Frauenschwimmen: Safe Space H2O

Regelmäßig öffnet Bäderland das Hallenbad St. Pauli und die Schwimmhalle Inselpark in Hamburg-Wilhelmsburg nur für weibliche Personen – ein Ortsbesuch beim Frauenschwimmen
Die Liegen werden beim Frauenschwimmen in Wilhelmsburg wenig genutzt, die meisten verbringen ihre Zeit am liebsten im Wasser (©Marie Oetgen)

In der Schwimmhalle Inselpark in Wilhelmsburg herrscht reger Betrieb. Obwohl das Schwimmbad seine Türen erst um 16 Uhr öffnet, warten einige Personen bereits eine Viertelstunde früher auf den Einlass. Auffällig dabei: Alle Anwesenden an diesem Montagnachmittag sind Frauen – und das wird auch so bleiben. Beim Frauenschwimmen bietet Bäderland weiblichen Personen eine geschützte Atmosphäre, in der sie ungestörter und freier baden können. Hier sind sie unter sich, denn auch die Badeaufsicht ist weiblich. Entlang eines Absperrbands stellen sich die Besucherinnen in einer Reihe an der Kasse an, die auch von männlichem Personal besetzt wird. Viele tragen Kopftuch. Einige kommen alleine, andere sind mit Freundinnen da, manche haben ihre Kinder mitgebracht. Jungen dürfen ihre Mütter zum Frauenschwimmen begleiten, allerdings nur, wenn sie nicht älter als zwei Jahre sind. Im Zweifel muss das Alter auf dem Ausweis nachgewiesen werden.

Der Rettungsring liegt bereit

Nadja Kompenhans leitet das Frauenschwimmen in hamburg-Wilhelmsburg an
Für sie ist das Frauenschwimmen Routine: Badleiterin Nadja Kompenhans (©Marie Oetgen)

Während die Besucherinnen draußen an der Kasse geduldig warten, treffen Badleiterin Nadja Kompenhans und ihre Kolleginnen in der Schwimmhalle die letzten Vorbereitungen: Die Rettungsstange ist aufgestellt, der Rettungsring liegt an seinem Platz, Startblöcke und das Drei-Meter-Brett sind durch Pylone versperrt. Die vier Badeaufsichten nehmen ihre Positionen ein: drei von ihnen haben das 25-Meter-Mehrzweckbecken im Blick und eine überwacht das 1,30 Meter tiefe Kursbecken. Denn obwohl Erwachsene im brusttiefen Wasser problemlos stehen können, kommt es auch dort häufiger zu Einsätzen der Badeaufsicht, weil unerfahrene Nichtschwimmerinnen die Orientierung verlieren. „Fast jeden Montag muss jemand von uns ins Wasser springen, weil nicht alle ihre Grenzen einschätzen könnnen“, sagt Kompenhans.

Seit zwei Jahren leitet die dreifache Mutter die Schwimmhalle Inselpark in Teilzeit. „Manchmal geben wir den Frauen aber auch die Chance, sich einfach mal auszuprobieren, wenn wir daneben stehen. Für uns ist das nicht problematisch, dann springen wir halt mal. Das ist unser Job“, erklärt sie gelassen. Die 40-Jährige kennt die Abläufe beim Frauenschwimmen, für sie ist es Routine. Weil im Schichtdienst aber intern nicht immer genügend weibliches Personal zur Verfügung steht, verstärken oft Arbeitskräfte aus anderen Bädern an Montagnachmittagen die Badeaufsicht in Wilhelmsburg. Für sie könne das stets gut besuchte Frauenschwimmen herausfordernd sein, weil sie mit dem Ablauf nicht vertraut seien, sagt Kompenhans. In den Ferien kommen an einem Nachmittag 300 bis 350 Besucherinnen. Nicht nur dann geht es hier ausgelassen, laut und lebhaft zu. Bereits in der Umkleide laufen Kinder durch die Gänge, in den Kabinen wird angeregt in verschiedenen Sprachen geredet. Genau diese heitere Atmosphäre ist es, die Jana am Frauenschwimmen gefällt. „Es macht dann Spaß, hier zu sein“, sagt sie. Die 27-Jährige kommt aus Wilhelmsburg und besucht die Schwimmhalle am Montagnachmittag nicht zum ersten Mal.

