Frauenmusikzentrum: Auflegen ohne Mansplaining

Im Keller der ehemaligen Viktoria-Kaserne in Altona-Nord können FLINTA*-Personen seit Sommer 2023 an ihren DJ-Skills feilen. Zwei der Initiatorinnen, Silvie Torneden und Tutku Kaplan vom f*mz Hamburg, sprechen über die Notwendigkeit geschützter Räume und einen solchen Abend im SLOT
DJ im Frauenmusikzentrum
Teilt Wissen: Esshar in Action (©Timo Sommer)

SZENE HAMBURG: Silvie und Tutku, was ist das Frauenmusikzentrum?

Silvie: Das Frauenmusikzentrum oder abgekürzt f*mz gibt es bereits seit 1987 und ist ein Proberaumzentrum, in dem FLINTA*-Personen und Mädchen im geschützten Rahmen proben, sich vernetzen und ausprobieren können. Das ist in Hamburg und auch deutschlandweit eine einmalige Institution. Von Profi bis völlige Anfänger:innen sowie ein Querschnitt aus allen Musikgenres wie zum Beispiel Punk, Klassik, Pop oder Jazz ist alles dabei. Zusätzlich bieten wir ein vielfältiges Workshop-Programm oder veranstalten selbst, um mehr Sichtbarkeit für FLINTA*-Personen zu verschaffen.

Tutku: Ich persönlich bin seit letztem Jahr März beim Frauenmusikzentrum und bin hauptsächlich für den Bereich Fundraising und Veranstaltungsorganisation verantwortlich.

Wie seid ihr musikalisch unterwegs?

Tutku: Ich bin seit etwa zwölf Jahren in der Hamburger Szene als DJ unterwegs und habe bis jetzt viele Veranstaltungsformate von HipHop bis Brazil Funk kuratiert. Als Teil eines Kollektivs namens MASTIKA SOUNDS, schaffen wir derzeit monatlich musikalische Räume für griechische, kurdische, türkische und arabische Musik im Buttclub an der Hafenstraße. Zusätzlich gebe ich noch DJ-Workshops für Anfänger:innen und Fortgeschrittene.

Silvie: Ich lege selbst als DJ hier und da in verschiedenen Clubs oder Veranstaltungen auf. Meistens im queeren Kontext. Aber ich spiele auch Bass in der „female fronted“ Punkrock-Band namens „Bullshit Boy“.

Es geht vielmehr darum, FLINTA*-Personen zu zeigen, sich aktiv in die Szene zu Integrieren und zu etablieren

Tutku Kaplan

Wo haltet ihr euch im Hamburger Nachtleben am liebsten auf?

Silvie: Ich liebe (sub-)kulturelle Räume, die mit Herz und Leidenschaft geschaffen werden oder ein diverses Programm auf die Beine stellen. Mittlerweile ist mir auch wichtig, dass sich die Clubs und Veranstalter:innen mit einem Awareness-Konzept auseinandersetzen, um ein sicheres Gefühl beim Ausgehen zu vermitteln. Musikalisch kann es gerne gemischt sein – von Punk, Indie, HipHop bis guter elektronischer Musik darf gerne alles dabei sein.

Tutku: Weil ich oft als DJ unterwegs bin, sehe ich privat eher davon ab, feiern zu gehen. Generell findet man mich eher in Bars.

Frauen als DJ? Eher Trend statt Norm

DJ im Frauenmusikzentrum
„Leider ist es immer noch so, dass die DJ-Szene sehr männlich dominiert ist“: Tutku Kaplan (©Kein Credit)

FLINTA*-DJ-Übungsspace, was ist das?

Silvie: Ein geschützter Ort, wo interessierte FLINTA*-Personen mit DJ-Vorkenntnissen gemeinsam üben, sich austauschen und vernetzen können.

Warum braucht es solche Orte?

Tutku: Leider ist es immer noch so, dass die DJ-Szene sehr männlich dominiert ist. Natürlich hat sich in den letzten Jahren ein Trend entwickelt, wo auch verstärkt Frauen in die Szene mit integriert werden. Aber es ist und bleibt ein Trend und nicht die Norm. Wir versuchen in diesen Räumen nicht nur eine Möglichkeit zu schaffen, dass FLINTA*s üben können. Es geht vielmehr darum, FLINTA*-Personen zu zeigen, sich aktiv in die Szene zu Integrieren und zu etablieren. Hier schaffen wir Möglichkeiten für DJ-Slots in Clubs oder für Radio-Formate.

Silvie: Besonders in der Musikindustrie und Clubkultur gibt es nach wie vor ein starkes Ungleichgewicht und Männer spielen sich oft in den Vordergrund. Übungsräume fernab von Mansplaining gibt es kaum. Deshalb sahen wir darin eine große Notwendigkeit diesen Ort zu schaffen.

Wie hat sich die Idee dazu entwickelt?

