Die Schauspieler Jörg Pohl und Mirco Kreibich vom Thalia-Ensemble sind in dieser Spielzeit besonders auffällig gewesen. Auch in dieser etwas unausgegorenen Kafka-Inszenierung des gefeierten Haus-Regisseur Antú Romero Nunes spielen sie großartig auf
Adipöse, verkrüppelte Un-Wesen bevölkern das Dorf vor dem Schloss, sie sind mies, verschlagen, gewalttätig, pädophil und absolut fremdenfeindlich. Auch dem Publikum gegenüber gebaren sie sich widerwärtig. Frontal sprechen die Schauspieler zeitweise ihren Text in den Saal und machen so den Zuschauer zum Landvermesser K., der angeblich im Auftrag des Schlosses gekommen ist, um seine Arbeit zu machen. Auf bisweilen grotesk-komische Art versucht man ihn loszuwerden. Bezirpst, beschimpft, verlacht ihn und führt ihn an der Nase herum.
Kein schöner Ort, den der junge Hausregisseur Antú Romero Nunes heraufbeschwört, aber das hat bei dem Stoff wohl auch niemand erwartet. Die Inszenierung von Kafkas unvollendetem Text „Das Schloss“ beschäftigt sich im Gegensatz zu seinem Werk allgemein weniger mit gott-ähnlicher Bürokratie, vielmehr legt Nunes den Fokus auf Fremdenfeindlichkeit und Legitimation des Daseins. Dieser Teil ist sehr gelungen. Schön auch, dass das Stück zunächst nicht mit Bedeutung überfrachtet wird. Es ist eher bösartig verspielt. Als das Publikum vor einem absurden Dorftribunal sitzt und ein Rock mit Kopf auf einem Rollstuhl herangedribbelt kommt, lässt sich der Regisseur sogar zu einem Pupswitz hinreißen.
Merkwürdig nur, wie in der letzten Etappe sich plötzlich alles ändert: Die sieben Schauspieler werfen ihre wanstigen, hässlichen Körperkostüme ab. Die Figuren wirken jetzt noch grausamer, weniger mitleiderregend. Mirco Kreibich mutiert in einer gigantischen, zirkusreifen Leistung zu einem Käfer und dann zum Landvermesser K. Das Stück wird im Fast-Forward-Modus noch einmal durchgespielt und endet dramatisch, apokalyptisch, bedeutungsschwanger. Eine merkwürdige Wendung, die den Zuschauer, wie den Landvermesser im Schlussbild, im Schnee stehen lässt.
/ Kritik von Lisa Scheide erschienen am 07/2016 in SZENE HAMBURG
Thalia Theater, Premiere: 4.6.2016
Fotos: Armin Smailovic