Filmkritik: „Pearl“

Regisseur Ti West schwelgt mit „Pearl“ im Glanze von „Old Hollywood“. Es geht um den Höllentrip einer Unschuld vom Lande: Paraderolle für Mia Goth! 
Pearl (Mia Goth) hat große Träume und Gewaltfantasien (© A24/Origin Picture Show LLC)
Pearl (Mia Goth) hat große Träume und Gewaltfantasien (© A24/Origin Picture Show LLC)
„Pearl“ unter der Regie von Ti West ab dem 01. Juni 2023 im Kino (©A24/Origin Picture Show LLC)
„Pearl“ unter der Regie von Ti West ab dem 01. Juni 2023 im Kino (©A24/Origin Picture Show LLC)

Vintage-Titelsequenz, Technicolor-Farben und Violinen-Score: In seinem 1918 spielenden Film schwelgt Regisseur Ti West im Glanze von „Old Hollywood“. Auf einer abgelegenen Farm im Südwesten Amerikas betritt eine Art Pippi Langstrumpf mit Latzhose und Kopftuch die Scheune. Die Kuh kriegt einen Schmatzer auf die feuchte Schnauze, dann wird das versammelte Nutzvieh Zeuge einer selbstverliebten Tanzvorführung mit Heuballen als Show-Treppe. Pearl (zum Niederknien: Mia Goth) strickt sich ihre eigene Realität, denn die echte gibt nicht viel her: Draußen tobt der Erste Weltkrieg und die Spanische Grippe hat das Land im Würgegriff.

Die kaltherzige Mutter und der demente Vater machen ihr zusätzlich das Leben schwer. Im Lichtspielhaus flüchtet sie in kitschige Tanzfilme. Zu gern würde sie selber auf der Leinwand glänzen, doch diesen geheimen Traum kann sie nur mit dem Stallvieh teilen. Bald schon bekommen die Tiere ihre aufgestauten Aggressionen zu spüren: Mit Mistgabeln kann man nicht nur Heu wenden! Bei einem Tänzerinnen-Casting wittert Pearl die Chance, der familiären Hölle zu entkommen. Als sie einen Korb bekommt, weil die Juroren bei ihr den „X-Faktor“ vermissen, bricht sich ihre dunkle Seite endgültig Bahn. Von jetzt an sind nicht nur Tiere ihre Opfer …  

Für Freunde intelligenter Genre-Unterhaltung

Apropos „X“: West glänzte letztes Jahr mit dem gleichnamigen Horrorfilm, in dem ein Filmteam, das 1979 auf dem Lande einen Porno drehen will, einem hochbetagten Ehepaar zum Opfer fällt. Goth verkörperte hier sowohl die freizügige Jungdarstellerin Maxine als auch, unter vielen Schichten faltiger Prothesen, die über 80-jährige, durch lebenslange Frustration zur mordenden Bestie gewordene Farmersgattin: Pearl. Während der Pandemie an ihrem entlegenen Drehort isoliert, realisierten West und sein Team gleich zwei Filme. Obwohl ihre Handlung 61 Jahre auseinanderliegt und sie stilistisch sehr unterschiedliche Wege gehen, sind beide auf wundersame Weise verwoben. Mit „MaXXXine“ wird das Ganze dann zeitnah zur Trilogie ausgebaut. Freunde intelligenter Genre-Unterhaltung dürfen schon vorfreudig juchzen!

Pearl“, Regie: Ti West. Mit Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright. 102 Min. Ab dem 01. Juni 2023 im Kino.

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.

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