Mehdi (Fehd Benchemsi) und Hamid (Abdelhadi Talbi) aus Casablanca arbeiten mit kleinkriminellen Methoden für ein Inkassobüro. Mit Anzug und Aktenkoffer ausgestattet, fahren sie mit ihrem alten, abgenutzten Renault durch die trostlosen Wüstenlandschaften Südmarokkos von Dorf zu Dorf, um das fällige Geld der Schuldner einzutreiben. Doch von den ärmlichen Dorfbewohnern ist bis auf Gastfreundschaft, alte Teppiche und Schafe meist nichts zu holen. Als sie an einer Tankstelle auf einen Mann treffen, der auf dem Gepäckträger seines Motorrads einen Gefangenen mit Handschellen transportiert, lassen sie sich darauf ein, den Gefangenentransport selbst durchzuführen. Nicht ohne Folgen: Schon bald wandern die beiden durch die endlose Wüste des Lebens – die bekanntlich stets mehr nimmt als gibt.
„Déserts“ – sich einfach treiben lassen
Regisseur Faouzi Bensaïdi („Vom Gießen des Zitronenbaums“) gelingt mit „Déserts – Für eine Handvoll Dirham“ ein visuell eindrucksvolles Werk, das durch seinen skurrilen Humor überzeugt. Die tragikomischen Begegnungen auf dem mit ruhiger Hand inszenierten Roadtrip sind nicht wahllos. Vielmehr ergibt sich im Laufe des Films ein Mosaik unterschiedlicher emotionaler wie realer Wüsten, in denen die Menschen sich verloren haben. Die beiden Charaktere sind trotz ihrer Gegensätzlichkeit ein passendes, harmonisch funktionierendes Duo. Die Kamera bleibt stets auf Distanz zu ihnen, was ungewöhnlich wirkt, aber durch die Einbeziehung der Umgebung als eigenständigem Protagonisten gut funktioniert. Die wenigen Close-ups sind zwei Nebenfiguren vorbehalten. Relativ mutig wirkt der damit zusammenhängende erzählerische Bruch von der Komödie zur abstrakten Tragödie. Filmisch ist dieser gekonnt umgesetzt. Die damit einhergehende Inkohärenz des Films spiegelt bewusst die Inkohärenz des Lebens wider. Um einer solchen Erzählform folgen zu können, müssen die Zuschauer wie die Protagonisten zu Beginn des Films die sichere Landkarte davonfliegen und sich treiben lassen.
„Déserts“, Regie: Faouzi Bensaïdi. Mit Abdelhadi Talbi, Fehd Benchemsi, Hajar Graigaa. 125 Min. Ab 27. Juni 2024 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
Dies war der letzte Artikel von Marco Arellano Gomes für SZENE HAMBURG. Er hat das Filmressort zum 1. Juni 2024 abgegeben. Die gesamte SZENE HAMBURG-Redaktion dankt Marco für vier Jahre exzellente Arbeit – du und dein (Film-)Wissen werden fehlen.
Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 06/2024 erschienen.