Weihnachtsalben sind verpönt. Zu viele Künstler wollten bereits mit Coverversionen von Klassikern mal eben Kasse machen. Ganz anders: „Das Weihnachtsalbum“ von Deine Freunde. 15 neue Songs für die gesamte Familie hat das Trio aufgenommen. Deine Freunde-Sänger Lukas Nimschek erzählt, welche Rolle die derzeitige COVID-19-Pandemie dabei gespielt hat
Interview: Erik Brandt-Höge
SZENE HAMBURG: Lukas, es heißt, die Idee eines Deine Freunde-Weihnachtsalbums sei aus einer Langeweile heraus entstanden. Stimmt das?
Lukas Nimscheck: Wenn man eine Kinder-Band ist, wird einem ja ständig gesagt: „Macht doch mal Weihnachtslieder!“ Damit leben wir schon seit einigen Jahren. Wir haben allerdings nie die Zeit dafür gefunden und wollten ein Weihnachtsalbum auch aus einem eigenen Impuls heraus machen. Außerdem waren wir uns gar nicht sicher, ob wir ein Album machen können, das sich nur um Weihnachten dreht. Dann kam Corona, unsere gesamte Tour wurde abgesagt, und wir saßen plötzlich da und hatten nichts zu tun. Uns kam die Idee, zwei Weihnachtslieder aufzunehmen, die wir im Dezember ohne großen Wirbel auf Spotify hochladen wollten. Und als wir damit aber angefangen haben, ist alles irgendwie geflutscht. Und man muss dazu sagen: Es war Hochsommer, 35 Grad, und wir haben uns mit Glöckchen-Sounds beschäftigt (lacht). Herausgekommen sind 15 Weihnachtssongs. Hätte es also Corona nicht gegeben, hätte ein Weihnachtsalbum wahrscheinlich erst am Ende unserer Karriere gestanden.
Es ist ein sehr untypisches Weihnachtsalbum geworden, weil es nicht nur aus Cover-Versionen von Klassikern besteht. Gibt es denn Weihnachtsalben, die du sehr magst?
Es stimmt, ganz oft sind Weihnachtsalben da, um Kasse zu machen. Da covern dann Künstler das, was Frank Sinatra schon vor zig Jahren gecovert hat. Das war nicht unser Ansatz und stand auch nie zur Debatte. Wir haben ein klassisches Deine Freunde-Album gemacht, das sich um Winter und Weihnachten dreht. Und Weihnachtsalben, die ich mag … hmm … Madonna hat tatsächlich mal ein gar nicht so schlechtes gemacht. Und mein Lieblings-Weihnachts-Song ist auf jeden Fall „All I Want For Christmas Is You“ von Mariah Carey.
Was ist mit „Last Christmas“ von Wham?
Das ist der eine Weihnachts-Song, der echt nicht mehr geht. Der geht eigentlich schon so sehr nicht mehr, das man ihn wieder braucht (lacht).
Was läuft denn bei dir zu Hause zur Weihnachtszeit?
Oft jazzige Hintergrundmusik. Und ich mag alte, englische Weihnachtslieder wie „God Rest You Merry, Gentlemen“. Ich bin da also eher klassisch unterwegs.
Hast du außerhalb von Musik irgendwelche Weihnachtstraditionen?
Meine Oma liest immer eine freche Weihnachtsgeschichte vor.
Das Weihnachtsalbum von Deine Freunde setzt klare Statements
Inwiefern frech?
Sie ist eine ehemalige Lehrerein und sucht sich jedes Jahr eine freche Version der Weihnachtsgeschichte aus. Zum Beispiel eine aus der Sicht des Esels. Die liest sie dann ganz verschmitzt vor. Ansonsten ist meine Familie an Weihnachten nicht so supertraditionell. Meine Schwiegereltern hingegen schon. Die haben immer eine riesigen Baum, viel Schmuck, und der Kamin wird angemacht.
Zurück zu „Das Weihnachtsalbum“ von Deine Freunde. Darauf finden sich auch reichlich nachdenkliche Songs. Ihr macht euch textlich etwa Gedanken über Medien, den Klimawandel, den Wunsch nach generell mehr Respekt und Toleranz in der Gesellschaft. Gab es ein Thema während der Arbeit am Album, das euch besonders wichtig war?
Uns ist es immer wichtig, ganz klare Statements zu setzen – ohne dabei belehrend sein zu wollen. Einer unserer Lieblingssongs ist „Ein ganz normaler Sommertag“. Wir wollten einen Sommerhit auf dem Weihnachtsalbum haben, der ein Stück weit den Sound von „Miami“ von Will Smith transportiert, dabei aber auch unterschwellig den Klimawandel aufzeigen. Ich meine: Kinder, die jetzt fünf oder sechs sind, haben vielleicht noch nie Schnee gesehen. Weil es bei uns einfach nicht mehr richtig schneit. Ich bin mittlerweile 32 und kann mich an meine Kindheit erinnern, in der es jedes Jahr Schnee gab. Unser Album soll natürlich vor allem Spaß machen, aber wir wollen die Dinge auch beim Namen nennen.
„Die krassesten Schlitten“ ist dann ein Song, der nicht wirklich eine SUV-Hommage ist.
Nein. Im Rap gibt es ja immer dieses Auto-Representen, aber wenn man mal ganz ehrlich ist: Autos werden immer unwichtiger. Wir halten zwar aus einem mir nicht bekannten Grund daran fest, dass wir eine Auto-Nation sind, aber ich hoffe, dass ich es noch mitkriege, dass es keine Autos mehr im privaten Besitz gibt. Auch in diesem Song gibt es eine leichte unterschwellige Kritik am Sich-über-Autos-Definieren.
Aus dem Album sticht am Ende ein Song heraus: „XXL Wunschzettel“. Weil es darin um den Wunsch von mehr menschlichen Werten geht.
Auf jeden Fall. Wir spiegeln in unseren Liedern natürlich auch unsere deutsche Gesellschaft wieder. Und wir kommen jedes Jahr zur Frage: Was wünschen wir uns eigentlich noch? Ganz vielen von uns geht es ziemlich gut, auch jetzt, in einer Krisensituation. Aber: Unsere Gesellschaft wird immer lauter, immer roher, Leute schreien sich immer mehr an. Auch die Diskussionsbereitschaft schwindet. Deswegen ist es unser Wunsch, mehr Respekt zu haben, aufeinander zuzugehen, sich nicht nur in seiner eigenen Blase aufzuhalten und Meinungen einfach so wegzudiskutieren. Dieser Song ist dafür da, dass wir mehr in Kommunikation miteinander treten.
Es wird zum Weihnachtsalbum auch eine Web-Serie geben. Wie muss man sich die vorstellen?
Wir haben uns eine Kamera besorgt und in unserem Büro einfach losgedreht. In der Serie geht es um drei Wichtel, die uns in unserem Studio heimsuchen und uns, eine lustlose Band in Corona-Zeiten, überreden, ein Weihnachtsalbum zu machen.
„Das Weihnachtsalbum“ ist am 13.11.erschienen (Sturmfreie Bude/Universal)
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Dezember 2020. Das Magazin ist seit dem 28. November 2020 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!