Filmkritik: Memory

„Memory“ mit Jessica Chastain und Peter Sarsgaard ist ein einfühlsames Drama um Trauma und Vergessen
Memory
Jessica Chastain und Peter Sarsgaard im tollen Drama „Memory“ (©Teorema 2023)

Dass die Sozialarbeiterin Sylvia ein schweres Päckchen mit sich herumschleppt, merkt man schnell. 13 Jahre ist sie nun schon trocken, wie sie in ihrer Selbsthilfegruppe für Anonyme Alkoholiker gleich zu Anfang verkünden darf. Und doch spricht aus ihrem Verhalten eine permanente Anspannung, ständig ist sie auf der Hut – was auch ihre Teenagertochter zu spüren bekommt, die sie am liebsten komplett vor der Welt jenseits ihrer Wohnung abschirmen würde. Als sich bei einem Highschool-Treffen ein Mann namens Saul unvermittelt neben sie setzt, nimmt Sylvia Reißaus. „Memory“ scheint nun die Abzweigung in Richtung Stalking-Thriller zu nehmen. Immerhin verfolgt er sie bis nach Hause, wo er vor der Tür die ganze Nacht ausharrt. Am nächsten Morgen dann die Offenbarung: Saul leidet an einer frühen Form von Demenz und verliert regelmäßig die Orientierung. Auf einem Spaziergang etwas später wirft Sylvia ihm schließlich vor, sie während der Schulzeit vergewaltigt zu haben. Aber kann diese Anschuldigung stimmen?

„Memory“ wirkt fast dokumentarisch – gut

Michel Franco packt allerhand komplexe Themen in seinen neuen Spielfilm, schafft es allerdings, ihnen auf berührende Weise gerecht zu werden. Große melodramatische Gesten umschifft der Kontroversen nicht scheuende Mexikaner konsequent. Die zurückhaltende Inszenierung erweckt mit ihrer oft statischen, aus einer gewissen Distanz auf das Geschehen blickenden Kamera einen fast dokumentarischen Eindruck. Nichts wird hier effekthascherisch aufgebauscht. Mehr noch: Wiederholt bricht das Drama mit den Regeln klassischen Filmemachens. Etwa wenn Gesprächssituationen, anders als üblich, nicht in Schuss-Gegenschuss-Einstellungen aufgelöst sind. Ein Kniff, mit dem Franco die gestörte Kommunikation zwischen einigen Figuren treffend einfängt. Enormen Anteil an der Ausdruckskraft von „Memory“ haben nicht zuletzt Jessica Chastain und Peter Sarsgaard. Dank ihrer behutsamen, nuancierten Darbietungen wirkt die langsame Annäherung der beiden verletzten Seelen umso glaubwürdiger.

„Memory“, Regie: Michel Franco. Mit: Jessica Chastain, Peter Sarsgaard. 100 Min. Seit dem 3. Oktober 2024 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 10/2024 erschienen. 

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