Miteinander statt gegeneinander!

Der bundesweite Verein Female Photoclub setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen von Fotografinnen und gegen Genderungleichheit ein. Ein Gespräch mit Melina Mörsdorf und Tara Wolff, den Leaderinnen der Regionalgruppe in Hamburg
Von Frauen für Frauen: Der Verein Female Photoclub leistet bundesweit feministische Kulturarbeit in der Fotobranche (Grafik: Female Photoclub e.V.)

SZENE Hamburg: Starten wir doch direkt mit eurer Gründungsgeschichte …

Melina Mörsdorf: Klar. Also eigentlich hat alles mit einer Facebook-Gruppe von ein paar Berliner Fotografinnen angefangen, die sich regelmäßig zum Austausch getroffen haben. Der Kreis wurde aber schnell größer – und seit 2020 sind wir jetzt ein eingetragener Verein, der sowohl bundesweit als auch in einzelnen Regionalgruppen agiert. Die Hamburger Gruppe leite ich seit 2019, Tara kam letztes Jahr dazu.

Melina Mörsdorf, einer der Leaderinnen der Regionalgruppe Hamburg von Female Photoclub (©Leila Ivarsson)

Ihr seid ein Verein von Fotografinnen für Fotografinnen. Was würdet ihr als euren Auftrag beschreiben?

Tara Wolff: Die Fotobranche wird nach wie vor von Männern dominiert. Frauen sind unterrepräsentiert und werden schlechter bezahlt. Unser Ziel ist es, die Frauen sichtbarer zu machen und ihnen eigene Vernetzungsmöglichkeiten zu bieten, um sich gegenseitig zu stützen und zu stärken. Beispielsweise ist Mutterschaft in der Freiberuflichkeit ein Riesenthema, bei dem es viel Gesprächsbedarf gibt. 

Melina Mörsdorf: Fakt ist, dass man in Deutschland keinen Anspruch auf Mutterschutz hat, wenn man freiberuflich arbeitet. Frauen müssen bis kurz vor der Geburt ihres Kindes Aufträge erfüllen, damit sie Elterngeld beziehen können. Ein wichtiger Teil unserer Vereinsarbeit ist es, auf solche Missstände aufmerksam zu machen. Wir sind jetzt auch im Deutschen Fotorat e. V., der die Interessen der Berufsfotografinnen und -fotografen vertritt, und seit 2023 fester Teil des Deutschen Kulturrats ist. Gemeinsam mit Freelens e. V., Deutschlands größtem Berufsverband professioneller Fotojournalistinnen und -journalisten, haben wir zudem letztes Jahr einen Guide zum Thema Elternschaft und Selbstständigkeit herausgebracht – verrückt genug, dass es zu der Zeit noch keinen solchen Leitfaden von der Bundesregierung gab.

Vorurteile gegenüber Frauen in der Branche  

Habt ihr auch selbst schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Melina Mörsdorf: Leider ja, einige. Keine Ahnung, wie oft ich bei einem Job schon gefragt wurde, wann denn der Fotograf eigentlich käme.

Tara Wolff: Ich musste mir immer wieder Fragen anhören wie: „Was machen denn eigentlich gerade deine Kinder? Wo sind die, während du hier fotografierst?“ Als müsstest du als Mutter immer die Care-Arbeit machen oder würdest deine Kinder im Stich lassen, wenn du beruflich unterwegs bist.

Melina Mörsdorf: Genau! Ich hatte mal einen Kennenlerntermin bei dem Magazin „Brigitte“, um meine Mappe zu zeigen. Da fragte mich die Bildredakteurin – also eine Frau –, die auch noch in meinem Alter war: „Wenn du jetzt einen Job für uns machen würdest, wo bliebe denn da deine Tochter? Was machst du mit der?“ Meine, natürlich nicht ernst gemeinte, Antwort: „Die sperr ich in den Keller.“

Tara Wolff: Bei mir war es so, dass ich oft die Kindersitze aus dem Auto genommen habe, wenn ich auf Produktionen gefahren bin, damit niemand auch nur auf die Idee kommt, solche grenzüberschreitenden Fragen zu stellen.

