Seit drei Jahrzehnten pflegt die Buchhandlung Samtleben die literarische Kultur – und steht dafür auf der Shortlist zur Wahl der Buchhandlung des Jahres
Es gibt sie noch, die Buchhandlungsflaneure, die bisweilen stundenlang vor Bücherregalen hin und her schlendern, ihren Blick in Hoffnung auf Neuentdeckungen über die Buch-
rücken schweifen lassen, hie und da ein Exemplar zücken und sich auch gerne mit ihrem Buchhändler des Vertrauens austauschen. Stephan Samtleben ist ein solcher Buchhändler, dem die Leser vertrauen.
Sein Laden im Literaturhaus am Schwanenwik 38 ist ein literarisches Biotop auf 40 Quadratmetern, eine Heterotopie, wie sie der Philosoph Michel Foucault beschrieb: ein Gegenort, an dem gängige Normen zumindest teilweise außer Kraft gesetzt sind. Denn Samtlebens Geschäft unterscheidet sich mit seiner bemalten Decke, dem Wintergarten und der gemütlichen Enge nicht nur bezüglich des Interieurs von Buchhandelsketten, auch die 8.000 Schriftwerke im Sortiment des gebürtigen Ostholsteiners stammen größtenteils von Autoren abseits des Mainstreams. Hans Joachim Schädlich, Peter Weber, Anselm Glück, Richard Hughes: Nie gelesen, geschweige denn davon gehört? Keine Schande, aber durchaus schade, wie Samtleben meint, schließlich gibt es außerhalb der Bestsellerlisten aufregende Welten zu entdecken. „Das Gespräch mit einem Text führt mich sehr stark weg von mir und dadurch zu mir hin. Ich bin lesesüchtig und ich deale mit einer Ware, die legal ist“, sagt der 63-Jährige über sich selbst.
Nun steht der Lesesüchtige gemeinsam mit neun weiteren Bücherstuben aus der Hafenmetropole auf der Shortlist zur Wahl der „Buchhandlung des Jahres 2016“. Im September vergibt die Kulturbehörde Hamburg nach 2014 zum zweiten Mal den mit 10.000 Euro dotierten Preis für kleine, inhabergeführte Buchgeschäfte, die sich um die bibliophile Kultur verdient machen und auch Literatur fernab des Massengeschmacks anbieten.
Der Preis ist sicherlich als politische Maßnahme zu verstehen, angesichts der zunehmenden Konzentration auf dem Buchmarkt. Als Stephan Samtleben 1989 seinen Laden eröffnete, gab es in Hamburg noch fast 200 Buchhandlungen, „mittlerweile hat sich die Zahl ungefähr halbiert“, erzählt er. Manche wurden aufgekauft, andere hielten der sich breitmachenden Konkurrenz durch große Ketten wie Thalia und den Internet-Handel Amazon einfach nicht stand. Bis zu 50 Prozent Mengenrabatt sollen diese von den Verlagen erhalten, Amazon besticht zudem durch bequeme Lieferungen. Allerdings gab es in letzter Zeit auch Gegenwind: Thalia und Hugendubel mussten Filialen schließen und ihre Flächen verkleinern, Amazon schadet sich öffentlich immens durch seine Personalpolitik sowie die gnadenlose Konditionsschraube beim Verhandeln mit Verlagen. „Und wenn manche Ketten mehr als 50 Prozent Non-Book-Produkte haben, spricht das auch eine Sprache“, sagt Samtleben.
Wie können kleine Buchgeschäfte aber langfristig mithalten, ohne in ein Nischendasein abzurutschen? „Durch Qualität“, ist er sich sicher. „Ich lebe davon, gute Tipps zu geben, aber ich bekomme auch ganz viel zurück von meinen Kunden: Sympathie, intensive Freundschaft, aber auch Informationen über Leseerfahrungen – das hat für mich eine große Qualität. Hier gibt es einen Austausch weit über das Buch hinaus“, erklärt der Buch-Dealer, der knapp 150 Stammkunden zählt. Dadurch entwickelt sein Geschäft eigene Dynamiken, die unabhängig vom Massenmarkt funktionieren.
An einen Untergang der kleinen Buchläden glaubt er deshalb nicht. „Wenn ich mir die Qualität meiner Kollegen ansehe, bin ich beeindruckt. Insofern hat der kleine Buchhandel eine große Chance“, sagt er zuversichtlich. Ganz Gallien ist also besetzt, nur ein kleines Dorf von unbeugsamen Nostalgikern hört nicht auf, dem bösen Eindringling Widerstand zu leisten? „Ich will keine Nischenpolitik betreiben, sondern guten Lesestoff verbreiten“, entgegnet Samtleben, „aber eben nicht unter Niveau. Die kleinen Buchhandlungen sind auf dem Buchmarkt das Salz in der Suppe, und das wird bleiben.“
Der Buchhandlungspreis 2016 wurde am Ende der „Langen Nacht der Literatur“ im September in der Hamburger Kunsthalle von Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler überreicht
Text & Foto: Ulrich Thiele
Buchhandlung Samtleben
Schwanenwik 38 (Uhlenhorst)
Mo-Fr 11–19, Sa. 11–16 Uhr
Telefon: (o4o) 220 51 45