Hamburg ist die Stadt der ehrbaren Kaufleute. Eine Stadt mit vielen ungeschriebenen Regeln und Gesetzen. Eine davon besagt, dass in der Innenstadt nichts höher gebaut werden darf als der Michel (132 Meter). Daher gibt es in der Umgebung auch nur drei höhere Gebäude: Die Petrikirche, die Ruine der St. Nikolai Kirche und den Fernsehturm. Sogar die Elbphilharmonie und das Rathaus überragen die Hauptkirchen nicht. Mit diesem Grundsatz soll nun gebrochen werden: Am Eingang zur Innenstadt an den Elbbrücken soll der Elbtower entstehen. Ein Wolkenkratzer mit 245 Metern Höhe und geplanten Baukosten von mehr als 700 Millionen Euro. Die Planung steht, die Baugenehmigung wurde in Windeseile erteilt und dem Großprojekt HafenCity kann ein standesgemäßes Finale gebaut werden, könnte man meinen.
Ein seelenloser Büroturm
Zwar geht der Trend in Millionenstädten wie Hamburg immer mehr dahin in die Höhe zu bauen. Denn: Wohnraum ist knapp. Doch im Elbtower wird es keinen Zentimeter Wohnraum geben. An einem Standort, an den sich die meisten Hamburger:innen bisher verirrt haben, um die neue U- und S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken zu bewundern, soll ein Büroturm (mit Hotel, Gastronomie und Einzelhandel) entstehen. Erst im November 2021 hatte der NDR berichtet, dass der Büro-Leerstand in Hamburg steigt und sich Arbeitsplätze ins Homeoffice und an den Stadtrand verlagern. Doch die Stadt hält eisern an dem Projekt fest und will „einen Ort schaffen, der die gesamte Gesellschaft anspricht und miteinander verbindet“, so der Vorstand des Bauherrn, der Signa Prime Selection AG, bei der Vorstellung des Projekts. An den Elbbrücken soll der Süden mit dem Norden der Stadt verbunden werden – der viel zitierte „Sprung über die Elbe“. Doch dafür hätte man auch die 2004 von Dieter Becken und Hadi Teherani erdachte „Living Bridge“ bauen können und keinen seelenlosen Büroturm, der vielleicht hübsch aussieht und für das gemeine Volk eine Aussichtsplattform zu bieten hat.
Alles andere ist Disneyland
Neben seiner „verbindenden“ Wirkung soll der Elbtower mit „internationalen Ausstellungen, Konzerten und Events die Kultur- und Kunstszene der Stadt mitprägen.“ Also eine Art Elbphilharmonie-Plus? Das ist schlichtweg eine Verkaufsmasche und wird so nicht funktionieren. Ein Büroturm für 700 Millionen Euro prägt nur eins: den Geldbeutel der Kapitalanleger:innen. Wenn der Turm 2026 fertig sein sollte, ist er nicht mehr als 65 Stockwerke gestapeltes Geld. Der Architekturkritiker Gert Kähler schrieb in einem Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt: Dieser Turm ist eine „Hülle mit der einzigen Botschaft, dass privates Kapital stadtbildprägende Dominanz hat. Das ist überflüssig. Denn was uns die mittelalterliche Stadt lehrt, die wir doch so sehr lieben, ist, dass wir ihre Silhouette bewahren wollen. Alles andere ist Disneyland.“