„Hamburger Flachbauten“: ein fotografisches Denkmal

In der Nachkriegszeit wurden verstärkt Flachbauten, sogenannte „Lückenbebauung“ als Provisorien errichtet. Viele stehen heute noch, doch ihre Zeit läuft ab. Peter Bruns und Claas Möller setzen ihnen mit ihrem Gemeinschaftsprojekt „Hamburger Flachbauten“ ein fotografisches Denkmal – und haben dafür den Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie erhalten
Hat fast jeder Hamburger schon mal gesehen: Leder Israel in Eimsbüttel (©Peter Bruns und Claas Möller)

SZENE HAMBURG: Peter Bruns und Claas Möller, Gratulation zum Georg Koppmann Preis! Warum Flachbauten?

Peter Bruns und Claas Möller: Vielen Dank.

Peter Bruns: Wir beschäftigen uns häufiger gemeinsam mit kleinen fotografischen Themen und haben mehrmals damit geliebäugelt, uns für den Georg Koppmann Preis zu bewerben. Claas hat dann die Idee mit den Flachbauten ins Spiel gebracht.

Claas Möller: Das stimmt. Anfang der 2010er habe ich in der Gertigstraße in Winterhude gewohnt. Das war genau die Zeit, in der die Flachbautenzeile zwischen der Geibelstraße und der Barmbeker Straße den sechsstöckigen Neubauten weichen mussten, die seit dem den freien Blick in den Himmel blockieren. Mich daran erinnernd, haben wir dann angefangen, dieses Thema etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Peter Bruns: Ich interessiere mich für Stadtentwicklung, Stadtgeschichte und die Veränderungen im Stadtbild. Flachbauten fallen auf in der Stadtsilhouette und ich finde sie als Motiv im Kontext zur Nachbarbebauung reizvoll.

Flachbauten fallen auf in der Stadtsilhouette

Peter Bruns

Die Gebäude und ihr Umfeld

Peter Bruns und Claas Möller (©Peter Bruns und Claas Möller)

Gibt’s in Hamburg mehr Flachbauten als in anderen Städten?

Claas Möller: Na ja. Hamburg war einer der Städte, die von der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg stark betroffen waren. Dementsprechend viele Flachbauten haben in den Jahren danach noch lange das Stadtbild geschmückt. Dies gilt natürlich auch für andere Städte mit ähnlicher Geschichte.

Peter Bruns: Natürlich gibt es auch Stadtteile wie Hammerbrook oder Rothenburgsort, wo die Zerstörung nahezu flächendeckend war. Da stehen dann eher weniger Flachbauten.

Wie findet ihr eure Motive?

Peter Bruns: Wir sind viel mit dem Fahrrad unterwegs und entdecken so immer wieder neue Bauten. Mittlerweile hat sich unser Projekt herumgesprochen und wir bekommen Hinweise von Bekannten.

Die Fotos haben neben dem klaren Look immer etwas Verlorenes, finde ich.

Peter Bruns: Die Idee ist, die Flachbauten als Objekte darzustellen. Es geht nicht um Straßenfotografie, sondern darum, die Gebäude in ihrem Umfeld zu zeigen. Menschen kommen gelegentlich vor, aber eher als belebender Akzent. Zur Vorbereitung für unser Projekt haben wir ein Sketchbook erstellt. Darin sind auch schnelle Handyfotos und viele Schnappschüsse aus der Hand. Jetzt nehmen wir uns Zeit, arbeiten mit Stativ und achten auf das richtige Licht, die Tageszeit und probieren unterschiedliche Standpunkte aus.

Warum bedeckter Himmel?

Peter Bruns: Die Bilder sind als Serie gedacht und mit einer ähnlichen Lichtstimmung verstärken wir den seriellen Charakter.

Claas Möller: Es ist eine ästhetische und inhaltliche Entscheidung. Durch die Reduzierung des Umfelds treten unsere „Protagonisten“ deutlicher in den Vordergrund.

