Busan, Südkorea. Nachts bei strömenden Regen lässt eine junge Frau ihr Neugeborenes vor der Babyklappe einer Kirche zurück. Beobachtet wird sie dabei von zwei taffen Polizistinnen, unterwegs, um den Drahtziehern illegaler Adoptionen das Handwerk zu legen. Ins Visier geraten Sang-hyun (grandios: Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won), ein eher zart besaitetes als gerissenes Kleinkriminellen-Duo mit notorischen Geldsorgen. Die beiden sind nicht, wie vermutet, Teil einer großen Organisation, sondern klauen nur gelegentlich, wie jetzt, einen Säugling aus der Babyklappe. Gewissensbisse quälen die Kidnapper nicht, wissen sie doch, dass die meisten Frauen einen Zettel hinterlassen, wo sie zwar versprechen, zurückzukommen, um ihr Kind zu holen – so dürfen diese nicht zur Adoption freigegeben werden –, aber nur eine Mutter von 40 das Versprechen hält. Dong-soo, selbst im Waisenhaus aufgewachsen, kennt das Gefühl, vielleicht besser nicht geboren zu sein.
Die herkömmliche Moral, charakterisiert als untauglich zum Überleben
Unerwartet taucht am nächsten Tag die Mutter des gestohlenen Babys auf. So-young (sensationell: Lee Ji-eun), eine Prostituierte, bereut ihre Entscheidung, bezeichnet die Männer höhnisch als Broker, ist aber durchaus interessiert an einem Anteil des Honorars für die Adoption. Zusammen machen sich die drei in einem zerbeulten Mini-Van von Sang-hyuns Wäscherei auf durch Südkorea, um passende Eltern für den kleinen Woo-sung zu finden. Es entwickelt sich eine Schicksalsgemeinschaft, die manchmal an „Shoplifters“ (2018) erinnert. Der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda charakterisiert die herkömmliche Moral als untauglich zum Überleben am Rande der Gesellschaft. Seine Protagonisten, geprägt von Ablehnung und Verlust, besitzen trotz allem einen herrlich ungeschliffenen, trotzigen Charme.
Ästhetisch virtuos inszeniert
Familie bleibt Utopie, auch wenn Dong-soo kurz davon träumt. Hier ist kein Platz für kitschige Happy Ends höchstens für einige glückliche, ausgelassene Stunden zusammen und wichtiger noch: praktikable Lösungen. Mit subtiler, verspielter Finesse und Humor inszeniert Kore-eda ästhetisch virtuos das schillernde Beziehungsgeflecht, fast als wäre es eine Hommage an den Neorealismus von Vittorio De Sica.
„Broker“, Regie: Hirokazu Kore-eda. Mit Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona. 129 Min. Ab dem 16. März im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 03/2023 erschienen.