Am 26. September beginnt für Kinoliebhaber die schönste Zeit des Jahres: Filmfest! Programmchefin Kathrin Kohlstedde über die Aufgaben und Probleme eines solchen Festivals – und die Highlights
Interview: Maike Schade
Foto: Alamode Film
SZENE HAMBURG: Kathrin, worauf freust du dich in diesem Jahr am meisten?
Kathrin Kohlstedde: Ich freue mich sehr auf unser neues Format „Gegenwartskino im Fokus“, bei dem wir zwei Regisseure vorstellen. Unsere Motivation war, dass dem Publikum offenbar manche wichtigen zeitgenössischen Filmemacher kein Begriff sind. Sicher, die Ken Loachs, Dardennes und Almodóvars sind bekannt, aber die werden immer älter. Wir finden, es ist unsere Aufgabe, dem Publikum Regisseure näherzubringen, die unserem Erachten nach derzeit das zeitgenössische Kino prägen.
Wen stellt ihr denn vor?
Lav Diaz und Céline Sciamma. Uns war wichtig, dass es ein Mann und eine Frau sind, und auch aus verschiedenen Kulturkreisen. Diaz ist ein philippinischer Regisseur, der extreme Langzeitfilm-Erlebnisse macht, die sechs bis acht Stunden dauern. Und Céline Sciamma ist eine französische Filmemacherin, die gerade mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ in Cannes war. Beide stellen ihre neuen Filme bei uns persönlich vor, dazu gibt es eine kleine Werkschau.
Seht hier den Trailer zu „Porträt einer jungen Frau in Flammen“
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Was gibt’s da zu sehen?
Bei Sciamma zeigen wir neben der Deutschland-Premiere von „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ drei ältere Filme: zwei, bei denen sie Regisseurin war und einen, bei dem sie das Drehbuch geschrieben hat, weil es uns wichtig war, auch ihre Arbeit als Drehbuchautorin zu würdigen. Von Lav Diaz stellen wir aufgrund der Länge nur zwei weitere Filme vor. Dazu gibt es dann abends um zehn Uhr noch ein „Bargespräch“ mit jeweils einem der beiden im Hinterzimmer der Pony Bar. Im Festivalzentrum ist um die Zeit häufig schon Partystimmung, und wir wollten gern eine intimere Atmosphäre.
Im Juli habt ihr zusammen mit 60 anderen deutschen Filmfestivals die AG Filmfestival gegründet. Was steckt dahinter?
Die Verleiher und die Kinos haben ihre Lobby, wir Filmfestivals aber nicht. Weil in Deutschland davon um die 400 verschiedene herumschwirren, hatte die Politik keinen richtigen Ansprechpartner. Und da dachten wir uns: Um eine gemeinsame Stimme zu haben, Synergien zu nutzen und Probleme, die wir Festivals haben, diskutieren zu können, gründen wir eine Initiative.
Was sind das für Probleme?
Zum Beispiel das Personal. Grundsätzlich ist der Kulturbereich ja oft Arbeit am Limit und im Prekariat. Bei Filmfestivals gibt es zudem viele temporäre Jobs, weil viele Mitarbeiter nur für einige Tage oder Wochen beschäftigt sind. Wir würden ihnen gerne bessere Perspektiven bieten, indem wir ein Netzwerk bilden, sodass sie dann einen Anschlussjob in gleicher Position bei einem anderem Festival bekommen. Und es gibt natürlich Bestrebungen, auch von Ver.di, für eine gerechtere Bezahlung. Arbeit für ein Festival ist wirklich Arbeit und nicht etwa eine Art Hobby, wie manche glauben. So ein Filmfest ist ja auch durchaus ein größerer Faktor für eine Stadt, das sollte honoriert werden.
Die Kinos machen gerade eine schwierige Zeit durch. Wie geht es dem Filmfest Hamburg?
Gut. Ein Film, der auf einem Filmfest läuft, hat eine ganz andere Besucherakzeptanz als derselbe Film, wenn er eine Woche später ganz normal im Kino läuft.
Filmfest diesmal auch ums Eck
Woran liegt das?
Ich denke, die Leute schätzen den Event-Charakter, das Besondere und Einmalige bei einem Festival. Wir haben bei fast jedem der gut 120 Filme einen Gast dabei, viele laufen zum ersten Mal in Deutschland, manches sind auch Europa- oder Welt-Premieren. Manche laufen auch nur bei uns, weil sie keinen deutschen Verleih bekommen – eine einmalige Chance, wirklich außergewöhnliche Filme zu sehen, die es sonst nicht in die Hamburger Kinos schaffen. Und dann gibt es natürlich auch noch das Rahmenprogramm mit Workshops, Panels, Diskussionen und Partys.
Ihr geht dieses Jahr auch erstmals mit Filmen raus in die Stadtteilkinos?
Genau, das Ganze heißt „Filmfest ums Eck“. Wir kommen da mit einem Film plus Gast in acht Hamburger Kinos, zum Beispiel nach Blankenese, Wilhelmsburg, Volksdorf oder Bergedorf. Unsere Hauptkinos, die wir beim Festival bespielen, liegen ja alle sehr zentral, und wir wollen die Stadt noch ein bisschen mehr mitnehmen.
Gib uns einen Tipp: Welche Filme sollte man keinesfalls verpassen?
Das frankofone Kino ist sehr stark dieses Jahr, und auch bei den deutschen Filmen, die bei uns in der Sektion „Große Freiheit“ laufen, sind einige sehr gute dabei. Ich persönlich finde zum Beispiel den neuen Film von Katrin Gebbe klasse. „Tore tanzt“ war schon ganz groß, und „Pelikanblut“ jetzt ist ein toller Genremix. Ich finde sie als Regisseurin absolut exzeptionell.
Filmfest Hamburg 2019: 26.9.-5.10., teilnehmende Kinos
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, September 2019. Titelthema: Mobilität – Das bewegt die Stadt. Das Magazin ist seit dem 29. August 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!