Das Supportsystem des Female Photoclub

Feministische Kulturarbeit, wie ihr sie leistet, ist wichtig und relevant, weil sie sich für eine bessere Zukunft einsetzt, indem sie sich gegenwärtiger Gesellschaftsprobleme annimmt – und in diesem Fall auch einer historischen Schieflage: Denn Genderungleichheit konnte sich über Jahrhunderte in der Kunstgeschichte festsetzen. Hat sich eurer Ansicht nach in den letzten Jahren etwas getan?

Melina Mörsdorf: Ich denke schon – unsere Fotografinnen erzählen immer wieder, dass die Buchungen zugenommen haben. Im Umkehrschluss wird das auch durch die Klagen männlicher Kollegen bestätigt, dass momentan nur noch Frauen gebucht würden. Selbst wenn es gerade tatsächlich ein Trend sein sollte, nehmen wir das gern mit. Insgesamt ist es aber noch ein langer Weg zu echter Gleichberechtigung.

Wie sieht denn das Supportsystem für eure Mitglieder aus?

Melina Mörsdorf: Das geht online los mit Social-Media-Arbeit. Die noch bestehenden Facebook-Gruppen werden bald in ein Forum auf unserer eigenen Website umgewandelt. Auf Instagram teilen wir immer wieder Arbeiten und Veranstaltungen von und mit unseren Mitgliedern. Vor allem ist aber die Förderung des Austauschs unter unseren Fotografinnen wichtig.

Tara Wolff, eine der Leaderinnen des Female Photoclub in Hamburg (©Tara Wolff)

Tara Wolff: Wir veranstalten in den Regionalgruppen auch regelmäßig physische Treffen, bei denen wir im Voraus Themen sammeln, über die wir dann gemeinsam sprechen – oft auch mit konkretem Bezug zu aktuellen Aufträgen von unseren Mitgliedern.

Melina Mörsdorf: Wir supporten auch bei der Ausstellungsplanung. Letztes Jahr hatten wir sogar selbst eine Schau in der Akademie der Fotografie hier in Hamburg mit dem Titel „Kraft“ organisiert, bei der wir die Arbeiten von 20 Mitgliedern gezeigt haben. Das verschafft Sichtbarkeit. Und das Feedback war großartig! Zudem bieten wir auch Workshops an, bei denen es genauso um künstlerische wie berufspraktische Themen geht, von der Lichtsetzung bis zur Steuerhilfe.

Die Zukunft des Female Photoclub 

Wie geht es mit dem Verein weiter? Was ist geplant?

Tara Wolff: Bei uns können sich ja alle bewerben, die mit der Fotografie ihren Lebensunterhalt verdienen. Bisher sind wir stetig gewachsen und zählen aktuell über 500 Mitglieder. So kann es gern weitergehen.

Melina Mörsdorf: Unser Wunsch wäre es aber auch, nicht nur Fotografinnen zu erreichen, die bereits viele Hürden genommen haben, sondern auch Frauen zu empowern, deren Karriere noch nicht begonnen hat oder vielleicht noch nicht mal in Planung ist. Dafür müsste man in den Unterricht an Schulen und Universitäten – und dafür bräuchte man wiederum als ehrenamtlich geführter Verein die Kapazitäten. Mittlerweile konnten wir aber sogar eine bezahlte Stelle schaffen, sodass es jetzt eine Geschäftsführung gibt, die die Vorstandsmitglieder entlastet – was total wichtig ist, weil mit steigender Mitgliederzahl natürlich auch der Workload wächst. Die Richtung stimmt also: Die Gruppe wird immer größer und stärker!

Dieses Interview ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2025 erschienen.

Abonniere unser
"Heute in Hamburg"
Update per E-Mail oder WhatsApp!

Die spannendsten Events in der Stadt und das Neueste aus der Hamburger Gastro- und Kulturszene. Wir halten dich auf dem Laufenden. 😃

👉 Stattdessen via Messenger abonnieren

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Abonniere unseren Newsletter!

Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg.

Unsere Datenschutzbestimmungen findest du hier.

#wasistlosinhamburg
für mehr Stories aus Hamburg folge uns auf