Silvia, 36 & Markus, 38: Bei der EM schlagen ihre Herzen für Polen und Deutschland
Wir wurden beide in Polen – genau genommen in Toruń und Bydgoszsz – geboren, sind aber im Alter von elf Monaten beiziehungsweise drei Jahren mit unseren Familien nach Hamburg gezogen. Mittlerweile leben wir hier schon seit über 35 Jahren. Abgesehen von unseren Eltern und Geschwistern ist der Rest unserer Familien noch in Polen ansässig. Das heißt für uns: Einmal wöchentlich wird mit Oma telefoniert, die anderen Familienmitglieder halten wir per WhatsApp, Videocall oder Instagram auf dem Laufenden. Wir versuchen aber, uns mindestens einmal im Jahr irgendwie zu sehen. Entweder bekommen wir Besuch von der polnischen Verwandtschaft oder wir fahren hin. Dass die polnische Fußballnationalmannschaft jetzt in Hamburg spielt, bedeutet uns sehr viel, da unsere beiden Nationalitäten so miteinander verbunden sind.
Die EM-Spiele des polnischen Teams werden wir auf jeden Fall mit Freunden in einer größeren Runde zu Hause, in einer Bar oder beim Public Viewing schauen. Zu einem guten Spiel gehört bei uns eine original Krakauer dazu. Und ein Tyskie, für uns das beste polnische Bier. Einen großen Unterschied zwischen der polnischen und der deutschen Fankultur sehen wir auf den ersten Blick nicht. Vielleicht gehen wir Polen immer optimistischer ins Spiel hinein und lassen uns bei einer Niederlage auch die gute Laune nicht zerstören. Dabei sein ist alles! Wenn wir gewinnen sollten, wird der Sieg aber auf jeden Fall feuchtfröhlich und ausgiebig auf dem Kiez gefeiert! Unser EM-Wunschgegner? Deutschland, dann gibt es nämlich für uns so oder so einen Sieger.
Unser EM-Wunschgegner? Deutschland, dann gibt es nämlich für uns so oder so einen Sieger.
Silvia & Markus
Jana, 35: „Es ist ein Fest, wenn Tschechien in Hamburg spielt“
Ich wurde in Tschechien geboren und bin seit 15 Jahren in Deutschland. 2009 habe ich mein Studium in Prag abgebrochen und ging für erst mal nur drei Monate als Au-pair-Mädchen nach Schleswig-Holstein. Aus drei Monaten sind zwei Jahre und aus den Au-pair-Verwandten meine zweite Familie geworden. 2011 ging es dann nach Hamburg. Da ich doch einen richtigen Abschluss wollte, habe ich mich für eine Ausbildung bei einem Hamburger Handelsunternehmen entschieden. Dort arbeite ich bis heute. Meine Familie und meine engsten Freunde sind allerdings in Tschechien. Deshalb fahre ich so oft in die Heimat, wie es geht, manchmal auch mehrmals pro Monat. Somit bin ich sozusagen omnipräsent, insbesondere auf der A24.
Wenn Tschechien in Hamburg antritt, treffe ich mich mit meinen Freunden in der Trdlo Factory in der HafenCity. Wir schauen gemeinsam das Spiel, essen das Traditionsgebäck Trdlo (auch bekannt als Baumstriezel, Anm. d. Red.) und trinken tschechisches Bier. Ich komme aus einem Eishockey-Land, Fußballfieber habe ich also erst in Deutschland kennengelernt. Richtige Fans sind aber überall ähnlich – leidenschaftlich, laut und gut drauf. Der einzige Unterschied ist die Playlist im Stadion. Wo wir gerade dabei sind: Einmal hatte ich Karten fürs Volksparkstadion und kam aufgrund der Parksituation nicht rein. Das Spiel gegen Deutschland fand parallel zu einem ausverkauften Konzert in der Barclays Arena statt. Obwohl deshalb auch schlechte Erinnerungen hochkommen, ist es immer ein Fest, wenn Tschechien in Hamburg spielt. Über einen möglichen Sieg freue ich mich aber natürlich. Da kann es gut passieren, dass ich kreischend und lachend herumhüpfe.
Fußballfieber habe ich erst in Deutschland kennengelernt
Jana
Alim, 36: „Türken leben ihre Emotionen am Limit“
Ich bin zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, trotzdem ist es für mich ein großes Highlight, dass die Türkei jetzt bei dieser EM-Vorrunde in Hamburg spielt. Die Partie gegen Tschechien werde ich zu Hause mit Freunden oder beim Public Viewing gucken, darauf freue ich mich schon riesig. Mein Wunschgegner ist aber Deutschland. Hoffentlich stehen sich beide Teams im Laufe des Turnier noch gegenüber. Bei einem Spiel der türkischen Nationalmannschaft geht es emotionaler zu als bei den Deutschen. Türken leben ihre Emotionen am Limit – auch beim Fußball. Wenn wir gewinnen, feiere ich das mit Fangesang, Pyro und Autokorso.
Bei einem Spiel der türkischen Nationalmannschaft geht es emotionaler zu als bei den Deutschen
Alim
Ferid, 45: Fußball, kroatische Lieder, Bier und Slivovic
Seit 1991 lebe ich in Deutschland. Davor habe ich eine sehr schöne Kindheit in Kroatien, dem Geburtsland meiner Mutter, verbracht. Das Spiel zwischen Kroatien und Albanien gucke ich zu Hause mit der Familie auf der Terrasse oder bei meinem Vater im Garten. Dabei singen wir die Nationalhymne und kroatische Lieder, trinken Bier und Slivovic und haben einfach viel Spaß. Natürlich freut es mich für die Kroaten, die in Hamburg leben und ihre Mannschaft im Stadion erleben können. Für jeden Fußballfan ist es das Größte, die Nationalspieler live zu sehen, ein einmaliges Erlebnis! Die Kroaten sind dabei emotionaler als die Deutschen, aber am Ende sind alle Fans emotional. Einen Sieg der kroatischen Nationalmannschaft würde ich mit einem Autokorso feiern. Falls wir nicht weiterkommen, wünsche ich dem DFB-Team den Titel. Es wäre auch schön, gegen die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.
Für jeden Fußballfan ist es das Größte, die Nationalspieler live zu sehen, ein einmaliges Erlebnis!
Ferid
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 06/2024 erschienen.
Bearbeitet von: Franziska Vetter.