerkt, was alles fehlt“, sagt Kultursenator Carsten Brosda (Foto: Bertold Fabricius)

Das Personalproblem

Nach dem zehnwöchigen Winterschlaf ist das Bedürfnis bei vielen groß, sich ins Getümmel zu stürzen und die Nächte durchzutanzen. Was zeigt denn die Erfahrung der letzten Wochen – gibt es gerade eine regelrechte Party-Explosion?

Mein Eindruck ist schon, dass viele in den letzten Monaten gemerkt haben, was alles fehlt, wenn diese Orte wegfallen, an denen wir mit anderen zusammenkommen. Wir sehen das auch in anderen Kultureinrichtungen. Es macht einen Unterschied, ob ich auf dem Sofa Netflix gucke oder ob ich zum Beispiel im Theater ein einmaliges Live-Erlebnis habe. Und dann steht man im Anschluss mit anderen Menschen zusammen und tauscht sich aus. Das gilt natürlich erst Recht für Clubs, die ja gerade von dieser physischen Enge leben. Ich hoffe sehr, dass wir uns dieses Bewusstsein für den Wert des gemeinsamen Erlebens bewahren!

Irgendwelche nennenswerten Corona-Ausbrüche?

Wie gesagt: Generell sehen wir, dass die Zahlen weiter hoch sind und wir noch vorsichtig seien müssen. Insofern ist es gut, dass wir in den Clubs weiterhin die 2G+ Regelung gilt. Mein Eindruck ist, dass wir damit die Situation derzeit ganz gut im Griff haben.

Und wie sieht es hinter den Bars, am Eingang und an der Club-Garderobe aus? Machen sich Fachkräftemangel und Personalnot bemerkbar?

Das ist ein echtes Problem. Darum ist es auch gut, dass zum Beispiel die Clubs auf dem Kiez jetzt mit einer Kampagne gezielt Personal ansprechen. Daher war uns aber auch wichtig, dass wir mit unseren Hilfen immer so weit wie möglich nicht nur Einnahmeausfälle gezahlt haben, sondern vor allem weiter das Veranstalten unter Corona-Bedingungen ermöglichen wollten. So konnte wenigstens ein Teil des Personals gehalten werden.

„Ich wünsche mir, dass diese Corona-Generation jetzt durchstartet“

Also, alles wie immer, getreu dem Motto „The Kiez is back“?

Ich bin mir nicht sicher, ob unser Ziel sein sollte, dass einfach alles zum Alten zurückkehrt. Wir können ja auch aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre lernen und manches besser machen. Vielleicht gehen wir mit den Kulturorten ja jetzt auch viel bewusster um und erkennen zum Beispiel den großen Wert der vielfältigen Clubkultur in der Stadt. Das wünsche ich mir jedenfalls. Vor allem aber muss sich das Publikum seinen Kiez jetzt wieder zurückerobern und mit Leben füllen. Man muss sich ja vor Augen führen, dass da jetzt auch eine Generation die Clubkultur ganz neu erleben wird, die eigentlich in den letzten Jahren die Nächte hätte erobern sollen, stattdessen aber zu Hause bleiben musste. Ich wünsche mir sehr, dass diese Corona-Generation jetzt durchstartet und die Erfahrungen machen kann, die man in dem Alter machen muss!

„How can we dance when our world is turning? How do we sleep while our beds are burning?“

Midnight Oil

Es hätte so schön sein können – bundesweit sinken die Fallzahlen und es darf endlich wieder getanzt werden. Doch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stellt sich die Frage, inwiefern eine hemmungslose Feierei gerade überhaupt möglich ist. Gegen den Weltschmerz antanzen – ist das eine gute Idee?

In meiner Jugend haben Midnight Oil gefragt: „How can we dance when our world is turning. How do we sleep while our beds are burning.“ Die Frage stellt sich immer wieder. Aber die Geschichte zeigt ja auch, dass gerade die Popkultur Veränderung fördern kann. Deswegen finde ich die Idee, gegen den Weltschmerz anzutanzen, eigentlich recht schön. Auch das bedeutet ja, diesem Wahnsinn unsere Haltung von einer freien Kultur entgegenzustellen. Aber ich gebe zu, dass das schwerfällt – und dass die Form immer wieder überprüft werden muss.

Momente der Gemeinschaft

Welchen Stellenwert haben das gemeinsame Feiern und Live-Musik-Erlebnisse Ihrer Meinung nach? Und was bleibt vielleicht auf der Strecke, wenn wir nicht tanzen gehen können?

Für mich sind das Momente, in denen Gemeinschaft spürbar wird. Kae Tempest beschreibt in ihrem Buch „Verbundensein“, dass sich bei einem Konzert sogar der Puls der Anwesenden angleicht. Das Wissen darum, dass wir einander brauchen und aufeinander reagieren, ist wichtig.

Ich finde die Idee, gegen den Weltschmerz anzutanzen, eigentlich recht schön.

Kultursenator Carsten Brosda

Clubbetreiber:innen beklagten in den vergangenen zwei Jahren vielfach eine gewisse Leichtfertigkeit, die den Umgang der Politik mit der Schließung von Clubs vermeintlich prägte. Kommt mit der „neuen Feierei“ auch eine neue, vielleicht absehbarere Corona-Strategie für die Kulturszene?

Da haben wir in den letzten Monaten schon eine Menge voneinander gelernt. Ich denke noch mit Schrecken an die ersten Corona-Verordnungen, in denen die Kultur mit Freizeiteinrichtungen und Puffs auf eine Stufe gestellt wurde. Das hat zu Recht einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Inzwischen wird der besondere Stellenwert der Kultur erkannt. Bund und Länder haben auch deutlich gemacht, dass es sehr genauer Begründungen bedarf, wenn die Freiheit der Kunst eingeschränkt wird. Mit Blick auf die Live-Musik macht mir Mut, dass die neue Bundesregierung nun erstmals Clubs als Kulturorte anerkannt hat und auch entsprechend schützen will. Wir in Hamburg wissen schon lange, wie wichtig eine lebendige und vielfältige Club-Szene für die Kultur ist. Da kann es nur helfen, wenn da künftig Bund und Länder mit der Szene an einem Strang ziehen.


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