Fast jeder Lebensbereich ist von der aktuellen Corona-Krise betroffen. Wie Hamburgs Nachtleben mit der Situation umgeht, erklärt Terry Krug, einst Besitzerin der legendären Tanzhalle, Gründungsmitglied des Clubkombinats, Restaurantbetreiberin und Vorsitzende der Clubstiftung
Interview: Ole Masch
SZENE HAMBURG: Terry, was macht eine Clubstiftung?
Terry Krug: Die Stiftung zur Stärkung privater Musikbühnen Hamburg, wie sie richtig heißt, ist eine gemeinnützige Organisation, die laut Satzung den Auftrag hat, die musikalische Attraktivität der Hansestadt Hamburg zu sichern. Ziel der Stiftung ist es, mit Fördermodellen die erheblichen Kosten für die Hamburger Musikclubs abzumildern und eine stetige Kompetenzerweiterung der Betreiberinnen und Betreiber zu begleiten.
Und in der heutigen Zeit?
Wir haben in den letzten Jahren mit der Clubstiftung und dem Clubkombinat Organisationen aufgebaut, die ein großes Vertrauen in der Szene genießen. Das Netzwerk lebt von persönlichen Kontakten und einem solidarischen Netzwerk. Das hilft jetzt ungemein. Sichtbar wird das gerade bei all den verschiedenen Charity-Aktionen der Clubs, die zu kollektiven Spenden in den gemeinsamen S.O.S. – Save Our Sounds-Rettungsfonds aufrufen.
Wie funktioniert der Fond?
Mit unserer Kampagne sammeln wir Gelder, um ein Clubsterben von unbekanntem Ausmaß zu verhindern. Am bekanntesten ist sicherlich die Aktion „United We Stream“, gestreamte Konzerte und DJ-Sets. Wir haben aber auch einen Onlineshop, in dem wir zum Beispiel die hübschesten Bandanas der Welt verkaufen. Übrigens das Corona-Accessoire schlechthin, wunderbar als Maske zu nutzen.
Oder man gönnt sich zwischendurch mal ein Soli-Bier. Wir kooperieren auch mit vielen tollen Partnern: Weltbekannte DJs wie Solomun rufen ihre Fans zur Unterstützung der Hamburger Szene auf. Unendlich viele Künstler unterstützen das digitale Kulturprogramm unserer Clubs. Kleine Getränkeproduzenten und Lieferanten tun sich zusammen, um sich selbst zu helfen und uns dabei zu unterstützen. Wir erfahren durch viele Aktionen eine sehr breite Unterstützung. Das tut gut. An dieser Stelle ein großes Dankeschön.
Wie viel Geld ist bis jetzt zusammengekommen?
Wir konnten bis Ende März mehr als 120.000 Euro an Spendengeldern generieren. Die Zählung für den April läuft aktuell noch. Wir hoffen, dass wir die vorherige Summe am Ende des Monats toppen können.
Gestärkt in die Zukunft starten
Hat eine erste Auszahlung bereits stattgefunden?
Leider nein. Mit der Ausschüttung dieser Gelder hat die Stiftung, ähnlich wie viele andere gemeinnützige Organisationen gerade steuerliche Herausforderungen zu bewältigen, die wir im Vorfeld leider so nicht gesehen haben. Corona kommt ja nicht alle Tage.
Wir als Stiftungsvorstand arbeiten aber gerade auf Hochtouren – gemeinsam mit der Behörde für Kultur und Medien und der Finanzbehörde – an einer Lösung. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir zeitnah ausschütten können, denn das Geld wird dringend benötigt.
Wie geht es danach mit der Kampagne weiter?
Unser Fokus liegt derzeit darauf, alles dafür zu tun, dass die staatlichen Hilfen die Live-Clubs über den anstehenden Sommer retten und dass die privaten S.O.S.-Hilfen insbesondere bestehende Förderlücken füllen können.
Ich persönlich glaube, dass die Clubs in dem zwangsverordneten Sabbatical aber auch alles dafür tun sollten, um sich für die Zeit nach Corona fit zu machen. Jede freie Minute sollte genutzt werden, um sich weiterzubilden und das Geschäft neu aufzustellen. Die Krise könnte dann auch eine Chance sein. Ich kämpfe dafür, dass wir als Stiftung auch dafür Gelder einsetzen, um nach Corona gestärkt in die Zukunft zu starten.
Gibt es Clubs die bereits ganz schließen mussten?
Bisher liegen uns glücklicherweise noch keine Informationen dazu vor. Wir gehen im Moment auch nicht davon aus. Die ersten Soforthilfen von staatlicher Seite konnten sicherlich den einen oder anderen Club vor diesem Schritt bewahren. Aber der Wahnsinn ist noch lange nicht vorbei.