Silvie: Der Übungsspace ist eine Idee von Tutku, Esshar und mir. Tutku und Esshar sind als DJs in der Szene fest etabliert und geben selbst DJ-Workshops. Für uns ist eine Nachhaltigkeit wichtig, damit das Gelernte nicht gleich wieder verloren geht. Aber auch ein geschützter Raum, in dem das möglich ist. Die Nachfrage nach den DJ-Workshops ist extrem hoch und auch das gemeinsame Proben und Austauschen, deshalb fanden wir es wichtig diesen Übungsraum zu schaffen. Das SLOT ist für uns ein perfekter Ort, um das umzusetzen und die SLOT-Crew unterstützt uns sehr darin.

Musik aus (fast) allen Stilrichtungen

Setzt auf Awareness-Konzepte der Clubs: Silvie Torneden (©Katja Nitsche)

Seit wann gibt es diesen Space?

Silvie: Uns gibt es seit Juli 2023 und wir treffen uns jeden zweiten Dienstag im Monat. Wir waren auf der Suche nach Räumen. Die VHS hat uns einen Raum angeboten, der aber nicht geeignet war. Das SLOT war dann relativ schnell begeistert von der Idee und hat uns sofort die Umsetzung ermöglich. Das ist perfekt, denn die Räume bieten gleichzeitig eine sehr charmante Clubatmosphäre.

Wie läuft so ein Abend konkret ab?

Silvie: Wir öffnen die Türen ab 19 Uhr und richten verschiedene DJ-Übungsplätze ein. Zum einen gibt es die digitale Variante mit zwei CDJ-Playern, einem Mischpult und/oder Controller und zum anderen Plattenspieler, um auch das analoge Beatmatchen zu üben. Jede*r darf sich an den Turntables ausprobieren oder gemeinsam mixen. Manchmal geben wir auch „Übungsaufgaben“ vor, die an dem Abend ausprobiert werden können.

Überwiegt eine bestimmte Musikrichtung?

Silvie: Momentan ist Techno sehr dominierend. Aber auch an HipHop, RnB, Dark Wave und unterschiedlichen elektronischen Musikstilen wird sich ausprobiert.

Was ist der Unterschied zu eurem DJ-Workshop?

Silvie: Im DJ-Workshop wird quasi bei null angefangen und alle nötigen Basics vermittelt.

Auch eigene Musik ist immer willkommen.

Silvie Torneden

DJ im Frauenmusikzentrum: Die Technik ist da

Wer kann mitmachen und wie viele Menschen kommen im Schnitt?

Silvie: Das variiert zwischen acht und zehn Personen. Ein absolutes Maximum würde ich bei 20 Personen sehen. Mitmachen können alle FLINTA*-Personen, die bereits Vorkenntnisse im DJing haben und Interesse haben weiter zu üben. Die Vorkenntnisse und Erfahrungen müssen auf keinen Fall perfekt sein. Darum geht es ja auch, dass niedrigschwellig weiter darauf aufgebaut werden kann.

Können Teilnehmende eigenes Equipment mitbringen?

Silvie: Theoretisch ist das möglich. Meistens lohnt sich das Geschleppe aber nicht, da wir die Übungsstationen meistens vorbereitet haben. Es gibt zwei Pioneer CDJ 3000, einen Allen&Heath und ein Pioneer Mischpult, zwei Technics-Plattenspieler, Controller/Laptop. Wer aber seinen neuen Controller und Software mitbringen und sich darin weiter einarbeiten möchte, kann das natürlich gerne tun. Auch eigene Musik ist immer willkommen.

Wären solche Räume in weiteren Locations denkbar oder gibt es diese bereits?

Silvie: Auf jeden Fall. Je mehr Räume je besser. Es gibt einen weiteren Übungsort im Gängeviertel, der durch das FLINTA* Kollektiv Kosmos&Krawall, von dem auch Esshar Teil ist, ins Leben gerufen wurde. Dort wird immer jeden dritten Donnerstag im Monat geübt.

Gibt es weitere Veranstaltungen, auf die ihr hinweisen möchtet?

Silvie: Ich bin leider immer viel zu selten da, aber ein wirklich bezaubernder Ort mit tollen Menschen ist die monatliche queere „Tante Paul“-Party im Komet, die jeden letzten Samstag im Monat stattfindet.

Tutku: Empfehlen kann ich natürlich MASTIKA SOUNDS im Buttclub. Mit Greek Sounds, Turkish Pop, Arabesk und Kurdish Classics. Wer wissen möchte, wann und wo die Veranstaltung stattfindet, kann sich gern auf der Instagram-Seite informieren.

Am 12. März 2024 von 19 bis 21 Uhr gibt es den nächsten FLINTA* DJ Space im SLOT, 19–21 Uhr, danach immer jeden zweiten Dienstag im Monat

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2024 erschienen.

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