„Der Hafen hilft“: Mit kleinen Dingen Großes bewirken

Seit fast 15 Jahren leistet der Verein Der Hafen hilft e. V. gemeinnützige Arbeit und engagiert sich in der Umverteilung von Sachspenden. SZENE HAMBURG hat die beiden Vereinsvorsitzenden in ihrem Spendenlager in Bahrenfeld besucht
Der Hafen hilft
Anja van Eijsden und Svenja Weil leiten den Verein Der Hafen hilft e. V. (©Marina Höfker)

Am Eingang des Zentrums für Soziallogistik in der Schnackenburgallee in Hamburg-Bahrenfeld fährt ein Kleintransporter vor. Zwei junge Frauen steigen aus und tragen eine Kiste nach der anderen in die geräumige Lagerhalle. „Wir haben auch noch Lampen, falls ihr die gebrauchen könnt“, sagt eine der beiden. Sie bringen aber nicht nur Lampen, sondern eine komplette Haushaltsauflösung vorbei. Jeden Mittwoch nimmt „Der Hafen hilft“ hier Sachspenden in Empfang. Seit 2009 bringt der Verein die Bedarfe sozialer Einrichtungen mit den Überschüssen aus Privathaushalten und Firmen zusammen. Die Mitglieder und Ehrenamtlichen arbeiten inzwischen außerdem mit anderen Organisationen zusammen, um Transporter voller Hilfsgütern ins Ahrtal, in die Ukraine oder nach Syrien zu bringen. 

Der Hafen hilft: Die kleinen Spenden machen den Unterschied

Das Hauptgeschäft aber sind inzwischen die kleinteiligen Alltagsgegenstände. Im Herzstück des Spendenlagers türmen sich Geschirr, Pfannen, Wasserkocher und Handtücher. Alles fein säuberlich sortiert und in selbst gebauten Regalen untergebracht. Im ersten Halbjahr 2023 hat das Team 520 Aufträge abgearbeitet. „Der Bedarf an Hausrat ist wesentlich größer als an Loungesesseln“, erklärt Vereinsgründerin und -vorsitzende Anja van Eijsden. Die gelernte Schiffsingenieurin hat während ihrer Arbeit bei Blohm + Voss mitbekommen, wie Kreuzfahrtschiffe ihre gesamte Einrichtung tonnenweise entsorgten. „Das waren Möbel, bei denen natürlich mal eine Ecke abgeschrabbelt ist, die aber viel zu schade zum Wegwerfen waren. Parallel dazu hatte ich immer wieder Kontakt zu Sozialarbeitern, die Bedarf an so was hatten.“ Also überlegte sie sich ein Konzept, das die beiden Aspekte miteinander verbinden konnte.

Bei Firmen und Privatpersonen hat es lange gedauert, das Bewusstsein zu schaffen, dass es uns gibt und dass man mit wenig Mühe Menschen unmittelbar helfen kann.

Anja van Eijsden, Vereinsgründerin

Mit zehn Ehrenamtlichen gründete van Eijsden den Verein, der heute über 150 Mitglieder zählt, und baute zunächst eine Internetseite auf. „Bei Firmen und Privatpersonen hat es lange gedauert, das Bewusstsein zu schaffen, dass es uns gibt und dass man mit wenig Mühe Menschen unmittelbar helfen kann. Bei gemeinnützigen Organisationen sprach sich das schneller rum, weil der Bedarf dort so groß war.“ Wie groß, das wurde ihr bewusst, als die erste Schiffsbesatzung mit einer sehr großzügigen Spende auf sie zukam: 1200 Matratzen sollten zur Verfügung gestellt werden. „Wir hatten nicht mal ein Lager und haben erst mal eine Rundmail verschickt, um abzuklopfen, wie viele davon wir überhaupt vermitteln könnten. Innerhalb von zwei Tagen wussten wir, dass alle 1200 Matratzen gebraucht werden.“

Mehr Not denn je 

Der Hafen hilft aktion
Das Team von „Der Hafen hilft“ holt Matratzen von Bord der MS Europa (©Hapag Lloyd Cruises)

So kam der Verein an das Lager in der Schnackenburgallee. Aus einer Fläche von 60 Quadratmetern wurden kurz vor der Corona-Pandemie 250 und das Wachstum geht weiter: Im vergangenen Jahr bat die Stadt Hamburg den Verein um Unterstützung für die hilfsbedürftigen Menschen in der Ukraine, im Gegenzug musste mehr Lagerplatz her. Ein guter Deal, denn so kam eine zweite Fläche im Zentrum für Soziallogistik gleich um die Ecke hinzu, die sich mehrere gemeinnützige Organisationen teilen. Seitdem können mehr Menschen denn je versorgt werden. „Wir können uns inzwischen nicht mehr vorstellen kleiner zu werden, weil die Not so groß ist. Viele haben die Corona-Krise nicht überstanden, wir sehen es an den Obdachlosenzahlen, und die Altersarmut wird immer größer“, so van Eijsden.