Es wird eine verdammt harte und lange Zeit auf die Spielstätten zukommen. Die Clubs waren die ersten, die von den Schließungen betroffen waren und werden die letzten sein, die wieder aufmachen. Kulturbetriebe sind äußerst fragile Gebilde und einem Biotop gleichzusetzen: Wenn es einmal tot ist, geht es unwiederbringlich verloren.
Welche Soforthilfen vom Staat gab es?
Wir in Hamburg können uns bisher wirklich glücklich schätzen. Die Behörde für Kultur und Medien hat die Livemusik-Spielstätten unter ihren Schutzschirm genommen. Die Clubs werden seit dem Ausbruch der Corona-Krise mit einer Soforthilfe in Höhe von 1,5 Millionen Euro unterstützt.
Diese Förderung ermöglicht den Kulturbetrieben, trotz der anhaltenden Schließungen, die laufenden Kosten wie Miete, Strom und Auslagen für Kurzarbeitergeld bezahlen zu können und wirken ergänzend zu den weiteren Hilfen aus Bund und Land. Eine Überkompensation soll damit ausgeschlossen werden. Wir sind dem Senat sehr dankbar für diesen Support, aber trotzdem müssen wir über die S.O.S.-Kampagne weiter Unterstützungsgelder sammeln.
Vitale und vielfältige Clubkultur halten
Wie lange reicht das Geld?
Ab Mai brauchen wir dringend eine Verlängerung der Hilfen. Die Clubs, die bisher noch liquide Mittel hatten, wird es nicht mehr geben. Ich bin davon überzeugt, dass nun ausnahmslos alle Musikclubs die Hilfen beantragen müssen.
Außerdem erhoffe ich mir, dass wir uns zusätzliche vermehrt Gedanken über Programme für die Zeit nach Corona machen. Noch besser wären nachhaltige Maßnahmen, die die Spielstätten auf diese Zeit vorbereiten und ihnen die nötigen unternehmerischen Kompetenzen vermitteln, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Für Veranstalterinnen und Veranstalter ohne feste Spielstätte wird es auch täglich schwerer. Ebenso für Künstlerinnen und Künstler und die vielen Soloselbständigen im Veranstaltungswesen, die eine vitale und vielfältige Clubkultur ausmachen. Bisher gibt es für diese Gruppe keine wirkliche Lösung. Hier sollte die Politik dringend nachbessern.
Gibt es schon Hinweise wie lange die Schließung der Clubs dauern wird?
Der Kultursenator hat öffentlich die Schließung der Clubs bis zum 30. Juni angekündigt. Wir begrüßen zunächst einmal diese Planungssicherheit.
Aber was bedeutet das?
Im Juli startet für alle die Sommerpause. Das ist die Zeit der Festivals und Outdoorevents. Große Veranstaltungen mit über 1.000 Personen sollen aber bis zum 31.8. untersagt sein. Es ist derzeit nicht absehbar, wann und unter welchen Auflagen die Clubs wieder ihre Türen für Publikum öffnen dürfen. Wir rechnen frühestens Anfang September damit.
„Wir wollen mit guten Ideen überraschen“
Welche Lösungsansätze seht ihr für eine Lockerung der Maßnahmen?
Das wird nicht einfach. Natürlich könnte man bestuhlte Konzerte veranstalten und die vorgeschriebenen Abstände einhalten. Auch sind Clubs selbstverständlich in der Lage, die erforderlichen Hygienemaßnahmen umzusetzen. Aber! Dies würde bedeuten, dass die Clubs einen erheblichen Teil ihrer Kapazität verlieren und sich das direkt in den Umsätzen widerspiegelt. Die Betriebskosten wären so sicherlich nicht zu decken, von Gewinnen mal ganz abgesehen.
Es sei denn, die Besucher wären bereit höhere Ticketpreise zu zahlen. Oder der Staat hilft weiter mit: Konzertkarten müssten subventioniert werden wie zum Beispiel in der Oper. In der Hochkultur sind die Mehrkosten auch schon vor Corona aus der Staatskasse getragen worden. Dies könnte ein spannender Ansatz sein.
Sind weitere Soli-Aktionen geplant?
Wir wollen hier nicht zu viel erzählen, sondern lieber weiter mit guten Ideen überraschen. So viel sei verraten: Wir werden den Soli-Webshop mit noch mehr Produkten bestücken. Täglich erreichen uns neue Offerten für Soli-Aktionen. Wir hoffen, auf einen breiten Support durch möglichst viele Schichten der Gesellschaft. Denn nur gemeinsam können wir unserer kulturellen Räume erhalten und damit nicht nur die kulturelle Vielfalt Hamburgs retten, sondern auch eine starke Demokratie und eine lebenswerte Gesellschaft schützen.
stiftung-private-musik-buehnen-hamburg.de
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