Filmkritik: „Daddio – Eine Nacht in New York“

In „Daddio“ führen Fremde Zwiegespräche im Taxi über Sex, Liebe, Einsamkeit und die oft so erfolglose Suche nach dem Glück
Sean Penn als Taxifahrer in „Daddio“ (©LEONINE)
„Daddio“ ist seit dem 27. Juni 2024 in den deutschen Kinos zu sehen (©LEONINE)

Vor ein paar Minuten gelandet am Airport John F. Kennedy, will die blonde junge Frau (Dakota Johnson) mit den schwarzen schweren Boots eigentlich nur schnell heim nach Manhattan. Auf die Fragen von Taxifahrer Clark (grandios: Sean Penn) reagiert sie anfangs widerwillig, nein, ihren Namen verrät sie nicht, nach Dreißig halbiert sich der Wert von Frauen eh. Clark lässt nicht locker und hakt nach beim Beziehungsstatus. Sein weiblicher Fahrgast, von Beruf Programmiererin, verharrt in der Defensive, damit beantwortet sich die Frage für ihn von selbst: Sie steht auf verheiratete und um einiges ältere Typen – und nennt sie Daddy!

Unser Fahrer mit dem rüden, leicht unflätigen Vokabular ist auf der richtigen Spur. Er provoziert gern, politisch korrekt klingt anders, aber das Machogehabe dient dem Bordsteinphilosophen und heimlichen Gentleman wohl eher als Tarnung oder Selbstschutz. Was er nicht weiß: Jener Daddy bombardiert die Frau auf der Rückbank gerade mit Dickpic und peinlich lüsternen Textnachrichten. Unsere erschöpfte, schöne Blonde zieht es aber vor, sich einen verbalen Wettkampf der Geschlechter mit dem Mann am Steuer zu liefern. Sie, die coole Verschlossene, geizt nicht mit Einblicken in ihr Innerstes, spricht über Missbrauch und Verlust. Auch Clark offenbart seine Einsamkeit und Frustration. Zwischen den beiden Fremden entwickelt sich eine nie zuvor erlebte Vertrautheit, Nähe.

„Daddio“ – Spiel mit Stereotypen

Regisseurin und Drehbuchautorin Christy Hall („I Am Not Okay with This“) ließ sich inspirieren von ihren Lieblingsfilmen wie „Mein Essen mit André“ (Louis Malle, 1981) und „No Turning Back“ (Steven Knight, 2013). Mit dem berührenden Drama „Daddio“ gelingt ihr ein spektakuläres Kinodebüt. Das tragische, waghalsige Spiel mit Stereotypen, mit Wahrheit und Illusion, jederzeit austauschbar, ist schmerzhaft, verwirrend – und in jedem Moment ästhetisch virtuos (Kamera: Phedon Papamichael). Sean Penn („Mystic River“) und Dakota Johnson („Fifty Shades of Grey“) zeigen hier völlig neue Seiten von sich, laufen zu Bestform auf.

„Daddio – Eine Nacht in New York“, Regie: Christy Hall. Mit Dakota Johnson, Sean Penn. 101 Min. Seit 27. Juni 2024 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 07/2024 erschienen.

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