Auch das Thema Klima werde uns alle noch sehr beschäftigen, sagt sie. Deshalb soll es auch im Bereich Nachhaltigkeit vorangehen. Eine Gelegenheit, das Thema anzupacken, gab es bislang allerdings kaum. „Weil wir von einer Krise in die nächste stapfen, hatten wir dafür zu wenig Zeit. Wir sind nun mal ein kleines Führungsteam“, erklärt Svenja Weil, stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Die Planbarkeit solcher Projekte gestaltet sich auch aufgrund der finanziellen Lage schwierig. Im Oktober 2023 muss der Verein aus seinem ersten Lager ausziehen. Nicht einmal die Unterbringung im Zentrum für Soziallogistik ist dauerhaft gesichert: „Wir wünschen uns eine längerfristig gesicherte Finanzierung, um auch mal über das Jahresende hinaus planen zu können. Wir haben alle nur befristete Verträge, und gerade das Miet-Thema macht uns echt Kopfzerbrechen. Wenn wir dafür keine Lösung finden, sehen wir uns ab Oktober 2024 mit normalen Hamburger Mietpreisen konfrontiert“, sagt Weil. „Niemand kann sich vorstellen hier einfach aufzuhören, aber das, was wir monatlich aufbringen müssten, ist einfach zu viel.“

Verein muss aus Lager ausziehen

Der Verein ist vollständig auf Spenden und Förderungen angewiesen. Die Finanzierung des Lagers etwa speist sich auch aus Spendengeldern für die Ukrainehilfe. „Den Fördertopf wird es wahrscheinlich noch eine Weile geben. Die Frage ist aber, ob man uns darin sieht“, so van Eijsden. „Unser Aus würde ein Beben verursachen. Niemand ist unersetzlich, aber es ist schon so, dass gemeinnützige Organisationen fest mit unserer Hilfe rechnen. Unsere stille Hoffnung ist, dass die Stadt Hamburg das mittlerweile auch begriffen hat.“

Um alles am Laufen zu halten, ist die Vereinsgründerin auch am Wochenende für „Der Hafen hilft“ tätig. Jemand müsse die Fäden zusammenhalten, und es gäbe derzeit zu vieles, was brennt. Ihren Job als Schiffsingenieurin hat sie kurz vor der Corona-Pandemie vollständig an den Nagel gehängt – noch im Unwissen darüber, dass diese Krise vieles verändern würde. „Die Frage war: Wollen wir den Verein fliegen lassen oder immer so ein bisschen ehrenamtlich vor uns hin krauchen? Wir wussten, dass das Potenzial da war. Ich dachte, ich kümmere mich zwei Jahre darum. Jetzt sind fünf Jahre um.“

Wir wünschen uns eine längerfristig gesicherte Finanzierung, um auch mal über das Jahresende hinaus planen zu können.

Svenja Weil, stellvertretende Vereinsvorsitzende

Wenn sie auf ihre Zeit als Ingenieurin zurückblickt, erinnert sie sich besonders an die Reparatur von Kreuzfahrtschiffen zurück. Das sei die Königsdisziplin gewesen. „Das geht rund um die Uhr und man muss extrem viele Werke synchron bewegen. Ich dachte immer: Wow, was für ein Stress und habe danach ein bis zwei Wochen gebummelt. Jetzt habe ich den gleichen Stress wie auf dem Kreuzfahrtschiff: Ich koordiniere so viel, aber ich kann nicht mehr bummeln. Ich habe etwas falsch gemacht“, sagt sie mit einem breiten Lächeln und in dem Wissen, dass sie alles richtig gemacht hat.

In ihren alten Job zurückzukehren, könne sie sich nicht mehr vorstellen, sagt sie. Obwohl sie 60 bis 80 Stunden pro Woche für den Verein arbeitet. Mittlerweile ist es 18 Uhr. Ein Ehrenamtlicher betritt das kleine Büro, offensichtlich gerade dabei, den Heimweg anzutreten. „Ist irgendwas für morgen geplant?“, fragt er. „Geplant ist nichts, aber Arbeit gibt’s genug“, sagt Anja van Eijsden lachend, dann winkt sie ab. „Komm gerne vorbei, wenn du Zeit hast.“

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