Supermarkt
Der Film von Roland Klick zeichnet ein oft tristes und hoffnungsloses Bild vom Kiez der 1970er-Jahre. Auf dem gaunert sich der junge Willi, gespielt von Charly Wierzejewski, durch seine Tage, bis er die Prostituierte Monika (Eva Mattes) kennenlernt und sich verliebt. Doch St. Pauli ist nicht für ein Happy-End gemacht und so gipfelt die Geschichte in einem Mord und dem gnadenlos misslungenen Raubüberfall auf einen Supermarkt, der dem Film den Titel gibt. Der Streifen gilt als schonungslose Milieustudie ohne Zeigefinger und übertrieben sozialkritischen Ansatz. Zu sehen gibt es 84 Minuten konzentrierte Wirklichkeit zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn. Gedreht wurde „Supermarkt“ fast ausschließlich rund um den Hamburger Hafen. Das Lied „Celebration“, das im Film eine Rolle spielt, steuert ein noch weitgehend unbekannter Marius Müller-Westernhagen bei. Im Jahr 2021 war der Kultstreifen außerdem Teil von „Eine Stadt sieht einen Film“.
„Supermarkt“, erschienen 1974, Regie: Roland Klick, mit Charly Wierzejewski und Eva Mattes, 84 min
Große Freiheit Nr. 7
Den Gassenhauer „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ kennt jeder Kiezianer. Dudelt schließlich ständig aus Boxen am Millerntor, in den Kneipen rund um die Davidwache und in Bars am Hamburger Berg. Gesungen wurde das Lied einst von Hans Albers in seine Rolle als Hannes Kröger, der sich in „Große Freiheit Nr. 7“ als Sänger und Anreißer in Hamburgs Rotlichtviertel durchschlägt. Gedreht im Jahr 1943, bekommen die Deutschen den ersten Agfa-Farbstreifen der Terra-Film erst nach dem Krieg zu sehen. Grund: Den Nazis passt die Darstellung eines ziemlich abgehalfterten Seemanns nicht, Großadmiral Karl Dönitz nennt ihn sogar „wehrkraftzersetzend“. Das ändert nichts daran, dass „Große Freiheit Nr. 7“ nach dem Krieg zum Klassiker wird und Hamburg ein Denkmal setzt. Übrigens mit vielen Szenen, die tatsächlich gar nicht an der Elbe gedreht wurden. Der Film von Helmut Käutner entstand weitgehend in Prag.
„Große Freiheit Nr. 7“, erschienen 1944, Regie: Helmut Käutner, mit Hans Albers, 109 min
Nordsee ist Mordsee
Der Film ist die Geschichte von zweien, die ausziehen, weil sie zu Hause nur das Fürchten lernen. So heißt es im Trailer zu „Nordsee ist Mordsee“ von 1976. Die Geschichte des 14-jährigen Uwe, der in einer Wilhelmsburger Hochhaussiedlung lebt, vom Vater verprügelt wird und sich mit dem gleichaltrigen Dschingis mit einem selbst gebauten Floß in Richtung Meer aufmacht, ist Hark Bohms vierter Spielfilm. Gedreht hat der Regisseur unter anderem an der Neuenfelder Straße und am Veringkanal, der vom Reiherstieg abgeht. Viele der im Film zu sehenden Schauplätze sind heute verschwunden, da Wilhelmsburg sich stark verändert hat. „Nordsee ist Mordsee“ gilt Mitte der 1970er-Jahre als eine Art moderner Abenteuerfilm, Freiheit und Freundschaft sind die Hauptmotive. Die Dialoge kommen auf den Punkt, das gesprochene Hamburgisch ist im Kino heute fast ausgestorben. Und Udo Lindenbergs Textzeile „Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klauen und einfach abzuhauen’“ kann wohl fast jeder Hamburger mitsingen.
„Nordsee ist Mordsee“, erschienen 1976, Regie: Hark Bohm, mit Uwe Enkelmann, 87 min
Der Amerikanische Freund
Der von Dennis Hopper gespielte Amerikaner Tom Ripley lebt in Hamburg. Ein zwielichtiger Typ, der sein Geld mit Kunstgeschäften verdient. Ripley überredet den todkranken Jonathan, einen von Bruno Ganz gespielten Bilderrahmen-Macher, zu zwei Auftragsmorden. Es entwickelt sich ein undurchsichtiges Spiel mit ungewissem Ausgang. Einen großen Teil des Films „Der amerikanische Freund“ drehte Regisseur Wim Wenders von Oktober 1976 bis März 1977 in Hamburg. Vor allem der Hafen und St. Pauli dienten als Kulisse. Zu sehen sind auch der Alte Elbtunnel und die Strandperle. Kritiker lobten die Atmosphäre des manchmal düsteren Films, dessen Produktion wegen des schlechten Gesundheitszustands von Hauptdarsteller Hopper zeitweise am seidenen Faden hing. Für Wim Wenders zahlten sich die Dreharbeiten in Hamburg aus: „Der amerikanische Freund“ wurde zu seinem bis dahin erfolgreichsten Streifen. Die Vorlage für den Film lieferte ein im Jahr 1974 erschienener Kriminalroman der britischen Autorin Patricia Highsmith.
