Im destinature Dorf in Hitzacker übernachten Radwanderer, Familien und Naturfreunde in komfortablen Tiny Houses oder Micro-Hütten. Die Betreiber sind Pioniere in Sachen Nachhaltigkeit
Text: Matthias Greulich
„Warte mal eben, das muss ich mir genauer ansehen“, sagte der Tüftler und blieb bei einer Messe lange bei der Fräsmaschine stehen, mit der sich digital auf den Millimeter genau arbeiten ließ. Was wäre, wenn man damit das MDF-Material, das aus Holzabfällen hergestellt wurde, fräsen könnte? Der Tüftler war Holger Danneberg, der bald darauf begann, mit dem innovativen Werkstoff zu experimentieren. „Das MDF kann man schlecht verschrauben, also entwickelte mein Mann ein Stecksystem“, erinnert sich Eva Danneberg an die Anfänge von Werkhaus vor 30 Jahren.
Für die robusten und praktischen Werkhaus-Büroartikel gab es einen kräftig wachsenden Markt. Die selbst gebauten Kaleidoskope, die Eva und Holger Danneberg zuvor in einer kleinen Werkstatt gebaut und auf Weihnachtsmärkten verkauft hatten, blieben dagegen ein Nischenprodukt. „Wir waren Pioniere. Es war uns von Anfang an wichtig, möglichst ressourcenschonend zu produzieren“, so Eva Danneberg. Als Jugendliche hatten sie gegen Atomkraftwerke und Castortransporte demonstriert. „Man war entweder dafür oder dagegen. Dazwischen gab es nichts. Diese Zeit prägt uns bis heute.“
Nachhaltiges Reisen
Zu diesem Lebensstil gehört auch der Traum vom nachhaltigen Reisen, den sich die Dannebergs mit ihrem in 200 Meter Entfernung vom am Elbradweg im Wendland gelegenen destinature Dorf erfüllten. Bei der Suche nach einem geeigneten Standort half die Lokalpolitik in der landschaftlich reizvollen aber strukturschwachen Region kräftig nach. Eva Danneberg: „Die Stadt Hitzacker hat uns angelockt.“
Seit 2019 steht das Naturhotel, wo jeweils bis zu vier Besucher in Tiny Houses oder noch naturnäher in Betten, die in einer Micro-Hütte liegen, übernachten können. Es kommen Gäste mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Auto, die schon ein halbes Jahr im Voraus gebucht haben, aber auch Radwanderer, die spontan nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen. Es seien viele junge Familien, aber auch ältere Ehepaare, die hier Urlaub machen, berichtet Eva Danneberg. Während der Saison verändert sich auch das Stadtbild des 5.000 Einwohner zählenden Hitzacker. Es sei dort etwas bunter und jünger, wenn die Gäste des destinature Dorfs in der Gemeinde unterwegs seien, heißt es aus dem Büro des Bürgermeisters.
Bed to go
Die Elbe vor der Nase, das Wendland im Rücken, beschreibt der Reiseprospekt die Lage des Dorfes. Nur zehn Meter entfernt liegt der Biberbach, wo man die Tiere im Biosphärenreservat Elbtalaue beobachten kann, ohne sie zu stören. Um den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten, stehen die Tiny Houses auf Stelzen.
Es ist also für Großstädter aus Hamburg oder Berlin durchaus hip, im Dorf zu wohnen, „es ist aber auch gemütlicher als Campen und wir haben dort ein modernes Bistro- und Sanitärgebäude, wo man sich wohlfühlt“, beschreibt Eva Danneberg das „Herzensprojekt“ des Unternehmens. Das Erlebnis, in einem Bed to go zu schlafen, könne man sich so ähnlich wie beim Camping vorstellen. Allerdings deutlich bequemer, die verwendete High-Tech-Matratze sei ein japanisches Patent.
2017 wurden die Pioniere von Werkhaus beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis in den Top 3 der Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Marken“ geehrt. Bei einem der dazugehörigen Workshops rund um die Preisverleihung in Düsseldorf lernten Eva und Holger Danneberg auch die Gründer von Goldeimer kennen. Malte Schremmer und Rolf Schwander wurden dort für ihr Toilettenpapier ausgezeichnet, dessen Erlös an Viva con Agua fließt. Die Gründer des gemeinnützigen Start-ups und die erfahrenen Unternehmer fanden sich auf Anhieb sympathisch, bald war klar, dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollte. Das Ergebnis ist nun in den Hütten des Naturdorfes in Hitzacker im Einsatz: das Klo to Go, eine nachhaltige Komposttoilette, die weder Chemikalien noch Wasser braucht.
Wenn es nach Eva und Holger Danneberg geht, wird es bald mehrere destinature Dörfer geben. „Für uns ist es ein Pilotunternehmen, für das wir momentan mit externer Hilfe ein Franchising-Konzept entwickeln.“ Dann könnte die nächste Innovation der Tüftler in Serie gehen.