Turbostaat-Sänger Jan Windmeier (Foto Mitte) über Extremismus, Angstmache und Möglichkeiten für Musiker, politisch aktiv zu werden
Jan Windmeier weiß: „Man kann mit vielen guten Menschen an einem Strang ziehen und jederzeit etwas bewirken.“ Geht es um den zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft, sucht der Sänger der vor 17 Jahren in Husum gegründeten Punkband ständig nach geeigneten Gegenmitteln.
Interview: Erik Brandt-Höge / Foto: Andreas Hornoff
SZENE HAMBURG: Jan, die Spex schrieb kürzlich: „Dass Turbostaat trotz Pegida und Co nicht zu konkret werden, muss man ihnen hoch anrechnen“. Fällt es dir persönlich schwer, die künstlerische Distanz zu wahren, bei allem, was gerade los ist?
Jan Windmeier: Die künstlerische Distanz kann man nie so richtig wahren. In unseren Texten geht es ja auch sehr häufig um eine persönliche Ebene, auf der wir die Dinge, die täglich passieren, eben erleben. Wir setzen uns also gezielt damit auseinander, nur bringen wir es nicht so konkret rüber, sondern eben künstlerisch sehr frei.
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Was ärgert dich momentan besonders? Die Amerikaner? Die Europäer? Facebook? Alles zusammen?
Mich nervt vor allem der gewaltige Rechtsruck, der ja schon vor langer Zeit begonnen hat. Er zieht sich über ganz Europa, letztlich über die gesamte Welt. Und was mich auch täglich ärgert, sind die Kommentarspalten verschiedener Online-Medien. Wenn man heutzutage im Internet unterwegs ist, braucht man schon ein dickes Fell.
Eure Texte haben sich von Beginn an gegen Patriotismus und Ausgrenzung gerichtet. Was kann man als Punkband noch dagegen tun?
Es gibt viele verschiedene Methoden, wie man dagegen vorgehen kann. Die Gruppe Feine Sahne Fischfilet z.B. hat gerade eine beispielhafte Kampagne präsentiert („Noch nicht komplett im Arsch – Zusammenhalten gegen des Rechtsruck“; Anm. d. Red.). Letztlich kann sich auch jede Band darum kümmern, dass ihre meist relativ groß angelegten Gästelisten Spendenbitten für bestimmte Zwecke enthalten. Musiker können sich für Konzerte auch mit verschiedenen Organisationen zusammen tun. Wir selbst veranstalten jedes Jahr ein kleines Festival, für das wir uns um bestimmte Info-Stände kümmern, damit Besucher neben der Musik noch mehr mitnehmen können.
Sicher ist ein weiteres Mittel gegen den Extremismus, sich der Angstmache vieler zu wiedersetzen …
… und die Erkenntnis: Es ist nicht alles hoffnungslos! Man kann mit vielen guten Menschen an einem Strang ziehen und jederzeit etwas bewirken. Bei allem Mist, der im Jahr 2016 passiert ist, hat man auch gesehen, dass es unheimlich viele Leute gibt, die sich dagegen wehren. Das sollte man sich immer vergegenwärtigen, weil es Mut macht, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
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Hattet ihr selbst schon mal Angst vor einem Konzert, auf die Bühne zu gehen?
Ich kenne so eine leicht ängstliche Aufgeregtheit, wenn man sich darüber Gedanken macht, ob man mit einem Auftritt denn alles schaffen wird, was man schaffen möchte. Ob man der Verantwortung und den eigenen Ansprüchen gerecht werden kann.
Ihr habt das Privileg, regelmäßig auf den ganz großen, nach wie vor aber auch auf kleineren Bühnen zu stehen. Hättet ihr etwas dagegen, wenn es irgendwann nur noch die einen oder die anderen für euch gäbe?
Wir finden es gerade toll, beides machen zu können. Auf die kleinen Clubs würden wir nicht verzichten wollen. Wir möchten das Gefühl, vor 50 Leuten zu spielen, einfach nicht missen. Und was die großen Clubs angeht: Wir sind tatsächlich in der glücklichen Lage, unseren Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen, und das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir in der ein oder anderen Stadt auch größere Konzerte spielen und eingeladen werden, bei den riesigen Festivals aufzutreten. Das gehört für uns dazu und macht uns nicht weniger Spaß.
Save the Date! Am 21.1. um 19.30 Uhr sind Turbostaat in der Großen Freiheit 36 zu sehen.
Weiß, wo und wer in Hamburg die Musik spielt: Erik Brandt-Höge