„Der Amerikanische Freund“, erschienen 1977, Regie: Wim Wenders, mit Bruno Ganz und Dennis Hopper, 127 min
Bandits
Emma (Katja Riemann), Luna (Jasmin Tabatabai), Angel (Nicolette Krebitz) und Marie (Jutta Hoffmann) sind vier weibliche Knackis, wie sie unterschiedlicher eigentlich kaum sein können. Eines jedoch verbindet das Quartett – die Liebe zur Musik. Unter dem Namen „Bandits“ gründen sie die Band des Frauengefängnisses, in dem sie einsitzen. Und geraten musikalisch auf die Überholspur.
Auf dem Weg zum ersten Gig außerhalb der Mauern ergreifen die Frauen dann die Flucht. Gejagt von der Polizei, Musikfans und sensationshungrigen Medien beginnt eine irre Reise durch Hamburg. Regisseurin Katja von Garnier nimmt uns in die Hafenstraße, auf die Köhlbrandbrücke und an andere Schauplätze unserer Stadt mit. Auf der Flucht SZENE HAMBURG LICHTSPIELE 37 nimmt das Quartett zwischenzeitlich nach einem Gig in einem Club sogar eine Geisel. Kommissar Schwarz, gespielt von Hannes Jaenicke, bleibt den „Bandits“ immer auf den Fersen – bis zum furiosen und etwas surrealen Finale. Katja Riemann heimste für diesen Hamburg-Film 1998 den deutschen Filmpreis ein. Und der Soundtrack war sehr erfolgreich.
„Bandits“, erschienen 1997, Regie: Katja von Garnier, mit Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Jutta Hoffmann, 108 min
Absolute Giganten
Vielleicht der Hamburg-Film einer ganzen Generation. Die Story von drei Freunden, die ihre letzte gemeinsame Nacht verleben, weil einer von ihnen auf einem Frachter angeheuert hat, ist nicht nur wegen den grandiosen Soundtracks von The Notwist längst Kult. Und das obwohl der Streifen 1999 an der Kinokasse zunächst floppte. Regisseur Sebastian Schipper schafft eine dichte Atmosphäre, indem er abgerockte Ecken unserer Stadt zu Schauplätzen macht. Frank Giering, Florian Lukas und Antoine Monot Jr. düsen im Ford Granada durch den Freihafen, chillen vor Industriebrachen und kickern sich durch düstere Kaschemmen. Großes Kino mit vergleichsweise kleinem Aufwand.
Das Motto der Nacht, durch die wir die drei Freunde Floyd, Ricco und Walter begleiten, bringt eine Szene des Films auf den Punkt. „Einmal alles bitte“, lautet die Bestellung beim Burger-Brater auf dem Kiez. Die volle Portion Hamburg eben. Dass der Film heute noch funktioniert, zeigte sich 2016, als 14 Kinos „Absolute Giganten“ nochmals spielten – und fast alle Vorstellungen ausverkauft waren.
„Absolute Giganten“, erschienen 1999, Regie: Sebastian Schipper, mit Frank Giering, Florian Lukas und Antoine Monot Jr., 76 min
Fleisch ist mein Gemüse
Heinz Strunk als Heinz Strunk – das funktioniert. In der Verfilmung seines 2004 erschienenen Bestsellers „Fleisch ist mein Gemüse“ stellt sich das Mitglied von „Studio Braun“ selbst vor die Linse. Und erzählt seine Geschichte, die hauptsächlich im Hamburger Stadtteil Harburg und dem Umland spielt. Regisseur Christian Götz nimmt uns mit auf Schützenfeste, in Dorfdiscos und miefige, mit reichlich Gedöns vollgestopfte Wohnstuben, wie sie in den 1980er-Jahren nicht selten waren. Der Spaß beim Zuschauern wird immer weder kunstvoll gestört, etwa wenn die Resignation beim scheiternden Musiker Heinz die Oberhand gewinnt und einem das Lachen im Halse stecken bleibt. „Fleisch ist mein Gemüse“ zeigt einen Teil Hamburgs, der nicht ständig im Kino gewürdigt wird. Fernab von Alster, Mö und Landungsbrücken. Rocko Schamoni als Schützenkönig und die wunderbare Susanne Lothar als Strunks Mutter sind ein Gedicht. Ein lebensnaher Hamburg-Film zwischen Komödie und Tragödie.
