Die britische Höflichkeit ist eine kostbare Errungenschaft. Dass dieses Kulturgut allerdings unter bestimmten Bedingungen lebensbedrohlich werden kann, zeigt das Theaterdebüt des Drehbuchautors Steven Moffat, das jetzt an der Komödie Winterhuder Fährhaus als deutsche Erstaufführung zu sehen ist. In dem von Anatol Preissler amüsant inszenierten Stück „Eine Mords-Freundin“ kämpft das Londoner Ehepaar Peter (Stefan Kiefer) und Debbie (Jessica Ginkel) mit einem Dilemma. Als wäre es nicht schon anstrengend genug, dass sich eine verwitwete Urlaubsbekanntschaft auf unbestimmte Zeit bei ihnen eingenistet hat, wird nämliche Elsa Jean Krakowski (vereint charmesprühend Hintergründigkeit und Offenheit: Marion Kracht) zudem des Serienmordes verdächtigt. So wähnen nun die unfreiwilligen Gastgeber die eigenen Kinder in Gefahr und versuchen immer verzweifelter, die vermeintliche Killerin aus dem Haus zu komplimentieren – obwohl sie eigentlich dazu neigen, Konflikte auszusitzen.
Urkomisch: „Eine Mords-Freundin“
Darüber hinaus hat Elsa das Talent, die Missstände in der Familie aufzuspüren und auf entwaffnende Art zu beheben, ist heilsam für alle und zeichnet für die wundersame Verwandlung der bocklos-nervtötenden Teenager Alex (beeindruckend wandelbar: Mathias Renneisen) und Rosie (gut als Zynikerin: Stefanie Darnesa) in lebensbejahende Sonnenscheinchen verantwortlich. Dass an der „mörderischen Mary Poppins“ (Debbie) jede zaghaft vorgetragene Kritik abprallt, gibt vor allem Kiefer immer wieder die Gelegenheit, sein komödiantisches Können zu zeigen: Wenn er als Peter versucht, Tacheles zu reden und zugleich stets höflich zu bleiben, windet er sich wie ein Wurm, tanzt auf der Stelle, läuft rot an und rauft sein schütteres Haar. Das ist urkomisch und trägt die schwarze Komödie auch über schwächere Textstellen heiter hinweg.
Eine Mords-Freundin, Winterhuder Fährhaus, 1., 2., 4.–9., 11.–16. und 18.–23. Februar 2025
Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2025 erschienen.