Peter Bruns: Gerade auf dem Kiez ließen sich auch gut Stimmungen bei Nacht mit Leuchtreklame realisieren. Aber es geht uns um die Gebäude und die Entscheidung für einen gleichförmigen Look ist unserer Grundidee dienlich.

„Der Flachbau sieht aus wie ein Raumschiff“

Flach, flacher, Billstedter Hauptstraße (©Peter Bruns und Claas Möller)

Ihr könnt vermutlich nicht alle Flachbauten in Hamburg fotografieren. Was muss ein Flachbau haben, um es in eure Auswahl zu schaffen?

Claas Möller: Sie müssen einfach nur schön sein (lacht).

Peter Bruns: In erster Linie zählt der optische Eindruck. Flachbauten, die im Kontext zur Nachbarbebauung wie „Zahnlücken“ wirken, stehen ganz oben auf unserer Liste. Ob die Gebäude tatsächlich in unmittelbarem Zusammenhang mit Kriegsschäden entstanden sind, werden wir sicher bei unseren Recherchen ermitteln, wir sammeln aber zunächst in voller Breite.

Möchtet ihr mit dem Projekt etwas erreichen?

Claas Möller: Es wäre schön, wenn auf diese, seit Jahrzehnten dem Wandel der Stadt trotzenden Schmuckstücke noch mal mit einem anderen Auge als dem der Nachverdichtung geschaut wird. Und dass wir ihnen ein Podium bieten, bevor auch sie auf kurz oder lang verschwinden.

Peter Bruns: Und es wirft ja auch immer die Frage auf: Was ist, wenn man die Dinger abreißt und optimiert: Also hohes Gebäude, viel Platz – können sich die kleinen Läden dann überhaupt die Mieten noch leisten, die in den Neubauten zu zahlen sind? Diese Frage ist nicht unser Hauptanliegen, aber eine, die man stellen kann. Kann beziehungsweise sollte sich eine Stadt solche Lücken leisten?

Was sind eure persönlichen Favoriten?

Claas Möller: Mein absoluter Favorit steht in der Wandsbeker Chaussee, Ecke Brauhausstraße. Ein leer stehendes Gebäude einer ehemaligen Bankfiliale.

Peter Bruns: Eppendorfer Weg, Ecke Henriettenstieg. Der Flachbau sieht aus wie ein Raumschiff. Den am Anfang der Langen Reihe finde ich auch toll, weil die Bebauung rundherum so speziell ist. Da gibt es Türmchen und verschachtelte Hinterhöfe. Es kommt immer auf die Konstellation an.

Bücher, Holz und Fotografie

Flachbauten sind Nachkriegszeitzeugen. Sollten die nicht denkmalgeschützt sein?

Peter Bruns: Der architektonische Wert ist sehr überschaubar, weil es häufig Provisorien sind, die einfach überdauert haben. Wenn Bauten, die ein Stadtbild prägen, schützenswerte sind, haben einige Flachbauten vielleicht eine Chance.

Sie müssen einfach nur schön sein

Claas Möller

Was macht ihr, wenn ihr nicht fotografiert?

Claas Möller: Neben der Fotografie arbeite ich seit nun mehr als 23 Jahren als Buchgestalter mit dem Schwerpunkt auf Kunst- und Fotobücher. Aber auch im Rahmen dieser Arbeit nehme ich zu Reproduktionszwecken dann und wann die Kamera in die Hand. So ganz ohne Kamera geht es scheinbar doch nicht.

Peter Bruns: Ich arbeite seit Anfang der Neunzigerjahre als Tischlermeister im Thalia Theater. Als Autodidakt habe ich in verschiedenen Workshops und Seminaren unter anderem an der Hochschule Hannover bei Professor Rolf Nobel und der Ostkreuz Schule für Fotografie in Berlin meine fotografischen Kenntnisse vertieft und verfeinert. Fotografie spielt also doch eine wichtige Rolle.

Für ihre Arbeit haben Peter Bruns und Claas Möller 2024 den Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie erhalten.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 04/2024 erschienen.

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