„Fleisch ist mein Gemüse“, erschienen 2008, Regie: Christian Görlitz, mit Heinz Strunk, 101 min
Soul Kitchen
„Soul Kitchen“ setzt Wilhelmsburg ein Denkmal. Die Halle, in der der von Adam Bousdoukos gespielte Zinos sein vom Abriss bedrohtes Lokal betreibt, steht in der Nähe des Reiherstieg-Hauptdeichs. Mit Moritz Bleibtreu, Jan Fedder, Wotan Wilke Möhring, Maria Ketikidou, Peter Lohmeyer und Udo Kier hat Regisseur Fatih Akin so ziemlich alles am Start, was 2009 die deutsche Filmszene rockt.
Die straff inszenierte Story ist mal urkomisch, mal rührend und strotzt nur so vor Leben. Birol Ünel als exzentrischer und mit Messern bewaffneter Koch Shyan ist ein Highlight von „Soul Kitchen“. Monica Bleibtreu hat kurz vor ihrem Tod ihren letzten Auftritt auf der Leinwand. Akin soll den Film selbst mal als einen modernen Heimatfilm bezeichnet haben. Für Hamburger ist das kaum zu bestreiten. Gedreht wurde schließlich nicht nur im Hafen, sondern auch an der Alster, im Mojo und in der Astra Stube an der Sternbrücke. Wie auch im Gängeviertel. Viel mehr Hamburg geht kaum.
„Soul Kitchen“, erschienen 2009, Regie: Fatih Akin, mit Adam Bousdoukos, Birol Ünel, Moritz Bleibtreu und Anna Bederke, 100 min
Taxi
Alex fährt Taxi. Im Hamburg der 1980erJahre. Eigentlich hat sie gerade eine Ausbildung in einer Versicherung machen wollen. Aber das kann doch nicht das Leben sein. Also ab ins Auto. Und so nimmt Regisseurin Kerstin Ahlrichs uns mit durch de Straßen unserer nächtlichen Stadt. Mit Alex treffen wir Freaks, Betrunkene, einen Mann, der einen wilden Affen im Schlapptau hat – und ihren späteren Liebhaber Marc, der von Peter Dinklage gespielt wird. Wir erleben den Niedergang des kleinen Taxiunternehmens namens Mergolan. Und dessen Rettung durch einen Crash, den Alex verursacht.
Hauptdarstellerin Rosalie Thomass liefert uns herrliche Schnodderigkeit. Die Kultschauspieler Eisi Gulp und Armin Rohde haben skurrile Auftritte. Robert Stadelober gibt den öden Bildungsbürger, mit dem Alex irgendwie im Bett gelandet ist. Alles ist herrlich lakonisch erzählt und das Zeitgefühl der Achtzigerjahre, irgendwo zwischen sinnsuchend und verloren, wird in vielen Szenen greifbar. Vorlage zu dem Film ist der gleichnamige, 2008 erschienene Roman von Karen Duve.
„Taxi“, erschienen 2015, Regie: Kerstin Ahlrichs, mit Rosalie Thomass, Peter Dinklage, Stipe Erceg und Robert Stadlober, 94 min
Der Goldenen Handschuh
Wer sich Fatih Akins Fim „Der Goldene Handschuh“ anschaut, sollte nicht zu zart besaitet sein. In der Geschichte von Serienmörder Fritz Honka gibt es Szenen, die für manch einen Grenzen des Erträglichenüberschreiten. Gedreht wurde auf St. Pauli und an anderen Schauplätzen in unserer Stadt. Für Innenaufnahmen aus der legendären Kiez-Kneipe wurde der „Handschuh“ im originalgetreuen Maßstab in den Hallen des ehemaligen Überseezentrums nachgebaut.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen und 2016 erschienenen Roman von Heinz Strunk, für den der Autor sich im Zuge der Recherche manche Nacht in der einst von Honka besuchten und noch heute geöffneten Spelunke um die Ohren geschlagen hat. Die Handlung spielt in den frühen 1970ern, als Honka sich seine Opfer auf dem Kiez suchte, um die Frauen zu ermorden und dann in seiner Wohnung in Ottensen zu zerstückeln und die Leichenteile zu verstecken. Fatih Akin bescherte dieser Hamburg-Film nicht nur Nominierungen für Preise, sondern auch Kritik für zu drastische Bilder.
„Der Goldenen Handschuh“, erschienen 2019, Regie: Fatih Akin, mit Jonas Dassler, 110 min
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG Lichtspiele erschienen.
Weitere Drehorte in Hamburg gibt es unter: www.filmtourismus.de/tag/hamburg/
Kinos in Hamburg für Filmfans
Zehn der schönsten Kinos Hamburgs sorgen für gelungene Filmabende an ganz besonderen Adressen.
Bearbeitet von: Karina Engelking.