Frauenschwimmen: Wie eine kleine Party

Das Frauenschwimmen findet samstags von 11.30 bis 14.30 Uhr im Hallenbad St. Pauli (ganzjährig) und montags von 16 bis 20 Uhr in der Schwimmhalle Inselpark (September bis April) statt.

Das Kursbecken füllt sich schnell, rund 60 Frauen und Mädchen lassen sich bald dort treiben und fühlen sich im über 30 Grad warmen Wasser sichtlich wohl. Das ganze Spektrum an Badebekleidung wird dabei repräsentiert, von Bikini über Badeanzug bis hin zu Burkini und Neoprenanzug. Einige Besucherinnen tragen zusätzlich Badekappen und Schwimmbrillen. Obwohl es der Platz im Becken kaum zulässt, versuchen es manche mit Wassergymnastik. „Ein bisschen Work-out“, sagt eine Frau, die sich mit einem langärmeligen Badeshirt ihren Weg durch die Menge bahnt, die anderen Badegäste anlächelt und dabei auf und ab hüpft. Bei Fitnesskursen würde sie Kopftuch tragen, erzählt die Afghanin, im Schwimmbad verzichte sie aber darauf. „Mit Kopftuch ist es nicht gut“, meint sie. Neben ihr hat sich mittlerweile so was wie eine kleine Party entwickelt. Frauen verschiedener Altersklassen singen, klatschen und springen im Kursbecken und machen ein Gespräch in Zimmerlautstärke fast unmöglich. Auch anwesende Jugendliche und Kinder machen mit – zumindest diejenigen, die schon alt genug sind. Am Beckenrand steht eine Babyschale, in der trotz der Geräuschkulisse ein Säugling friedlich schläft. 

Dann springen wir halt mal. Das ist unser Job

Badleiterin Nadja Kompenhans

„Wir stehen nicht nur stumm daneben“

Beim Frauenschwimmen liegt auch immer ein Rettungsring bereit
Safety first: Der Rettungsring steht immer bereit (©Marie Oetgen)

Derweil geht es im Mehrzweckbecken etwas ruhiger zu. Kleinere Grüppchen haben sich an den Beckenrand zum Plaudern zurückgezogen, auf den mittleren Bahnen im Nichtschwimmerbereich üben mehrere Frauen unter Anleitung das Schwimmen. Auch Kompenhans und ihre Kolleginnen geben bei Bedarf Tipps. „Wir stehen nicht nur stumm daneben“, sagt die Badleiterin. Schwimmleinen unterteilen das Becken in drei Teile, sodass nur zwei Bahnen auf der rechten Seite richtiges Schwimmen ermöglichen. Eine Dame im sportlichen Badeanzug lässt sich davon nicht beirren. Ehrgeizig zieht sie ihre Bahnen, die Schwimmbrille auf den Augen. Plötzlich schreit sie eine andere Besucherin an, die etwas hinter ihr schwimmt. Beide werden laut. Die Situation endet damit, dass eine Aufsicht ins Wasser springt – nicht um jemanden zu retten, sondern um die ambitionierte Schwimmerin des Bades zu verweisen. Denn diese hat sich nicht kooperativ gezeigt und weiter darauf bestanden, eine ganze Bahn für sich zu beanspruchen. Die andere in den Konflikt verwickelte Besucherin ist Jessica. „Sie hat darauf bestanden, ihre Bahnen zu schwimmen und mich dafür angefahren, dass ich ihr angeblich zu nahe gekommen bin und sie berührt habe“, berichtet die 38-Jährige. Sie wohnt in Wilhelmsburg und ist zum ersten Mal beim Frauenschwimmen. Die Geschlechtertrennung sei ihr egal, sie sei wegen einer Gruppe hier, mit der sie vergünstigten Eintritt bekomme. Solch ein Zwischenfall scheint eher die Ausnahme zu sein. „Normalerweise verstehen sich alle gut“, sagt Kompenhans, „die Frauen fühlen sich unter Gleichgesinnten.“ Ein weiterer Vorteil beim Frauenschwimmen: Die Besucherinnen können im Anschluss auch die Männerduschen nutzen. Sie haben keine Scheu, das Angebot in Anspruch zu nehmen.          

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