Steht sie auf der Konzertbühne, trifft sie jeden Ton, in ihrem restlichen Leben aber werden die Dissonanzen immer lauter. Sie erniedrigt ihre Studenten, droht den Schulkameraden ihrer Tochter und hat vor ihrer Frau (Nina Hoss) immer mehr Geheimnisse. Ihre kultivierte Fassade, die sie in Kaschmirpullover und maßgeschneiderte Anzüge hüllt, bekommt nach und nach Risse. Erst recht als Anspielungen auf Machtmissbrauch und sexuelles Fehlverhalten auftauchen – und eine geheimnisvolle Frau, die mal im Publikum sitzt, durch Flure huscht oder sich wie ein Schatten in die Kinderzimmerecke drückt.
Ein Film, schon für mehr als 225 Preise nominiert
16 Jahre lang hat der Indie-Regisseur Todd Field nach großartigen Dramen wie „In the Bedroom“ pausiert, um jetzt so formvollendet Rätsel aufzugeben, dass „Tár“ mittlerweile für mehr als 225 Preise nominiert ist und zahlreiche bereits gewonnen hat. Aber es gibt durchaus auch wütende Abrechnungen. Denn „Tár“ erzählt nicht nur von Machtmissbrauch, von westlicher Hochkultur und Cancel Culture, sondern scheint sich zum Ende hin in einen Geisterfilm zu verwandeln. Auch wenn manche diesen Hokuspokus nicht mitmachen möchten, überschlagen sich im Internet die Mutmaßungen und werden mit Screenshots geisterhafter Erscheinungen belegt. Sind das Halluzinationen? Oder Metaphern für Lydia Társ Schuldgefühle? Auf jeden Fall kann man nicht anders, als Cate Blanchett fasziniert in alle Verästelungen der Geschichte zu folgen. Und das bis zur letzten der 158 Minuten – mit einem umwerfenden Schlussakkord.
„Tár“, Regie: Todd Field. Mit Cate Blanchett, Noémie Merlant, Nina Hoss. 158 Min. Ab dem 2. März im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 03/2023 erschienen.